rößte, Das   Mann und Frau saßen Gesicht an Gesicht, in einem Ernst, der ihnen beiden Ägypter-Profile gab. Die umeinandergelegten Arme und das so behutsame wie stetige Näherrücken erinnerten an ein sich langsam schließendes Geranke. Der Mann legte die Fingerspitzen an den Hals der Frau, wie um dort den Herzschlag zu spüren. Sie starrte ihm unter unbewegten Lidern in die Augen, während gleichzeitig einer dem andern in einem raschen Hin und Her leise und dringlich zuredete. Sie saßen dann, Gesicht nun in Gesicht, nicht mehr wiederzuerkennen, einander eine Ewigkeit reglos gegenüber, wie auf alten Darstellungen Sonne und Mond in einem Kreis. Diese Frau mußte für den Mann gerade die schönste Frau auf Erden sein! - Eine weitere Ewigkeit färbte ein Rot beider Wangen, bis - wechselseitige Bewegung - er sich über sie beugte, während sie zugleich sich zur Seite neigte, nicht bloß mit dem Kopf, sondern dem ganzen Körper, wie eine Zusammenbrechende, die das Bärenfell an der Wand dahinter gleichsam mit sich auf das gemeinsame Lager ziehen wollte. »Und das Größte geschah« - das ist einst in den Hirtengedichten eine Umschreibung für die leibliche Vereinigung gewesen.   - Peter Handke, Der Chinese des Schmerzes. Frankfurt am Main 1986 (zuerst 1983)
 
 

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