leichzeitigkeit  Selbst bei recht niedrigen Relativgeschwindigkeiten werden weit voneinander entfernte Ereignisse beträchtliche Unterschiede in der zeitlichen Reihenfolge aufweisen.  Stellen wir uns zwei Passanten vor, die auf der Straße langsam aneinander vorbeigehen.

Auf der Andromeda-Galaxie, der nächsten, rund 20000000000000000000 Kilometer von unserer Milchstraße entfernten großen Galaxie) könnten die Ereignisse, die für die zwei Menschen gleichzeitig in dem Augenblick stattfinden, da sie einander gerade passieren, mehrere Tage auseinanderliegen (Bild 5.22). Für den einen der beiden Menschen ist die Raumflotte bereits mit dem Ziel unterwegs, alles Leben auf dem Planeten Erde auszulöschen; dagegen ist für den anderen noch nicht einmal die Entscheidung gefallen, ob diese Flotte überhaupt aufbrechen soll!

Gleichzeitigkeit

 

5.22 Zwei Menschen A und B gehen langsam aneinande vorbei; dennoch sind sie verschiedener Meinung, ob in dem Augenblick, in dem sie auf gleicher Höhe sind, die Raumflotte der Andromedaner bereits gestartet ist.

- Aus: Roger Penrose, Computerdenken. Des Kaisers neue Kleider oder Die Debatte um Künstliche Intelligenz, Bewußtsein und die Gesetze der Physik. Heidelberg 1991, zuerst 1989

Gleichzeitigkeit (2) Der Sprengwagen fuhr vorüber, die Walzenbürste wischte knirschend das Wasser über den Asphalt, und es sah aus, als habe die Hälfte der Fahrbahn einen dunklen Anstrich erhalten. Ein großer gelber Hund hatte eine winzige weiße Hündin bestiegen, die unbeweglich alles über sich ergehen ließ.

Der alte Herr trug eine helle, fast weiße Jacke, wie man sie in den Tropen trägt, und einen Strohhut.

Die Dinge nahmen ihren Platz ein wie zu einer Apotheose. Um die Türme von Notre-Dame flimmerte hoch oben in der Luft die Hitze wie ein Heiligenschein, und neben den Wasserspeiern hockten die Spatzen - von der Straße aus kaum sichtbare Statisten. Ein Zug Lastkähne hatte mit einem Schlepper ganz Paris durchquert, und der Schlepper senkte seinen Schornstein mit dem weißgoldenen Dreieck, als er tutend unter dem Pont Saint-Louis hindurchfuhr.

Die Sonne breitete sich aus, fett und üppig, flüssig und golden wie Öl, und ihr Widerschein lag auf der Seine, auf dem vom Sprengwagen nassen Pflaster, einer Dachluke und einem Schieferdach auf der Ile Saint-Louis. Dumpfes, kraftvolles Leben ging von allem aus. Die Schatten waren violett wie auf den Bildern impressionistischer Maler, die Taxis auf der weißen Brücke von kräftigerem Rot, die Autobusse von grellerem Grün.

Ein leichter Wind strich durch das Laub eines Kastanienbaums, und entlang der Kais an der Seine war es wie ein Zittern, das immer mehr zunahm, wollüstig, ein erfrischender Hauch, der die an die Kästen der Bouquinisten gehefteten Stiche emporflattern ließ.

Von sehr weit her, aus allen Teilen der Welt, waren Menschen gekommen, um diesen Augenblick mitzuerleben. Auf dem Platz vor der Notre-Dame standen Reisebusse, einer neben dem andern, und ein kleiner Mann schrie aufgeregt in ein Megaphon.

Etwas näher bei dem alten Herrn und der dicken schwarzgekleideten Bouquinistin betrachtete ein amerikanischer Student die Welt durch den Sucher seiner Leica.

Paris war groß und still, fast ohne Laut, mit Lichtbündeln und Schattenflächen da, wo sie hingehörten, mit Geräuschen, die die Stille im richtigen Moment durchbrachen.

Der alte Herr mit der hellen Jacke hatte eine Mappe aufgeschlagen, und um die Bilder darin zu betrachten, hatte er die Mappe auf die steinerne Kaimauer gelegt.

