ruppensex Er war einfach nur ein Fotograf. Zwar ein besonderer, denn er benutzt statt des Lichts Röntgenstrahlen.
Dieser Anatom durchdringt mit seinem Auge, den verlängerten Rüsseln der Röntgenapparate, die Körper. Die schwarzweißen Schirmbilder jedoch, die uns aus den Ärztezimmern bekannt sind, würden uns sicherlich gleichgültig lassen. Darum belebte er seine Akte. Deshalb schreiten seine Skelette mit einem so straffen, entschlossenen Schritt in den Todeshemden der Raglans, mit den Spektren der Aktentaschen. Ziemlich boshaft und eigenwillig, geben wir es zu, mehr nicht, doch er hat mit diesen Momentaufnahmen nur Maß genommen, es waren seine ersten Gehversuche - er wußte noch nicht, wie und was. Lärm erhob sich erst, als er sich erdreistete, etwas Schreckliches zu tun (obschon es eigentlich keine schrecklichen Dinge mehr geben sollte): Er hatte den Sex durchleuchtet und ihn auf diese Weise gezeigt.
Die Sammlung von Strzybisz' Arbeiten eröffnen seine «Pornogramme« - die fürwahr
komisch sind, aber es ist eine recht grausame Komik.
Gerade den aufdringlichsten, zügellosesten, entfesselten Sex, den Gruppensex,
hat Strzybisz unter die bleiernen Blenden seiner Objektive genommen. Man schrieb,
er wolle die Pornomanie verhöhnen, er habe ihr eine genaue (weil bis zum nackten
Knochen geführte) Lektion erteilt, und dies sei ihm gelungen, weil diese Knochen,
die ineinander verkrampft, zu geometrischen Rebussen geordnet, aus der unschuldigen
Verwirrung vor dem Auge des Zuschauers plötzlich - und unheimlich - in einen
modernen Totentanz, in die Laichzeit hochhüpfender
Skelette überspringen. - Stanislaw Lem, Imaginäre Größe. Frankfurt am Main 1976 (zuerst 1973)
Gruppensex (2)
Paragraph Aids Ich soll der einen Frau unwandelbar treu sein Tamino Euridice |
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Karl
Mickel
, Schriften 2. Palimpsest. Gedichte und Kommentare 1975-1989
Gruppensex (3)
Gruppensex (4) Vorsichtig zog er ein Flugblatt aus seiner Kollegmappe, das den Titel SOLIDARITÄT MIT DEN ›LA BRIGUE‹-SCHAFEN! trug. »Ich habe den Text heute nacht getippt...«, sagte er leise.»Ich habe gestern abend mit den Schafzüchtern gesprochen. Sie wissen sich einfach nicht mehr zu helfen, sie sind voller Haß, ihre Schafherden sind buchstäblich dezimiert worden. Daran sind die Umweltschützer schuld und der Naturpark des Mercantour. Sie haben hier Wölfe wieder eingerührt, Horden von Wölfen, und die fressen die Schafe!...« Seine Stimme wurde plötzlich schrill, schlug in Schluchzen um. In der Nachricht, die Bruno Michel hatte zukommen lassen, hatte er ihm mitgeteilt, daß er sich wieder in der psychiatrischen Klinik in Verrieres-le-Buisson aufhielt, und zwar »vermutlich für immer«. Anscheinend hatte man ihn zu diesem Anlaß gehen lassen.
»Unsere Mutter liegt also im Sterben ...«, unterbrach ihn Michel, um auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zurückzukommen.
»Völlig richtig! Am Cap d'Agde ist es genau dasselbe, da haben sie angeblich
die Dünen gesperrt. Der Beschluß ist gefaßt worden, weil die Schutzgemeinschaft
für die Küstenzone, die ganz in den Händen der Umweltschützer ist, starken Druck
ausgeübt hat. Die Leute haben nichts Böses getan, sie haben sich nur ganz friedlich
mit Gruppensex vergnügt; aber das stört angeblich die Seeschwalben. Die Seeschwalbe,
das ist so eine Spatzenart. Zum Henker mit den Spatzen!« sagte Bruno erregt.»Sie
wollen uns daran hindern, Gruppensex zu machen und Schafskäse zu essen, das
sind richtige Nazis. Und die Sozialisten stecken mit ihnen unter einer Decke.
Sie sind gegen die Schafe, weil Schafe Rechte sind, die Wölfe dagegen Linke;
dabei ähneln die Wölfe den Deutschen Schäferhunden, und die sind rechtsradikal.
Wem soll man da noch trauen?« - Michel
Houellebecq
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Elementarteilchen. München 2001 (zuerst 1998)
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