ottesdienst  »An Unglücken herrscht keine Not in der Welt«, mischte sich der Onkel ein, »als man bei uns Manöver abhielt, erschien der selige Kaiser Franz mit seinem Onkel Albrecht, der die vorstehenden Zähne hatte, nach dem Manöver fand eine Messe statt in der Garnisonskirche, ich war nicht dabei, was soll ein Freidenker in Gotteshäusern, ich hatte damals schon Havlicek gelesen. Ein Gewitter zog auf, ein Blitz schlug in den Blitzableiter auf der Kirche, schoß hinunter in den Chor, der Organist fiel in Ohnmacht, die Frauen schrien, rannten in die Sakristei, doch der Pfarrer vertrieb sie von dort, es setzte Hiebe und Fußtritte, der Mesner bekam eine Standpauke, weil er die hysterischen Weiber eingelassen hatte, während der Pfarrer, der Vertreter Gottes, im Hemd dastand, die Frauen stürzten zum Altar, die Panik wurde immer schlimmer, weil sie dachten, die Decke käme herunter, aber der Krach von oben kam aus dem Glockenturm, wo der Ministrant gegen das Gewitter geläutet hatte, dabei war der Draht gerissen, und der rutschte durch die Schallöcher in den Chor und verletzte ein paar Frauen am Kopf.«  -  Bohumil Hrabal, Der Tod des Herrn Baltisberger. In: B. H., Die Bafler. Erzählungen. Frankfurt am Main 1966 (es 180, zuerst 1964)

Gottesdienst (2)  Nach einiger Zeit lud Phyllis Gurdin Jacob und Bessie zu einem Gottesdienst derer, die in Zungen sprachen. Er fand in Phyllis Gurdins Wohnzimmer statt. Sie küßte alle, Männer und Frauen, bei ihrem Eintreten. Bald war das Zimmer voller Männer mit grauem Haar und Frauen mit gefärbtem Haar. Phyllis Gurdin hatte ein dunkelhäutiges Gesicht, schwarze Augen, buschige Brauen. Sie trug eine Brille mit dicken Gläsern. Ihre Haarfarbe war ein grelles Orangerot. Auf ihrer Oberlippe war ein weißer Flaum sichtbar. Sie trug ein weißes Gewand und einen roten Turban. Phyllis Gurdin führte die Gemeinde im Singen der Hymnen an. Sie tanzte, und die Gemeinde tanzte mit ihr. Der Gesang wurde lauter. Sie tanzten wie rasend, klatschten in die Hände, stießen laute Worte des Lobes für Gott, Jesus und Phyllis Gurdin aus. Plötzlich fingen sie an, Worte zu schreien, die Bessie noch nie gehört hatte. Das war keine Sprache, das war ein Kauderwelsch: Laute wie »charopakitcichi«, »hatchomarumbi«, »leptchocalduku«. Aller Augen strahlten vor Freude. Männer umarmten Frauen. Frauen umarmten Männer. Ein Trommler trommelte. Ein Trompeter stieß in eine Trompete, die einen großen Trichter hatte. Sie schrien, sprangen, schüttelten sich, gerieten in einen Zustand der Verzückung. Bessie sah voller Erstaunen zu. War dies Wahnsinn? Zauberei? Eine Orgie? Ein Bacchanal? Bessie wurde es heiß. Sie hatte keinen Alkohol getrunken, kam sich aber betrunken vor. Seit Jahren litt sie an Arthritis und Krampfadern - jetzt wurden ihre Füße seltsam leicht.

Plötzlich fing auch Bessie an zu hopsen, zu klatschen und in einer Sprache zu schreien, die sie nicht verstand. War es Griechisch, Persisch, Tatarisch? War ein Dibbuk in sie gefahren? Der Boden unter ihren Füßen schwankte. Die Wände drehten sich. Bessie hörte sich selbst kreischen: »Mutchiefalkosy! Sappolachia! Rinchiehoppler! Saltalafonta!« Liebe zu allen überwältigte sie, als seien sie alle ihre Brüder und Schwestern. Sie lief zu Jacob hinüber, der in einer Ecke bei der Tür stand, drückte ihn an ihren Busen, lachte, weinte und heulte: »Katcharololshy! Poladumbka! Zakafier!«

Jacob fuhr zusammen, lächelte und antwortete mit heiserer Stimme in einer Mischung von Jiddisch, Hebräisch und Aramäisch: »Pitchapoi! Yegar Sadussa! Otz koytzetz ben koytzetz!« - Isaac Bashevis Singer, Der Bischofsmantel. In: I.B.S., Der Kabbalist vom East Broadway. München 1978 (zuerst 1972)

Gottesdienst (3)   Freddy stellt seine Schwägerin zum Milchbad auf.

