Poetische Grabschrifften Mir war die Welt zu klein / ich spielte mit der See / Maria Magdalenae Hier ruht das schöne Haupt / hier ruht die schöne Schooß
/ Die Brunst betaute stets mir meine geile Schooß / Pyramus und Thysbes Es zeigt die kleine Grufft der Venus
Meisterstücke / Aretins Hier liegt ein geiler Mann
/ so der verkehrten Welt Henrici IV / Königs in Franckreich Ich bin durch schimpff und ernst zu meinem reiche kommen
/ Mariae de Medices Der Florentiner schloß gab mir die wiegen ein! Friederichs/ Königes in Böhmen Mich hat die Venus mehr als Jupiter gekennt / Des Hertzogs von Alba Hier liegt der wüterich / so nichts von ruh gehört! General Wallensteins Hier liegt das grosse haupt / so itzt wird ausgelacht; Grafens Serini / welcher / dem vorgeben nach / auf der jagt von einem wilden schwein soll seyn getödtet worden Mein auge war ein blitz / mein arm
ein donnerschlag/ Eines tadelhaftigen Mönchs Ich glaubt‘ / und weiß nicht wie / ich sang / und weiß nicht
was. Eines Lasterhaftigen Die Leber ist zu Wien! das Glied zu Rom geblieben! Eines Skutnickels Die Weichsel war mein Meer / und Dantzig der Welt Ende! Eines Zigeiners In strenger Wanderschaft bracht ich mein Leben hin! Einer Hebammen Durch meine kluge Faust lebt eine junge Welt / Einer Wittib Ich war ein schönes Schiff / das ohne Ladung lag! Der Jungfrauschafft Viel machten viel aus mir / viel lachten nur darzu / Eines Hundes Das Bette macht ich mir auf meiner Frauen Brust / Einer Fliegen In einer Buttermilch verlohr ich Geist und Leben! Einer Alten Magt. Ein ungebrauchtes Schloß / ein ungenutzter Heerdt / Einer Verbuhlten. Die vor geschencktes Geld entblöste Schoß und Brust / Eines Alten greulichen Weibes. Ein Aeffe von gestalt ein Teüffel von gemüthe / Einer unzuchtigen Metzen. Der Ottomannen Schild liegt hier in guther Ruh / Eines geilen Menschen. Hier liegt ein geiler Mann / so der verkehrten Weldt / Eines Kupffernäsichten. Es war zu meiner zeit das Kupffer hoch geacht / Eines Hörnträgers. Zwey Hörner liegen hier in dieser Grufft begraben / |
- (
hofm
)
Grabschrift (2)
Hier dies Grabmal deckt Diophantos. Schauet das Wunder!
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- Nach (
bar
)
Grabschrift (3)
Hier |
- D. Arbuthnot, nach: - Lichtenberg, Erklärung der Hogarthischen
Kupferstiche (Der Weg der Buhlerin)
Grabschrift (4) Von Pius dem Vierten ist der meiste Teil unsrer Pfaffen, Bischöfe und Prälaten gemacht. Er hatte nicht allein die Huren und römische Curtisanen, sondern auch anderer Leute Eheweiber sehr lieb: also, daß er in seinem äußersten Alter neben einer offenbaren Hure auch eines römischen Edelmanns eheliche Hausfrau zur Unzucht aufhielt. Er aß gemeiniglich viel Schnecken und Austern und trank darauf einen starken Wein, seine fleischliche Lust gegen dieselbe zu erwecken. Als es aber nicht helfen wollte, also, daß die Curtisanen seiner, als eines machtlosen Buhlers, öffentlich spotteten, und daß sie das Cardinälchen de Monte* lieber hatten als ihn, so warf er sie öffentlich ins Hundeloch. Doch hernach aus großer väterlicher Barmherzigkeit ließ er sie wieder los; und als er in unnatürlicher Lust sich an ihnen abgemattet und gleichwohl noch darüber die vorgedachte Edelfrau auch beschlafen wollte, aß er auf einen Abend viel Meerschnecken und trank seinen vorbeschriebenen Wein (Mangegverra) darauf. Und als er solchergestalt sich wiederum zur Geilheit aufgemuntert, legt er sich mit ihr zu Bett, von welchem er leider nicht wieder aufstand, sondern ward mit der grünen Decke davongetragen. Daher seine Grabschrift also gemacht ward:
Schön Frauen und Meerschnecken
Und Mangegverra,
der Wein,
Heben vom Stuhl im Schlecken
Mich ins kalte Grab hinein.
