lückseligkeit  Von den Göttern glauben wir, daß sie die glücklichsten und seligsten Wesen sind. Aber was für Handlungen soll man ihnen beilegen? Etwa Handlungen der Gerechtigkeit? Wäre es aber nicht lächerlich, sie Verträge schließen und Depositen zurückerstatten zu lassen und dergleichen mehr? Oder Handlungen des Mutes, wobei sie vor Furchterregendem standzuhalten und Gefahren zu bestehen hätten, weil es schön ist, solches zu tun? Oder Handlungen der Freigebigkeit? Aber wem sollen sie geben? Es wäre ja absurd, wenn sie Geld oder dergleichen zu vergeben hätten. Was hieße ferner Mäßigkeit bei den Göttern? Es wäre doch ein plumpes Lob, daß sie keine schlechten Begierden hätten. So mögen wir nehmen, was wir wollen, alles, was zur Tugendübung gehört, muß als klein und der Götter unwürdig erscheinen. Und doch hat man immer geglaubt, daß sie leben, also tätig sind; denn niemand denkt, daß sie schlafen wie Endymion. Nimmt man aber dem Lebendigen jenes Handeln und noch viel mehr das Produzieren, was bleibt dann noch außer dem Betrachten? So muß denn die Tätigkeit Gottes, die an Seligkeit alles übertrifft, eine betrachtende sein. Ebenso wird von den menschlichen Tätigkeiten diejenige die seligste sein, die ihr am nächsten verwandt ist.

Ein Zeichen dafür ist endlich, daß die übrigen Lebewesen an der Glückseligkeit keinen Anteil haben, weil sie einer solchen Tätigkeit vollständig ermangeln. Das Leben der Götter ist seiner Totalität nach selig, das der Menschen soweit, als ihnen eine Ähnlichkeit mit dieser Tätigkeit zukommt. Von den andern Lebewesen ist aber keines glückselig, da sie an dem Betrachten in keiner Weise teilhaben. Soweit sich demnach das Betrachten erstreckt, so weit erstreckt sich auch die Glückseligkeit, und den Menschen, denen das Betrachten in höherem Grade zukommt, kommt auch die Glückseligkeit in höherem Grade zu, nicht zufallig, sondern.eben auf Grund des Betrachtens, das seinen Wert in sich selbst hat. So ist denn die Glückseligkeit ein Betrachten. - (eth)

Glückseligkeit (2) Die alte Sache wieder da, wo sie immer geblieben war.  Wie wenn ein Mann, der endlich gefunden hat, was er suchte, eine Frau, zum Beispiel, oder einen Freund, ihn verliert oder erkennt, was das ist. Und doch ist es zwecklos, nicht zu suchen, nichts zu wollen, denn wenn man aufhört zu suchen, beginnt man zu finden, und wenn man aufhört zu wollen, dann beginnt das Leben, einem seinen Eintopf einzutrichtern, bis man ihn auskotzt, und dann das Ausgekotzte obendrauf, bis man das Ausgekotzte auskotzt, und dann das ausgekotzte Ausgekotzte, bis man auf den Geschmack kommt. Der schiffbrüchige Schlemmer, der Trunkenbold in der Wüste und der Geile im Gefängnis sind die Glückseligen. Schrecklich Hunger, Durst und Lust haben, jeden Tag von neuem und jeden Tag vergebens, auf den alten Fraß, das alte Gesöff, den alten Puff, ebendas heißt der Glückseligkeit am nächsten sein, da ist die neue Säulenhalle und der allerneuste Garten. Ich gebe diesen Tip weiter, was immer er wert sein mag.    - (wat)

Glückseligkeit (3) Ich erhielt am 6. September 1940 bei einem Luftkampf südlich von London einen Kühlertreffer, so daß die Kühlflüssigkeit meines Motors langsam ausfloß und die Temperatur stieg. Ich versuchte, im gestreckten Motorflug noch bis zu einem der Rotkreuzrettungsflöße zu gelangen, die damals vor den Einsätzen über dem Kanal abgeworfen wurden. Dann aber spürte ich Geschoßeinschläge auf der Rückenpanzerplatte und erkannte im Rückspiegel zwei feindliche Jäger, vor denen es kein Entkommen mehr gab. Ich warf das Kabinendach ab, ging in Rückenflug und ließ mich herausfallen bzw. versuchte es. Dabei ging die Maschine in senkrechten Sturzflug, für den mir bis zum Aufschlag, wie ich heute schätze, etwa 30 Sekunden blieben. Ich suchte den Fallschirmgriff, der an der linken Hüfte sein mußte, fand ihn aber nicht.

