Grabsterne  An einer Wegbiegung tat sich eine Leere unter uns auf. Seltsamerweise war diese Leere zu unseren Füßen ebenso grenzenlos wie der bestirnte Himmel über unseren Köpfen. Eine Menge kleiner im Winde flackernder Lichter feierte in der Nacht ein schweigendes unbegreifliches Fest. Zu Hunderten leuchteten diese Sterne, diese Kerzen über dem Boden: dem Boden, auf dem sich die Vielzahl beleuchteter Gräber aneinanderreihte. Ich nahm Dirty am Arm. Wir waren gebannt von diesem Abgrund aus Grabsternen. Dorothea schmiegte sich an mich. Lange Zeit küßte sie mich inbrünstig. Sie umschlang mich und preßte mich mit Gewalt an sich: das war seit langem das erste Mal, daß sie sich gehenließ. Hastig entfernten wir uns jene zehn Schritt der Liebenden vom Wege auf den gepflügten Acker. Wir waren noch immer oberhalb der Gräber. Dorothea knöpfte den Mantel auf, ich entblößte sie bis zum Geschlecht. Sie entblößte mich ebenfalls. Wir fielen auf den lockeren Boden, und ich bohrte mich in ihren feuchten Körper, wie sich eine sicher gelenkte Pflugschar in die Erde bohrt. Unter diesem Körper war die Erde offen wie ein Grab, ihr nackter Leib öffnete sich mir wie ein frisches Grab. Während wir uns über einem sternenfunkelnden Friedhof der Liebe hingaben, waren wir wie betäubt. Jedes der Lichter kündete von einem Skelett in einem Grab. Sie bildeten dergestalt einen flackernden Himmel, der ebenso verworren war wie die Bewegungen unserer verschlungenen Körper. Es war kalt, meine Hände drückten sich in die Erde hinein: ich entkleidete Dorothea, ich beschmutzte ihre Wäsche und ihre Brust mit der frischen Erde, die an meinen Fingern klebte. Ihre unter den Kleidern hervorkommenden Brüste waren so weiß wie der Mond. Von Zeit zu Zeit ließen wir voneinander ab, wir zitterten vor Kälte: unsere Körper bebten wie zwei aufeinanderschlagende Zahnreihen.

Der Wind toste durch die Bäume. Stammelnd sagte ich zu Dorothea, ich stammelte, ich sprach in Urlauten:

- ... mein Skelett ... du zitterst ja vor Kälte ... du klapperst mit den Zähnen.

Ich hielt inne, ich lastete auf ihr, ohne mich zu rühren, ich jappte wie ein Hund. Jählings umklammerte ich ihre nackten Lenden. Ich ließ mich mit meinem ganzen Gewicht auf sie fallen. Sie stieß einen furchtbaren Schrei aus. Ich biß mit aller Kraft die Zähne zusammen. In diesem Augenblick glitten wir auf ein abschüssiges Gelände.

Etwas weiter unten ragte ein überhängender Fels hervor. Hätte ich dieses Gleiten nicht mit dem Fuß aufgehalten, wären wir in die Nacht gestürzt, und ich hätte verzaubert glauben können, wir stürzten in die Leere des Himmels.   - (bat)

 

Stern Grab

 

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