LEBE WIE GRAS
Und das Gras wandert über die Welt, von den Flüssen unter
dem Wind der breiteste und grünste. Immer ist das Gras unterwegs,
die Hüften der Berge hinauf, in die schlafenden Städte hinein, über
Brachland, Savannen, Steppen, wo der Kentaur nie überwunden
wurde, wo die Weite unter den Hufen der Pferde trommelt, unter
schiefäugigem Mond die Milch im Filzzelt gärt. Das Gras trägt
den Sturzregen auf Myriaden Rücken und hält den Boden mit zahllosen
kleinen Zehen. Das Gras spannt furchtlos seine dünnen
Finger um einen Totenkopf. Das Gras arbeitet rastlos, zaudert
nie, sich Wege zu sprengen, über Gestein zu klettern, und
seine Antwort auf jede Gewalt ist Wachsen. Das Gras liebt die
Welt wie seinen Halm, glücklich noch an grauen Tagen. Das
Gras, es strömt im Festverwurzeltsein, es fließt im Stehen dahin,
vielfältig immer, doch beieinander und eins. Das Gras folgt
dem Menschen als Weggefährte und verbeugt sich vor der Erinnerung,
die ins Vergessen eingeht. Das Gras hat das Horn des Einhorns
gebettet und die Axt des Indianers, es
wächst als schützende Wimper um Quellen und zeichnet mit hohen
dunklen Büscheln die Konturen von Tieren, die der Blitz getötet. Die
wilde Maus zieht einen Scheitel von Schauern durch das Gras, das
grenzenlose Gras, das der Erde dient und gleichermaßen den Tieren, das
durch Feuer oder Kälte stirbt, immer wieder aber sich erhebt und
nie davon träumt, Zahn oder Messer zu sein: lebe wie Gras.
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