lückssträhne Wozu diese Unruhe? Er hat schon anderthalb Flaschen Gin und drei Pfeifen intus, und er ist zweiundzwanzigmal im Zimmer auf und abgelaufen, aber immer noch ist er so fickerig, als läge er im Rattenbißfieber. Er begreift es selbst nicht. Jetzt bekommt er sogar ein Jucken im fehlenden Gelenk des kleinen Fingers. Tief im Innersten weiß er die Antwort natürlich schon — es läuft einfach alles zu gut. Und das heißt, er sollte besser abhauen, verduften und flitzen, denn immer wenn die Dinge mal anfangen, zu gut zu laufen, kommt der Moment, wo die Höheren Mächte auf einen herabstürzen wie ein Dutzend Tornados, und am Ende liegt man unter einer halben Tonne Treibgut und Schutt begraben.
Das Ganze erinnert ihn an den Abend auf der Bartholomew Fair, als er und Billy ßoyles am Spieltisch einfach jedesmal gewannen, als sie gratis zum Vögeln mit zwei Schnepfen kamen und zum Schluß noch irgendwo einen Champion von Kampfhahn mitgehen ließen, der leicht seine fünfzig Eier wert war. Und gerade als sie mit ihrer Beute vom Rummelplatz schlichen, da sah er es: das sternenübersäte Cape von Zeppo dem eleusinischen Magier - es hing da einfach zum Trocknen auf der Leine wie ein Geschenk der Götter. Boyles bog in eine unbeleuchtete Gasse ein, und natürlich passierte es: Zwei Banditen lauerten ihnen auf. „Stehenbleiben und her damit!" knurrte eine Stimme, und Ned stellte fest, daß ein Pistolenlauf in seinem Ohr steckte. „Ich nehm dir nur eben das viele schwere Kleingeld ab", krächzte die Stimme, „und inzwischen schröpft mein Komplize da deinen Kumpel."
Der Komplize war ein Zwerg, kaum einen Meter
groß, mit einer karottenroten Tolle, die ihm wie ein Buschfeuer um Wangen
und Scheitel loderte. Ned gab seinen Geldbeutel ab und sah zu, wie der
Zwerg aus dem Schatten herbeihinkte, Boyles auf der Straße Platz nehmen
ließ und seine Lumpen mit der Spitze eines Dolches zu untersuchen begann.
„Na hallo!" rief der Zwerg aus. „Was haben wir denn hier?" Es
war der Kampfhahn, der an Boyles Brust nistete, Krallen und Schnabel mit
blauem Band umwunden. Der Zwerg zerrte den Vogel aus dem Versteck, erdrosselte
ihn mit einer Drehung seiner knotigen Hände und hielt ihn hoch, damit der
Pistolero ihn bewundem konnte. „Da hätten wir schon mal was für den Kochtopf,
was, Will?" - T. Coraghessan
Boyle, Wassermusik. Reinbek bei Hamburg 1990
Glückssträhne (2) Spencer
Brown attackiert die statistischen Methoden mit dem Argument, daß in
langen Zufallsserien sich gewisse, wenig wahrscheinliche
Sequenzen von Resultaten wiederholen können, und zwar mit um so größerer Wahrscheinlichkeit,
je länger die Serie ist. Solche Erscheinungen sind all denen vertraut, die sich
mit Glücksspielen befassen -als sogenannte »Glückssträhnen« (oder Pechsträhnen).
Brown meint, bei der Fortsetzung langer Zufallsserien könne es aufgrund eines
reinen Zufalls zur Entstehung einer nahezu beliebig
großen Abweichung vom statistischen Mittelwert der Ergebnisse kommen. Diese
These wird gleichfalls durch eine Tatsache gestützt, welche allen bekannt ist,
die sich einmal damit befaßt haben, sogenannte Tabellen von Zufallszahlen aufzustellen:
vielfach produziert die Apparatur, die solche Zahlen mit einer ganz und gar
chaotischen Streuung produzieren soll, eine Folge von zehn oder auch hundert
Nullen hintereinander; selbstverständlich kann das mit einer beliebigen anderen
Ziffer ebenfalls geschehen. Nun ist gerade das ein Ergebnis des Zufalls; die
statistischen Verfahren, die von den Wissenschaftlern in ihren Experimenten
benützt werden, sind niemals »leer«, weil sie (d. h.: ihre Formeln) von dem
materiellen Inhalt der Phänomene ausgefüllt sind. Dagegen kann die langdauernde
Beobachtung von gänzlich leeren, mit irgendwelchen materiellen Phänomenen in
keinem Zusammenhang stehenden Zufallsserien gerade zur Entstehung von scheinbar
sehr merkwürdigen Abweichungen führen, deren
Irrelevanz, also deren Zufälligkeit man dadurch nachweisen kann, daß diese Abweichungen
sich nicht wiederholen lassen, sondern sich nach einer gewissen Zeit »von selbst«
verlaufen und verschwinden, während die
weiteren Resultate erneut sehr lange nur unbedeutend um den statistischen Erwartungswert
schwanken. - (sum)
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