Freddy richtet das Milchbad an.

Ein Plastikeimer halb voll Wasser, zwei Liier Milch aus Pappflaschen, Duftwasser »Dr. Gregorio Hernandez«, Johnsons Babypuder, ein Pfund Zucker.

Freddy schüttet es seiner Schwägerin über den Kopf.

Sie schnattert unter dem Schock.

Schlagartig besessen.

Sie verwandelt sich in eine Königin der Indianer.

Freddy schneidet Wassermelonen für ein Fruchtbad klein.

Die klebrichte Königin hilft der zweiten Verkerzten hoch.

Freddy beginnt einen Drehtanz.

Freddy verwandelt sich in die India Rosa.

Die Früchte werden in den Fluss geworfen.

Die Bemilchte verwandelt sich in die Indianerin Yura und hilft der fünften Verkerzten hoch.

Freddy verwandelt sich in einen blubbernden Babbler und hilft dem vierten Verkerzten hoch.

Freddy verwandelt sich in die Negerin Francisca.

Franzisca ruft Leonore. Francisca bewundert die blonden Haare. Francisca ordnet die Haare gefällig an. Francisca bindet Leonore ein buntes Tuch um den Kopf.

Zwei Mädchen rasen ergriffen in den schwarzen Wald.

Männer fangen sie wieder ein.

Bringen die Kreischenden schweissglitschend zurück.

Der Gottesdienst franst aus. Es ist drei Uhr nachts.

Freddy dirigiert die Trommler.

Freddy verwandelt sich in den Revolutionär Camillo Torres.

Freddy diktiert den Trommlern Botschaften.

Freddy verwandelt sich in den Befreier Simon Bolivar.

Simon Bolivar weint.

Simon Bolivar weint über das Schicksal seines Volkes und über das Elend der Welt.

Freddy verwandelt sich in den Verlorenen Indianer.

Freddy verwandelt sich in den Neger Felipe.

Die Feuer sind heruntergebrannt.

Freddy tanzt in der Glut.

- Mehr Glut!

Neue Feuer werden entzündet.

Die Gemeinde scharrt die Glut zu einem glühenden Beet zusammen.

Freddy, lächelnd, mit den tuntigen Gesten der Negerin Francisca, mit der Grazie seiner indianischen Geister, tänzelnd, ein-hergeweht von geistlichen Turbulenzen, beschreitet das Feuerbeet.

Freddy verwandelt sich in den Neger Felipe.

Freddy rollt durch die Glut. Ich sehe keine Brandwunden an seinem Körper.

Die Frauen drapieren Freddys bemilchte Schwägerin in ein Bettlaken und winden ihr Blätterranken um den Dudd.

Freddy verwandelt sich in den Umgekehrten Heiligen Johannes. Freddy gibt der Bemilchten einen Hirtenstab in die Hand. Die Bemilchte weint.

- Nun darf sie die Kinder den Feuerlauf lehren und den Besessenen das Sprechen.

Freddy weint.

Wütend brüllt Freddy:

- Die Geister wollen nicht wieder aus meinem Körper.

Er windet sich in den Holzkohlen.

Er flieht in den reissenden Rio Cari.

Die Männer hinterher.

Freddy treibt ab.

Die Männer halten ihn.

Freddy verwandelt sich im Wasser in die India Rosa.

Freddy zieht die Verkerzten hinunter.

Schwimmt mit ihnen.

Freddy raucht Zigarre.

Freddy kämpft mit den Männern.

Sie lassen ihn nicht.

Einer flieht an Land.

Freddy entreisst einem die Machete.  - (pet) 

Priester Kirche
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