oldaugen Ein ausdrucksloses Gesicht, ohne andere Züge als die Augen, zwei Öffnungen wie Stecknadelköpfe, ganz und gar aus durchsichtigem Gold, bar jeden Lebens, aber starrend, sich von meinem Blick durchdringen lassend, der durch den goldenen Punkt hindurchzugehen und sich in einem durchsichtigen Geheimnis weiter drinnen zu verlieren schien. Ein sehr schmaler, schwarzer Hof umsäumte das Auge und zeichnete es in das rosige Fleisch, in den rosigen Stein des Kopfes, der eine Art Dreieck, aber mit gekrümmten und unregelmäßigen Seiten bildete, die ihm eine totale Ähnlichkeit mit einer von der Zeit verwitterten Statuette verliehen. Der Mund war in der dreieckigen Fläche des Gesichts fast nicht erkennbar, nur im Profil erriet man seine ansehnliche Größe; von vorn ritzte ein feiner Spalt kaum den unbelebten Stein. An beiden Seiten des Kopfes, wo die Ohren hätten sein müssen, wuchsen ihm drei rote Ästchen wie von Korallen, ein pflanzlicher Auswuchs, vermutlich die Kiemen. Und das war das einzige, was an ihm lebte, alle zehn oder fünfzehn Sekunden richteten sich die kleinen Zweige starr und steif auf und senkten sich wieder. Zuweilen bewegte sich unmerklich ein Fuß, ich sah, wie sich die winzigen Zehen ganz sanft auf das Moos legten. Wir bewegen uns nämlich nur ungern viel, und das Aquarium ist so eng, kaum kommen wir ein Stück vorwärts, stoßen wir an den Schwanz oder den Kopf eines anderen von uns; daraus entstehen Schwierigkeiten, Hader, Ungemach. Die Zeit wird weniger fühlbar, wenn wir uns ruhig verhalten.
Es war ihre Ruhe, die bewirkte, daß ich mich fasziniert vorbeugte, als ich
die Axolotl das erste Mal sah. Dunkel war mir, als verstünde ich ihren geheimen
Willen, Raum und Zeit durch gleichgültige Unbeweglichkeit aufzuheben. Später
wußte ich es besser; das Zusammenziehen der Kiemen, das Tasten der feinen Füße
an den Steinen entlang, das unvermittelte Schwimmen (einige von ihnen schwimmen,
indem sie sich bloß wellenförmig bewegen) bewies mir, daß sie fähig waren, diesem
tiefen mineralischen Schlaf zu entrinnen, in dem sie ganze Stunden zubrachten.
Ihre Augen vor allem schlugen mich in Bann. Neben ihnen, in den übrigen Aquarien,
wiesen mir verschiedene Fische die lautere Dummheit ihrer schönen Augen vor,
die den unseren ähneln. Die Augen der Axolotl kündeten mir von der Gegenwart
eines andersgearteten Lebens, von einer anderen Sehweise. Indem ich mein Gesicht
an das Glas preßte (manchmal hustete, beunruhigt, der Aufseher), versuchte ich
die winzigen goldenen Punkte besser zu sehen, jenen Eingang in die grenzenlos
langsame und entlegene Welt der rosafarbenen Geschöpfe. Es war zwecklos, mit
dem Finger an das Glas vor ihren Gesichtern zu klopfen; man bemerkte nie die
geringste Reaktion. Die Goldaugen glühten weiterhin in ihrem sanften, schrecklichen
Licht; unablässig schauten sie mich aus einer unergründlichen Tiefe an, die
mich schwindeln machte.
- Julio
Cortazar, Axolotl. In: J. C., Die Nacht auf dem Rücken. Die Erzählungen Bd. 1. Frankfurt am Main
1998