Der amerikanische Student trug ein rotkariertes Hemd, hatte aber keine Jacke an.

Die Bouquinistin saß strickend auf einem Klappstühlchen. Rote Wolle lief zwischen ihren Fingern hindurch, und sie bewegte ihre Lippen, ohne ihren Kunden anzublicken; ihr Monolog plätscherte munter dahin.

Die weiße Hündin krümmte ihren Rücken unter dem Gewicht des großen Rüden, der seine feuchte Zunge heraushängen ließ.

Und in diesem Augenblick, als alles an seinem Platz war, als dieser Morgen einen fast erschreckenden Grad an Vollkommenheit erreicht hatte, starb der alte Herr. Ohne ein Wort der Klage, ohne sich zu krümmen, während er seine Bilder betrachtete, dem Redefluß der Bouquinistin, dem Piepen der Spatzen und dem gelegentlichen Hupen der Taxis lauschte.

Er mußte im Stehen sterben, mit einem Ellbogen auf dem steinernen Sims und ohne einen Ausdruck des Erstaunens in seinen blauen Augen. Er schwankte und fiel auf den Bürgersteig. Die Mappe riß er mit, und die Bilder flatterten um ihn herum zu Boden.

Der große Rüde bekam keine Angst, hielt nicht inne. - Georges Simenon, Das Begräbnis des Monsieur Bouvet. Zürich 1989, zuerst 1950

Gleichzeitigkeit (3)  Der Thron Julians, welchen der Tod Konstantins' auf einer unabhängigen Grundlage festgestellt hatte, war der Sitz der Vernunft, der Tugend und vielleicht der Eitelkeit. Er verachtete die Ehren, verzichtete auf die Vergnügungen und erfüllte mit unablässigem Fleiße die Pflichten seiner erhabenen Stellung, und es gab wenige unter seinen Unterthanen, welche eingewilligt haben würden ihm die Wucht des Diadems zu erleichtern, wenn sie damit die Verpflichtung hätten übernehmen müssen, ihre Zeit und ihre Handlungen den strengen Gesetzen zu unterwerfen, welche ihr philosophischer Kaiser sich selbst auferlegt hatte. Einer seiner vertrautesten Freunde, welcher häufig die mäßige Einfachheit seiner Tafel theilte, hat bemerkt, daß seine leichte und spärliche Nahrung (welche gewöhnlich aus dem Pflanzenreiche genommen war) seinen Geist und Körper stets frei und thatkräftig für die verschiedenartigen und wichtigen Geschäfte eines Schriftstellers, Hochpriesters, Richters, Feldherren und Fürsten ließ. An einem und demselben Tage ertheilte er mehreren Gesandten Audienz und schrieb oder diktirte eine große Anzahl von Briefen an seine Unterfeldherren, seine Civilbeamten, seine vertrauten Freunde und an die verschiedenen Städte seiner Gebiete. Er hörte die eingegangenen Berichte an, erwog den Gegenstand der Bittschriften und gab seine Entscheidungen schneller, als sie durch den Fleiß seiner Sekretäre in abgekürzter Schrift aufgezeichnet werden konnten. Er besaß eine solche Biegsamkeit des Denkens und eine solche Festigkeit der Aufmerksamkeit, daß er seine Hand zum Schreiben, sein Ohr zum Hören, seine Stimme zum Diktiren verwenden und zu gleicher Zeit drei verschiedene Ideengänge ohne Stocken und ohne Irrthum verfolgen konnte. - Edward Gibbon, Verfall und Untergang des Römischen Reiches. Nördlingen 1987 (Die Andere Bibliothek 29, zuerst 1776 bis 1788)

Gleichzeitigkeit (4)

