Gott, müder   Nachdem die Majestät des Re, der von selbst entstanden ist, In die Königsherrschaft eingetreten war über Menschen und Götter allzumal, da begab es sich, daß die Menschen Pläne gegen Re ersannen. Seine Majestät aber war alt geworden, seine Knochen silbern, sein Fleisch golden und sein Haar echter Lapislazuli.

Seine Majestät erfuhr von den Plänen, die die Menschen gegen ihn im Sinne hatten, und es sprach Seine Majestät zu seinem Gefolge: »Rufe mir mein Auge und die Götter Schu, Tefnut, Geb und Nut samt den Vätern und Müttern, die bei mir waren, als ich noch im Urelement des Nun wellte, und die Gottheit des Nun selbst. Und er soll auch seinen Hofstaat mitbringen. Aber hole sie heimlich und lasse es die Menschen nicht sehen und ihr Herz nicht fliehen. Komm mit den Göttern zum Palast, damit sie ihre Ratschläge vortragen. Am Ende kehre Ich dann in den Nun zurück, dorthin, wo ich entstanden bin.«

Diese Götter wurden herbeigeholt, und die Götter reihten sich, die Stirne auf dem Boden, zu beiden Seiten vor dem Throne Seiner Majestät auf. Er sagte: »Ich will meine Rede halten vor dir, mein Urvater Nun, du Schöpfer der Menschen und König des Volkes.« Sie antworteten Seiner Majestät: »Sprich zu uns, damit wir es vernehmen!« Und Re sprach zu Nun: »Du Urgott, in dem ich entstanden bin, und ihr Götter der Vorzeit! Seht, die Menschen, die aus meinem Auge entstanden sind, haben Pläne gegen mich ersonnen. Sagt mir, was ihr dagegen tätet. Denn ich suche (eine Lösung) und will sie nicht töten, bis ich gehört habe, was ihr dazu sagen werdet.«

Da sprach die Majestät des Nun: »Mein Sohn Re, du Gott, der größer ist als sein Schöpfer, ehrwürdiger als die, die ihn gebildet haben, nimm wieder Platz auf deinem Throne! Groß Ist die Furcht vor dir, wenn dein Auge sich gegen jene wendet, die sich gegen dich auflehnen.« Da sagte die Majestät des Re: »Seht, sie sind in die Wüste entflohen, denn ihre Herzen sind bange, ich könnte zu ihnen sprechen.«

Da sprachen die Götter zu Seiner Majestät: »Laß dein Auge ausziehen, damit es sie dir schlage, die in Bosheit abtrünnig sind. Es gibt kein Auge, das ihm über wäre, sie für dich zu schlagen. Es steige hinab als Hathor!« Und also geschah es.

Nachdem sie die Menschen in der Wüste fast vernichtet hatte, kehrte diese Göttin zurück. Da sprach die Majestät dieses Gottes (Re): »Willkommen in Frieden, Hathor, die du als Auge deine Sache gemacht hast für den Allmächtigen, du, zu der ich mit meinem "Wunsche gekommen bin.« Da sprach die Göttin: »So wahr du mir lebst, ich habe mich der Menschen bemächtigt, und es war meinem Herzen ein Labsal.« Da sprach die Majestät des Re bei sich: »Nun werde ich als König Macht über die Menschen haben, nachdem ich ihre Zahl verringert habe.«

Darauf sprach Re: »Ruft mir Schnellboten her, die dahin-flitzen und wie der Schatten eines Körpers huschen!« Diese Boten wurden sogleich gebracht, und die Majestät des Gottes sprach: »Eilt nach Elephantine und holt mir große Mengen roten Ockers.« Dieser rote Ocker wurde ihm gebracht, und die Majestät des Gottes ließ den Bezopften (Hohenpriester) von Heliopolis diesen roten Ocker zerreiben. Sklavinnen mahlten Gerste zum Bereiten von Bier, man schüttete diesen roten Ocker in die Maische, und so sah es aus wie Menschenblut; man machte 7000 Krug. Dann kam die Majestät des Königs von Ober- und Unterägypten Re zusammen mit diesen Göttern, um sich das Bier anzusehen.

Als der Tag anbrach, an dem die Göttin zur Mittagszeit bei ihrem Weg nach Süden die Menschen vollends vernichten wollte, sprach die Majestät des Re: »Das Bier ist wirklich gut; dadurch werde ich die Menschen retten.« Und Re sprach weiter: »Tragt das Bier zu dem Ort, von dem sie gesagt hat: ›Dort will ich die Menschen vernichten.‹« Die Majestät des Re, des Königs von Ober- und Unterägypten, hatte sich schon in aller Frühe bei Morgengrauen erhoben, um diesen Schlaftrunk ausgießen zu lassen. Nun wurden die Felder damit drei Spannen hoch überflutet nach dem Willen der Majestät dieses Gottes.

Am Morgen kam die Göttin und fand diese Felder überflutet. Ihr Antlitz wurde milde davon, sie trank, und es tat ihrem Herzen wohl. Sie kam trunken zurück, ohne die Menschen erkannt zu haben. Die Majestät des Re sprach zu dieser Göttin: »Willkommen m Frieden, du Holde!«

Dann sprach die Majestät des Re: »Bei meinem Leben, mein Herz ist doch viel zu müde, um länger bei den Menschen zu bleiben. Hätte ich sie bis auf den letzten Rest vernichtet, dann wäre die Reichweite meines Armes nicht zu gering gewesen.« Aber die Götter seines Gefolges sprachen: »Ziehe dich nicht zurück in deiner Müdigkeit! Du hast ja Macht, worüber du nur willst.« Aber die Majestät dieses Gottes sprach zur Majestät des Nun: »Meine Glieder sind schlaff wie in der Urzeit. Ich kann mich nicht mehr wehren, wenn mich ein anderer angreift.«  - Altägyptische Märchen. Hg. E. Brunner-Traut. Düsseldorf Köln 1965 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

 

Götter Müdigkeit

 

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