Grand-Hotel  Ich versichere Ihnen, in Baden-Baden im Simplon-Hotel, da war was los, im Juli 44!... nicht nur die Leute von den Ruhr-Konzernen und den Banken aus Mitteleuropa und dem Balkan, auch verwundete Generale, was von allen Fronten, besonders am Tisch des Gesandten Schulze, des Vertreters der Kanzlei... das alles darbte nicht, Ehrenwort... feinste Verpflegung und allerhand Komplotte, Kabalen und Zeitpläne!... Sie werden mir sagen, das ist erfunden!... durchaus nicht!... getreuer Chronist!.., natürlich mußte man dabeigewesen sein... die Umstände! das ist nicht allen gegeben... das Ende der Mahlzeiten mit Hammelkeule, mit gewichtigen Geheimnissen und Burgunder... unwiderstehlichen Menüs!... Feinheiten vom Anfang bis zum Ende, Vorspeisen mit Erdbeeren und Schlagsahne... Melba!... Sirup?... mehr?... weniger?... pah!... und all die dienstbeflissenen Kellner, hören zu und notieren alles, Zögern, «Ja», und Seufzer... als feinste Spürnasen der Widerstandsnetze, Kommunisten, «Fifis», Geheimdienst, Wilhelmstraße, tutti frutti... alle mehreren Herren dienend!... ebenso geschickt, vier Mikros auf einmal zu bedienen, wie Fasanen, Langusten mit zwei Soßen und Sellerie mit derselben Hand zu reichen! im selben Augenblick! zwölf Gästen... Geschmeidigkeit, Schweigsamkeit, Genauigkeit!... viele hatten Petain bedient und Göring im Ritz in Paris... und nicht nur Hermann! alle Nazigrößen und die Baronin Rothschild... für die verratzten, zerlumpten, verkrachten, hirnverbrannten Rassisten!... die Elite ist die Elite, egal wie, egal wo!... für die andern die Kundgebungen und die Kacke! Entschließungen, Gegröle, erhobene Fäuste, gesenkte Fäuste, verdrehte Daumen, auf die Knie, hingelegt, in die Scheißhäuser mit der Sippschaft!... ein Ober des Weißen Hauses, Kremls, Vichys oder des Simplon hat so eine Art, einem die Radieschen zu reichen, daß man sich nicht täuschen kann ... der «Strolch unteren Ranges», sei es nun Rotkohl oder Blumenkohl, «Borschtsch» oder Fleischbrühe, wird immer den gemeinsamen, betrüblichen Furz haben... den gleichen beim Beaujolais oder beim Wodka!... ganz anders verdaut: Windsor, der Kreml, das Élysée!... was fordert die Humanité, die «Intelligenzija» der Verdammten?... ihr Glück, ihre Inbrunst? dieselben Fürze zu haben wie Krukrutschew oder Picasso!... so verdammt zu sein!... ist gar nicht so leicht!... Stil, Traditionen, dicke Teppiche, lautloses Geschirr!...- Louis-Ferdinand Céline, Norden. Reinbek bei Hamburg 2007 (zuerst 1964)  

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