In diesem Augenblick verließ meine Seele den Körper. Obwohl ich abstürzend die Augen geschlossen halten mußte, sah ich weiterhin optisch eindeutig die überflogene englische Landschaft mit braunen Äckern und grünen Wiesen. Ferner sah ich genau im rechten Winkel von mir auf gleicher Höhe in schätzungsweise 500 Meter Entfernung rechts eine abstürzende ME 109 auch ganz genau in fotographischer Deutlichkeit. Es bestand keinerlei Verbindung mehr mit meinem körperlichen Ich, weder Schmerz noch Angstgefühle. Die Trennung ging so weit, daß ich einmal in der dritten Person von ›mir‹ dachte, etwa: ›Der soll das doch bleiben lassen‹. Zugleich dachte ich: ›ob man den Aufschlag wohl spürt?‹ und sagte mir, der dauert eine Millionstel Sekunde, und in der Zeit gelangt kein Nervenreiz vom Rückenmark bis ins Gehirn. Nun aber kommt das Entscheidende: Ich war von einem nie vorher erlebten Glücksgefühl erfüllt. Wenn für irgend etwas der Ausdruck Glückseligkeit paßt, dann für den Zustand, in dem ich mich befand. Ich kann das heute nur erzählen, ohne auch nur irgendwie mir auch nur eine Ahnung jenes Glücks wieder vergegenwärtigen zu können, aber daß es durch nichts jemals übertroffen werden kann, ist für mich seither Gewißheit.

Mein Ich war also weit von meinem Körper getrennt in vollem Überbewußtsein mit vollem Seh- und Denkvermögen und eindeutig ohne jegliche Verbindung mit meinem Körper.

Was dieser inzwischen tat, habe ich erst Sekunden später erfahren. Mein physisches Ich suchte nach dem Fallschirmgriff an der linken Hüfte, fand ihn dort nicht und sagte sich, dann muß er nach hinten verrutscht sein. Ich suchte mit der linken Hand an der Gürtellinie, fand den Griff, faßte mit dem Daumen darunter und zog die Leine. In diesem Augenblick hatte >ich< das Gefühl, wunderbar weich zu liegen, das heißt, der Schirm hatte sich entfaltet und im gleichen Augenblick war die Seele in den Körper zurückgekehrt. - Max Himmelheber, nach: Ernst Jünger, Siebzig verweht V. Stuttgart 1997, Notat vom 21. August 19991

Glückseligkeit (4)   Man  muß bedenken, daß die Begierden teils natürlich, teils nichtig sind und daß die natürlichen teils notwendig, teils nur natürlich sind; die notwendigen hinwiederum sind notwendig teils zur Glückseligkeit, teils zur Vermeidung körperlicher Störungen, teils für das Leben selbst. Denn eine von Irrtum sich freihaltende Betrachtung dieser Dinge weiß jedes Wählen und jedes Meiden in die richtige Beziehung zu setzen zu unserer körperlichen Gesundheit und zur ungestörten Seelenruhe; denn das ist das Ziel des glückseligen Lebens. Liegt doch allen unseren Handlungen die Absicht zugrunde, weder Schmerz zu empfinden noch außer Fassung zu geraten. Haben wir es aber einmal dahin gebracht, dann glätten sich die Wogen; es legt sich jeder Seelensturm, denn der Mensch braucht sich dann nicht mehr umzusehen nach etwas, was ihm noch mangelt, braucht nicht mehr zu suchen nach etwas anderem, das dem Wohlbefinden seiner Seele und seines Körpers zur Vollendung verhilft. Denn der Lust sind wir dann benötigt, wenn wir das Fehlen der Lust schmerzlich empfinden; fühlen wir uns aber frei von Schmerz, so bedürfen wir der Lust nicht mehr. Eben darum ist die Lust, wie wir behaupten, Anfang und Ende des glückseligen Lebens. Denn sie ist, wie wir erkannten, unser erstes, angeborenes Gut, sie ist der Ausgangspunkt für alles Wählen und Meiden, und auf sie gehen wir zurück, indem diese Seelenregung uns zur Richtschnur dient für Beurteilung jeglichen Gutes.   - Epikur nach (diol)
 
Glück Gut, höchstes Seligkeit
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Eudämonie