ottesnähe
Vergangenes Jahr war ich in der erzbischöflichen Residenz, wollte
die Bauwerke besichtigen, es war aber nicht viel los dort, der Garten öde, alles
voll Laub, ein Weib saß da und kaute schmatzend Äpfel, wenn das der selige Erzbischof
Kohn gesehn hätte, der hätte nicht lang gefackelt, es hätte gleich Fußtritte
gesetzt, einfach so rumzuhocken statt die Wege zu kehren, ja der Kohn war ziemlich
nervös, eigentlich erst seit der Geschichte mit dem Oberförster, dessen Frau
ihm so gut gefallen und der ihn angeschossen hatte, und eines Tages übersiedelte
er dann mit der Köchin nach Tirol, um Gott näher zu sein,
so geht das. - Bohumil Hrabal, Der Tod des Herrn Baltisberger.
In: B. H., Die Bafler. Erzählungen. Frankfurt am Main 1966 (es 180, zuerst 1964)
Gottesnähe (2) Vögel
aller Arten gab es reichlich, und es war uns ein Vergnügen, sie mit Steinen
und Erdklumpen zu verfolgen. Vor allem Rotkehlchen haben wir dank ihrer Vertrauensseligkeit
in großer Zahl umgebracht. Und Lerchennester voller Eier, die noch warm von
der Mutterbrust waren, zerstampften wir unter unseren Füßen mit höchster Befriedigung,
in der entsprechenden Jahreszeit.
Aber unsere besonderen Freunde waren die Ratten,
die das Flußufer heimsuchten. Sie waren lang und schwarz. Wir brachten ihnen
von unserer Anstaltskost solche Leckerbissen wie Käserinden und Knorpelstückchen,
und wir brachten ihnen auch Vogeleier, Frösche und Nestlinge. Auf diese Gefälligkeiten
erpicht, scharten sie sich bei unserem Nahen mit allen Anzeichen des Vertrauens
und der Zuneigung um uns und huschten an unseren Hosenbeinen empor und hängten
sich an unsere Brust. Dann setzten wir uns in ihrer Mitte hin und gaben ihnen
zu fressen, aus unseren Händen, etwas von einem frischen, dicken Frosch oder
von einem Drosselküken. Oder aber, wenn wir unvermutet eine gesättigt in unserem
Schoß ruhende fette junge Ratte schnappten, fütterten wir damit ihre Mutter
oder ihren Vater oder ihren Bruder oder ihre Schwester oder irgendeinen ihrer
weniger begünstigten Verwandten.
Bei diesen Gelegenheiten waren wir, wie wir nach einem Meinungsaustausch
übereinstimmend feststellten, Gott am nächsten. -
(wat)
