ottesanbeter Alle
Terechows zeichneten sich durch besondere Frömmigkeit
aus, so daß sie sogar den Spitznamen »die Gottesanbeter« erhielten. Doch da
sie wie Bären abseits von aller Welt hausten, jeden Verkehr mit Menschen mieden
und alle Dinge immer nur mit dem eigenen Verstand zu erfassen strebten, neigten
sie nur zu sehr zu allerlei Phantasien und Schwankungen des Glaubens, und so
kam es denn, daß jede Generation irgendwie auf ihre besonder Art gläubig war.
Die Ahne Awdotja, die das Gasthaus erbaut hatte, war noch altgläubig gewesen,
ihr Sohn aber und ihre beiden Enkel, Matwejs und Jakows Väter, besuchten die
rechtgläubige Kirche, sahen gern in ihrem Hause Geistlichkeit und beteten vor
den neuen Heiligenbildern mit genau derselben Frömmigkeit wie vor den Bildern
aus alter Zeit; der Sohn aß, als er alt geworden war, kein Fleisch mehr und
auferlegte sich das Gelübde des ewigen Schweigens, da er jede Unterhaltung als
Sünde ansah; die Enkel aber hatten wiederum die Eigentümlichkeit, daß sie die
Heilige Schrift nicht schlicht verstehen wollten, sondern immer einen geheimen
Sinn in ihr suchten und beteuerten, daß in jedem heiligen Wort irgendein Geheimnis
enthalten sein müsse. Awdotjas Urenkel Matwej hatte schon in seiner frühesten
Jugend viel von seiner Phantasie auszustehen und wurde von ihr fast zugrunde
gerichtet; ihr zweiter Urenkel, Jakow Iwanytsch, war rechtgläubig, allein er
hörte nach dem Tode seiner Frau auf, die Kirche zu besuchen, und betete nur
noch zu Hause. Sein Beispiel steckte die Schwester Aglaja an: auch sie ging
nicht mehr in die Kirche und gestattete es auch Daschutka nicht. Von Aglaja
erzählte das Gerücht, daß sie in jüngeren Jahren in Wedenjapino der Sekte der
Geißler angehört habe und daß sie auch jetzt noch insgeheim eine Geißlerin sei
und eben aus diesem Grunde immer ein weißes Kopftuch trage. -
Anton Tschechow, Der Mord.
Nach (tsch)
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