Grenzgänger  Ich sagte, man könne bei diesen Zweisprachlern der Grenze einen gemeinsamen Zug finden: das sei die Eignung zum Fliegen oder zum Schweben. Man kann dieses Fliegen nicht sehen, da es weder Flügel noch Propeller noch eine aerodynamische Position braucht, das heißt, die Unterstützung der Luft nicht braucht; sondern eine Art luftleeren Raum hat oder wie wenn einer eine Waschpulverblase wäre, die sich vom Gewicht des Körpers loslöst. Diese Art des Fliegens oder Schwebens kommt wahrscheinlich von der Situation, daß sie Staatenlose oder Grenzgänger sind und daher umkämpft und immer in Alarmbereitschaft. Ich würde sagen, es entstand da eine Möglichkeit, sich in der Luft aufzuhalten, die nicht in Erscheinung tritt. Es ist nämlich eine unmerkliche Art sich zu erheben, eine nicht augenfällige Art; so daß der Betreffende oder die Betreffende, wenn es eine Frau ist, sitzen bleibt, wenn sie saß, liegen oder stehen bleibt, wenn sie lag oder stand. Im wesentlichen ist es ein geheimer, persönlicher Flug, und zwar aus strategischen Gründen und von weitblickender List. Daß sie fliegen, erkennt man an ihrem Gesicht oder an ihren Gesten, die sonst unerklärlich wären.    - (mond)

Grenzgänger (2) Vidocq begann seine verbrecherische Laufbahn im Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren mit dem Diebstahl von 2000 Franc aus den Ersparnissen seiner Mutter, ging dann zum Militär, lieferte fünfzehn Duelle in sechs Monaten und wurde im Alter von 23 Jahren zu einer achtjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Diese Strafe erhielt er wegen einer Gefangenenbefreiung, mit der er aber angeblich nicht das Geringste zu tun gehabt hatte, und obwohl er sich rühmt, bei den Mitgefangenen und Aufsichtspersonen im Durchgangsgefängnis von Bicetre einen ganzen Hofstaat von Bewunderern um sich gesammelt zu haben, erklärt er, »dieser zweifelhafte Ruhm« sei ihm verhaßt, gewesen. Er entschloß sich, ein Informant der Polizei zu werden, »um des Interesses der ehrlichen Menschen willen« und bot Kommissar Henry, einem Beamten der Pariser Polizeipräfektur, seine Dienste an. Die Daten und Details widersprechen sich in den >Memoires<, aber es gibt keinen Zweifel an der Authentizität der wichtigsten Tatsachen in der Lebens geschichte von Vidocq. Angeblich hat er danach einundzwanzig Monate als Polizeispitzel hinter Gefängnismauern verbracht, erst in Bicètre, dann in La Forge. In dieser Zeit bewies er seine Loyalität gegenüber den Gesetzeshütern. Seine >Flucht< wurde arrangiert, und später ernannte man ihn zum Chef de la Sûreté, dem zunächst ein Stab von vier Mitarbeitern zur Verfügung stand, eine Zahl, die er zuletzt bis auf achtundzwanzig erhöht hatte.

Fast alle seine Mitarbeiter waren ehemalige Sträflinge, und das Gerücht wollte nicht verstummen, daß einige von ihnen, vielleicht sogar Vidocq selbst, Diebstähle arrangierten, die sie anschließend aufklärten. Es heißt, man habe sie zu einem solchen Vorgehen getrieben, weil sie kein Gehalt empfingen, sondern nur Prämien für jede einzelne Verhaftung.  - Julian Symons, Am Anfang war der Mord. München 1982 (zuerst 1972)

 

Grenze

 

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Verwandte Begriffe
Grenzüberschreitung
Synonyme