Greisenbeichte

ERINNERUNGEN DES SCHWACHSINNIGEN GREISES

Verzeiht, Hochwürden!

                               Als Kind, auf Rummelplätzen,
Mied ich den doofen Stand, wo jeder Schuß ein Treffer,
Und ging dorthin, wo Schreie tönten, lendenlahm
Ein Esel hängen ließ sein langes blut'ges Rohr,
Was ich noch nicht begriff l...

                               Und weiter, meine Mutter,
Von der das Nachthemd einen herben Duft verströmte,
Zwar knittrig unten, gelb wie eine Frucht, die Mutter,
Die's Bett bestieg und dabei ein Geräusch dann machte
-  Ein Sproß der Arbeit war's — die Mutter, mit den Schenkeln
Der reifen Frau, den runden Lenden, wo der Rock
Sich faltet, ließ mich glühen, was man ja verschweigt.

Ein Schamgefühl, das derber, stiller, hatt' ich,
Wenn meine kleine Schwester aus der Schule kam
— Lang hatte ihre Schuh sie auf dem Eis benützt —
Und pisste, zusah dann, wie aus der untern Lippe,
Die fest und rosig, schwach ein Strahl Urin entwich...!

Verzeiht!
                     Den Vater hatt' ich manchmal auch im Sinne:
Am Abend, Kartenspiel und derbe Unterhaltung,
Der Nachbar — mich entfernte man — was ich da sah...
— Ein Vater ist verwirrend! — ach, was ich da gedacht!...
Sein Knie, das manchmal zärtlich; seine Hose dann —
Den Schlitz hätt' gern mein Finger aufgemacht... — o! nein!
Und gern den dicken, schwarzen, harten Schwanz gehabt
Von meinem Vater, der mit haar'ger Hand mich wiegte !...

Nicht sprechen will vom Nachttopf ich, vom Napf, gesehn
Im Speicher, von den roten Almanachs, dem Korb
Mit Mull, der Bibel, von dem Klo, dem Dienstmädchen,
Der Muttergottes und dem Kruzifix...

                                                   O! niemand
War wohl so häufig in Verwirrung und Erstaunen !
Und jetzt, wo ich Verzeihung hier erlangen soll:
Bekenne ich, ein Opfer meiner kranken Sinne,
Bekenne ich ganz offen meine Jugendsünden!..,

Und dann! — Zu Gott zu sprechen sei mir jetzt erlaubt! -
Warum die späte Pubertät, das Übel dann
Der zähen, oft befragten Eichel? Warum wuchs denn
Nicht schnell der Schatten dort am Unterleib? Warum denn
Verschüttet' immer Angst das Glück wie schwarzer Kies?

...

- François Coppée,  A[rthur]. R[imbaud], nach (rim)

 

Beichte Greis

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme