rabschrift

Poetische Grabschrifften

Alexandri M.

Mir war die Welt zu klein / ich spielte mit der See /
Ich sprüte reichlich aus Blut / Feuer / Mord und Weh.
Nun ich gestorben bin / was nützet mir mein Siegen?
Hier könten noch bey mir viel Alexander liegen.

Maria Magdalenae

Hier ruht das schöne Haupt / hier ruht die schöne Schooß /
Aus der die Liebligkeit mit reichen Strömen floß!
Nachdem diß zarte Weib verließ den Huren=Orden /
So sind die Engel selbst derselben Buhler worden.

Messalinae

Die Brunst betaute stets mir meine geile Schooß /
Kein Spiel war mir zu lang / und keine Lust zu groß.
Das Buhlerische Rom belachte mein Beginnen /
Ermüden hat man mich doch nicht vergnügen können.

Pyramus und Thysbes

Es zeigt die kleine Grufft der Venus Meisterstücke /
Ein ausersehen Ziel zersprenget durchs Gelücke
Der Buhler See=Compaß. Hier ist genug Bericht /
Wer kennet Pyramus und seine Thysbe nicht?

Aretins

Hier liegt ein geiler Mann / so der verkehrten Welt
Den Griff der Schlüpffrigkeit hat künstlich vorgestellt /
Die Venus / daß ihr Sohn den Bogen besser dehne /
Nahm sein verbuhltes Hertz / und gab es ihm zur Sehne.

Henrici IV / Königs in Franckreich

Ich bin durch schimpff und ernst zu meinem reiche kommen /
Ein unerhörter mord hat mir es weggenommen.
Was half mich / was ich lieb? was half / was ich gethan?
Nachdem ein messer mehr als eine messe kan.

Mariae de Medices

Der Florentiner schloß gab mir die wiegen ein!
Und der Pariser Burg ließ meinen ruhm erheben.
Mein liebster und sein ruhm wird in den wolcken schweben /
Durch aller zeiten lauf mit des gestirnes schein.
Zwey meiner eydame sah ich gekrönet seyn /
Und meinen ältsten sohn in den geschichten leben /
In solcher würdigkeit (wer wird mir beyfall geben?)
Starb ich in schnöder flucht: Cölln wird mein grabestein.
Cölln aller städte licht/ so sich in Deutschland finden;
Steh‘ stille / wandersmann; wo iemand will ergründen
Den traurigen verlauf der noth / so mich berührt /
Der wisse / daß das grab muß ein behältniß werden
Der Fürstin / derer blut die gantze welt regiert /
Und endlich nicht besaß auch einer hand voll erden.

Friederichs/ Königes in Böhmen

Mich hat die Venus mehr als Jupiter gekennt /
Die flamme kommt von mir / so noch in Deutschland brennt.
Ach daß mein junger sohn doch nicht erfahren hätte /
Daß höher ist ein thron / als der gemahlin bette.

Des Hertzogs von Alba

Hier liegt der wüterich / so nichts von ruh gehört!
Biß ihm der bleiche tod ein neues wort gelehrt;
Er brach ihm seinen hals/ und sprach: du mußt erbleichen /
Sonst würd ich dir noch selbst im würgen müssen weichen.

General Wallensteins

Hier liegt das grosse haupt / so itzt wird ausgelacht;
Viel wissen mehr von mir / als ich iemahls gedacht.
Doch wust ich/ daß ein stein nicht leicht ein stem kan werden /Ein stein / wie hoch er steigt / fällt endlich zu der erden.

Grafens Serini / welcher / dem vorgeben nach / auf der jagt von einem wilden schwein soll seyn getödtet worden

Mein auge war ein blitz / mein arm ein donnerschlag/
Mein säbel war bemüht / den monden bleich zu färben/
Aus meinem hertzen quall der Türcken ihr verderben /
Wenn um mein Tzacatur das feld voll leichen lag:
Das blut=vergiessen war mein feyertag.
Doch ließ der himmel mich nicht das gelück erwerben;
Auf eines Bassen brust / mit blut bespritzt / zu sterben.
Ach daß doch nicht Serin wie Simson sterben mag!
So muß der mensch ein spiel des sternen=himmels bleiben /
Bald ist der stern / bald stein / bald gold / bald trüber sand /
Bald lockt / bald drücket ihn des zufalls harte hand;
Ach könt ich diesen reim um meine grabstätt schreiben:
Der niehmals sich gebückt vor seines feindes fahn /
Den schlägt des feindes feind ein wilder schweines=zahn.

Eines tadelhaftigen Mönchs

Ich glaubt‘ / und weiß nicht wie / ich sang / und weiß nicht was.
Mein teufel war ein buch / mein heiligthum ein glaß.
Mein todt die fasten=zeit ! die kirche meine hölle.
Ich rufe hier zu GOtt ! wie vor in meiner zelle.

Eines Lasterhaftigen

Die Leber ist zu Wien! das Glied zu Rom geblieben!
Das Hertz in einer Schlacht! und das Gehirn an Lieben!
Doch daß der Leib nicht gantz verlohren möchte seyn/
So legte man den Rest hier unter diesen Stein.

Eines Skutnickels

Die Weichsel war mein Meer / und Dantzig der Welt Ende!
Da furchte man mein Maul / und haßte meine Hände.
Ich starb und war nicht recht in Charons Nachen kommen /
So hatt‘ ich ihm alsbald den besten Rock genommen.

Eines Zigeiners

In strenger Wanderschaft bracht ich mein Leben hin!
Zwey Reime lehren dich / wer ich gewesen bin.
Ägypten! Ungarn! Schweitz / Beelzebub und Schwaben /
Hat mich genennt! erzeugt / genehrt / erwürgt / begraben.

Einer Hebammen

Durch meine kluge Faust lebt eine junge Welt /
Viel was mich itzt betritt / das hab ich aufgestellt /
Rühmt! rühmt euch / Heldinnen! doch sagt / was sich gebühret!
Ihr habt viel abgeführt / ich hab viel auffgeführet.

Einer Wittib

Ich war ein schönes Schiff / das ohne Ladung lag!
Es plagte mich die Nacht / es kränckte mich der Tag.
Hier ist nicht Licht genung / mich deutlich zu verstehen!
Weil mir der Mast gebrach! must ich zu Grunde gehen.

Der Jungfrauschafft

Viel machten viel aus mir / viel lachten nur darzu /
Ich war / und war auch nicht / itzt lieg ich in der Ruh.
Doch will ich meinen Tod zu melden nicht verschieben /
Ich bin durch einen Ritt im Ringelrennen blieben.

Eines Hundes

Das Bette macht ich mir auf meiner Frauen Brust /
Mein Zünglein war ihr Schwamm / ihr Bächlein meine Kost!
Nun Leser / wilst du nicht der schlechten Leiche lachen !
So will ich dir allein die Lagerstatt vermachen.

Einer Fliegen

In einer Buttermilch verlohr ich Geist und Leben!
Ein zarter Weiber=Bauch hat mir das Grab gegeben.
Sey nicht Domitian / vergönne mir die Ruh!
Und schleuß in dieser Gruft die vörder Thüre zu.

Einer Alten Magt.

Ein ungebrauchtes Schloß / ein ungenutzter Heerdt /
Ein Kecher ohne Pfeil ein unbeschritten Pferdt /
Die konten solte man sie recht und woll begraben /
Bey dieser alten Magd ein füglich leichmahl haben.

Einer Verbuhlten.

Die vor geschencktes Geld entblöste Schoß und Brust /
Macht der ergrimte Todt / zu des Gewurmes kost /
Ihr buhler last alhier die Trähnen-ströme fliessen /
So kan noch mancher Wurm bey Speise Tranck geniessen.

Eines Alten greulichen Weibes.

Ein Aeffe von gestalt ein Teüffel von gemüthe /
Ein’ Eule von geschrey / ein Drache von geblüthe /
War dieses alte Weib. Wer wolte woll nicht lachen /
Der Teüffel liegt alhier bey Eulen / Affen / Drachen.

Einer unzuchtigen Metzen.

Der Ottomannen Schild liegt hier in guther Ruh /
Ein jeder halte doch die dünne Nase zu /
Der trägt kein Vortheil weg so lange hier verharret
Denn diese Leiche stanck eh sie noch ward Verscharret.

Eines geilen Menschen.

Hier liegt ein geiler Mann / so der verkehrten Weldt /
Den grif der schlipffrigkeit hat künstlich fürgestelt /
Die Venus / daß ihr Sohn den Bogen besser dehne /
Nam ihr verbuhltes Glied / und gab es ihm zur sehne.

Eines Kupffernäsichten.

Es war zu meiner zeit das Kupffer hoch geacht /
Undt mancher Offentopff zu Pfennigen gemacht /
Auß furcht / ich möchte auch umb meine Nase kommen /
So hab ich meinen sitz hierunten eingenommen.

Eines Hörnträgers.

Zwey Hörner liegen hier in dieser Grufft begraben /
Nicht dencket daß ein Bock hier mag die Ruhstad haben /
Hier liegt ein gutter Man der Hörner hat bekommen /
Nach dehm ihm die Natur das stossen hat benommen.

- (hofm)

Grabschrift (2)

Hier dies Grabmal deckt Diophantos. Schauet das Wunder!
Durch des Entschlafenen Kunst lehret sein Alter der Stein.
Knabe zu sein, gewährte ihm Gott ein Sechstel des Lebens;
Noch ein Zwölftel dazu, sprosst' auf der Wange der Bart;
Dazu ein Siebentel noch, da schloss er das Bündnis der Ehe,
Nach fünf Jahren entsprang aus der Verbindung ein Sohn.
Wehe, das Kind, das vielgeliebte, die Hälfte der Jahr
Hat es des Vaters erreicht, als es dem Schicksal erlag.
Drauf vier Jahre hindurch mit der Grossen Betrachtung
Den Kummer von sich scheuchend, kam auch er ans irdische Ziel.

- Nach (bar)

Grabschrift (3)

Hier
setzt sein im Leben schon angefangenes Faulen
weiter fort
FRANCISCUS CHARTERS,
der
mit nicht zu beugender Beständigkeit
und
nur von ihm allein je erreichter
Gleichförmigkeit des Lebens,
trotz
Alter und Schwächlichkeit,
in stäter Ausübung jeden Lasters
beharrte,
dessen der Mensch fähig ist,
Verschwendung und Heuchelei
allein ausgenommen.
Vor jener sicherte Ihn
unersättlicher Geiz,
vor dieser Unverschämtheit ohne gleiche.
So
einzig er durch unwandelbare
Verderbtheit der Sitten
war,
so glücklich war er
in Aufhäufung von Reichtum.
Denn
ohne Handel,
ohne eigentliches Gewerbe,
ohne Verwaltung öffentlichen
Geldes
,
und ohne eine der Bestechung werte Stelle
im Staate, erwarb er sich,
oder vielmehr, erschuf er sich
das Vermögen eines Fürsten.
Er war der einzige Mensch seiner Zeit
der
zu betrügen wußte, ohne die Maske der Ehrbarkeit,
und der seine
ursprüngliche Niederträchtigkeit
noch beibehielt,
als er schon Herr war
von 60000 Talern des Jahres;
der täglich des Galgens würdig,
für das, was er wirklich tat,
endlich dazu verdammt wurde
für etwas, was er nicht tun konnte
Der du dieses
mit gerechtem Unwillen liesest,
Wanderer,
denke nicht, daß sein Leben für dich unnütz
war. Die Vorsicht
ließ die verruchten Kniffe dieses Scheusals
zu,
künftigen Zeitaltern deutlich Beweis und Beispiel zu geben:
wie gänzlich nichts
unermeßlicher Reichtum
in den Augen
des ALLMAECHTIGEN ist,
da er ihn einem Manne gewährte,
der vielleicht
der größte Schurke war, seitdem die Welt steht.

- D. Arbuthnot, nach: - Lichtenberg, Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche (Der Weg der Buhlerin)

Grabschrift (4)  Von Pius dem Vierten  ist der meiste Teil unsrer Pfaffen, Bischöfe und Prälaten gemacht. Er hatte nicht allein die Huren und römische Curtisanen, sondern auch anderer Leute Eheweiber sehr lieb: also, daß er in seinem äußersten Alter neben einer offenbaren Hure auch eines römischen Edelmanns eheliche Hausfrau zur Unzucht aufhielt. Er aß gemeiniglich viel Schnecken und Austern und trank darauf einen starken Wein, seine fleischliche Lust gegen dieselbe zu erwecken. Als es aber nicht helfen wollte, also, daß die Curtisanen seiner, als eines machtlosen Buhlers, öffentlich spotteten, und daß sie das Cardinälchen de Monte*  lieber hatten als ihn, so warf er sie öffentlich ins Hundeloch. Doch hernach aus großer väterlicher Barmherzigkeit ließ er sie wieder los; und als er in unnatürlicher Lust sich an ihnen abgemattet und gleichwohl noch darüber die vorgedachte Edelfrau auch beschlafen wollte, aß er auf einen Abend viel Meerschnecken und trank seinen vorbeschriebenen Wein (Mangegverra) darauf. Und als er solchergestalt sich wiederum zur Geilheit aufgemuntert, legt er sich mit ihr zu Bett, von welchem er leider nicht wieder aufstand, sondern ward mit der grünen Decke davongetragen. Daher seine Grabschrift also gemacht ward:

Schön Frauen und Meerschnecken
Und Mangegverra, der Wein,
Heben vom Stuhl im Schlecken
Mich ins kalte Grab hinein.

* Französisch «monter»: u. a. sich erheben, beschälen

- (kal)

Grabschrift (5)  

SENTIMENTALE ERINNERUNGEN VOR EINER INSCHRIFT

1

Zwischen gelbem Papier, das mir einst was gewesen
Man trinkt und man liest es - betrunken ist's besser -
Eine Fotografie. Und darauf steht zu lesen:
REIN. SACHLICH. BÖSE. Das Aug wird mir nässer.

2

Sie wusch sich immer mit Mandelseife
Und von ihr war auch das Frottierhandtuch
Das Tokaierrezept und die Javapfeife
Gegen den Liebesgeruch.

3

Ihr war es ernst. Sie schwamm nicht. Sie dachte.
Sie verlangte Opfer für die Kunst.
Sie liebte die Liebe, nicht den Geliebten, ihr machte
Keiner einen rosa Dunst.

4

Sie lachte, sie duldete keinen Dulder
Sie hatte keine Wanzen im Hirn
Sie hatte den Griff und die kalte Schulter
Mir steht beim Drandenken der Schweiß auf der Stirn.

5

So war sie. Bei Gott, ich wollte, man läse
Auf meinem Grabstein dereinst: Hier ruht
B. B. REIN. SACHLICH. BÖSE.
Man schläft darunter bestimmt sehr gut. 

- (breg)

Grabschrift (6)

Grabschrift (7)  Zur Unzeit begann nun auch eine kleine Glocke von der Grabkapelle zu läuten, aber der Künstler fuchtelte mit der erhobenen Hand und sie hörte auf. Nach einem Weilchen begann sie wieder; diesmal ganz leise und, ohne besondere Aufforderung, gleich abbrechend; es war, als wolle sie nur ihren Klang prüfen. K. war untröstlich über die Lage des Künstlers, er begann zu weinen und schluchzte lange in die vorgehaltenen Hände. Der Künstler wartete, bis K. sich beruhigt hatte, und entschloß sich dann, da er keinen ändern Ausweg fand, dennoch zum Weiterschreiben. Der erste kleine Strich, den er machte, war für K. eine Erlösung, der Künstler brachte ihn aber offenbar nur mit dem äußersten Widerstreben zustande; die Schrift war auch nicht mehr so schön, vor allem schien es an Gold zu fehlen, blaß und unsicher zog sich der Strich hin, nur sehr groß wurde der Buchstabe. Es war ein J, fast war es schon beendet, da stampfte der Künstler wütend mit einem Fuß in den Grabhügel hinein, daß die Erde ringsum in die Höhe flog. Endlich verstand ihn K.; ihn abzubitten war keine Zeit mehr; mit allen Fingern grub er in die Erde, die fast keinen Widerstand leistete; alles schien vorbereitet; nur zum Schein war eine dünne Erdkruste aufgerichtet; gleich hinter ihr öffnete sich mit abschüssigen Wänden ein großes Loch, in das K., von einer sanften Strömung auf den Rücken gedreht, versank. Während er aber unten, den Kopf im Genick noch aufgerichtet, schon von der undurchdringlichen Tiefe aufgenommen wurde, jagte oben sein Name mit mächtigen Zieraten über den Stein. Entzückt von diesem Anblick erwachte er.  - Franz Kafka, Ein Traum. Nach (kaf)


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