* Französisch «monter»: u. a. sich erheben, beschälen
- (
kal
)
Grabschrift (5)
SENTIMENTALE ERINNERUNGEN VOR EINER INSCHRIFT
1
Zwischen gelbem Papier, das mir einst was gewesen
Man trinkt und man
liest es - betrunken ist's besser -
Eine Fotografie. Und darauf steht zu
lesen:
REIN. SACHLICH. BÖSE. Das Aug wird mir nässer.
2
Sie wusch sich immer mit Mandelseife
Und von ihr war auch das Frottierhandtuch
Das Tokaierrezept und die Javapfeife
Gegen den Liebesgeruch.
3
Ihr war es ernst. Sie schwamm nicht. Sie dachte.
Sie verlangte Opfer für
die Kunst.
Sie liebte die Liebe, nicht den Geliebten, ihr machte
Keiner
einen rosa Dunst.
4
Sie lachte, sie duldete keinen Dulder
Sie hatte keine Wanzen im Hirn
Sie
hatte den Griff und die kalte Schulter
Mir steht beim Drandenken der Schweiß
auf der Stirn.
5
So war sie. Bei Gott, ich wollte, man läse
Auf meinem Grabstein dereinst:
Hier ruht
B. B. REIN. SACHLICH. BÖSE.
Man schläft darunter bestimmt sehr
gut.
- (
breg
)
Grabschrift (6)
Grabschrift (7) Zur Unzeit
begann nun auch eine kleine Glocke von der Grabkapelle zu läuten, aber
der Künstler fuchtelte mit der erhobenen Hand und sie hörte auf. Nach
einem Weilchen begann sie wieder; diesmal ganz leise und, ohne besondere
Aufforderung, gleich abbrechend; es war, als wolle sie nur ihren Klang
prüfen. K. war untröstlich über die Lage des Künstlers, er begann zu
weinen und schluchzte lange in die vorgehaltenen Hände. Der Künstler
wartete, bis K. sich beruhigt hatte, und entschloß sich dann, da er
keinen ändern Ausweg fand, dennoch zum Weiterschreiben. Der erste kleine
Strich, den er machte, war für K. eine Erlösung, der Künstler brachte
ihn aber offenbar nur mit dem äußersten Widerstreben zustande; die
Schrift war auch nicht mehr so schön, vor allem schien es an Gold zu
fehlen, blaß und unsicher zog sich der Strich hin, nur sehr groß wurde
der Buchstabe. Es war ein J, fast war es schon beendet, da stampfte der
Künstler wütend mit einem Fuß in den Grabhügel hinein, daß die Erde
ringsum in die Höhe flog. Endlich verstand ihn K.; ihn abzubitten war
keine Zeit mehr; mit allen Fingern grub er in die Erde, die fast keinen
Widerstand leistete; alles schien vorbereitet; nur zum Schein war eine
dünne Erdkruste aufgerichtet; gleich hinter ihr öffnete sich mit
abschüssigen Wänden ein großes Loch, in das K., von einer sanften
Strömung auf den Rücken gedreht, versank. Während er aber unten, den
Kopf im Genick noch aufgerichtet, schon von der undurchdringlichen Tiefe
aufgenommen wurde, jagte oben sein Name mit mächtigen Zieraten über den
Stein. Entzückt von diesem Anblick erwachte er. - Franz Kafka, Ein Traum. Nach
(kaf)