Gleichzeitigkeit (5)   Meine Freundin kam an die Reihe, und während der Jüngling sie bearbeitete, gab ihm die Durand das Pulver ein. Die Zuckungen ergriffen ihn, bevor er noch Zeit hatte, seinen Schweif aus dem Arschloch meiner Freundin herauszuziehen, und so starb er mitten unterm Vögeln und das erzeugte bei Clairwil eine solche Lustkrise, daß ich glaubte, sie würde sterben. "Hol mich der Teufel!" schrie sie. "Ich glaube ich habe seine Seele zugleich mit seinem Samen bekommen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sein Glied während den Zuckungen angeschwollen ist und was für ein unsägliches Lustgefühl dies bei mir hervorrief. Wollüstige Frauen! Vergiftet eure Liebhaber, während ihr sie im Arschloch oder in der Scheide habt, und ihr werdet sehen, welcher Erfolg." Wir hatten wirklich die größte Mühe, sein Glied aus dem Arschloch meiner Freundin herauszuziehen, und als wir es erreicht hatten, bemerkten wir, daß ihn die Todeszuckungen nicht verhindert hatten, zu entladen. "Habe ich euch nicht gesagt," sagte Clairwil, "daß ich in meinen Arsch zugleich seine Seele und seinen Samen aufgenommen?" - Marquis de Sade, Justine oder Die Leiden der Tugend gefolgt von Juliette oder Die Wonnen des Lasters. Nördlingen 1987 (zuerst 1797)

Gleichzeitigkeit (6)   Ich möchte auf das berühmte Ledabild von Correggio in der Berliner Staatsgalerie hinweisen. Dieses Bild ist eine aller Welt erkennbare Orgie des weiblichen Liebeserfüllens. Correggio phantasiert hier in deutlichster Weise pluralistisch; er will den ganzen Ablauf der Liebe auskosten, also verdreifacht er Leda kurzerhand, denn eine einzige Leda genügt ihm nicht zu solchem Zweck. Mit drei Ledas kann er jedoch alles zeigen, den ganzen Inhalt seiner Wunschphantasie: Vorspiel, Verlauf und Finale.

Die Szene ist diese: Leda badet mit ihren Gespielinnen im Weiher. Eine ganze Anzahl von Schwänen ist herangerauscht, und alle sind von derselben intensiven erotischen Begierde getrieben. Die jüngste von Ledas Gespielinnen, die in dem Metier der Liebe anscheinend noch ein vollständiger Neuling ist, sucht den gegen sie andrängenden Schwan ernstlich abzuwehren. In der Mitte des Bildes, ganz im Vordergrund und völlig en face sitzt Leda mit freiwillig gespreizten Schenkeln und empfängt eben in ihrem Schoße die stürmischen Huldigungen des Zeusschwanes. Aus Ledas Zügen und Haltung leuchtet die ganze seelische Beglücktheit des Weibes ob der Wonnen, die ihm so verschwenderisch zuteil werden. Die dritte und letzte Etappe repräsentiert eine ältere Gespielin der Leda, die sich, nach vollbrachtem Werk, schon wieder zum Ankleiden anschickt, denn eine Dienerin reicht ihr eben das Hemd. Sie schaut beglückt und dankbar einem Schwane nach, der sich bereits wieder in die Lüfte erhebt. Links im Busche schlägt zu all diesem Tun ein schöner Cupido zärtlich die Saiten. Das Ganze ist ein überaus köstliches Märchen, aber es ist das orgiastische Märchen vom intensivsten erotischen Genießen des Weibes.  - Eduard Fuchs, Die Orgie. In: (mes)

Gleichzeitigkeit (7)  Das Wesen, das in den einsamen Stunden von delectatio morosa, in denen die Not für den Augenblick einen Ausweg findet, indem sie zum Begehren wird, dieser alterslose Doppelgänger, der - ich selbst und doch nicht ganz ich selbst - an meine Stelle tritt in meinen Träumen, gefällt sich manchmal darin - in einer Sucht nach Totalität, die völlig abgeschlossen wäre wie eine Insel - sich die Schlußszene so vorzustellen: nachdem er dadurch androgyn geworden ist, daß er seinen nackten Oberkörper in seine eigenen Handteller schmiegt, in einem gemächlichen Hin und Her in seiner linken Faust seine fest umschlossene Rute zu bearbeiten und mit der rechten den Griff eines Revolvers zu umschließen, dessen Lauf er an seine Schläfe setzen und dessen Abzug er im richtigen Augenblick betätigen würde, damit der harte Ausstoß der Kugel mit dem flüssigen des Samens zusammenfiele.   - (leiris2)

Gleichzeitigkeit (8)    Meine liebe Freundin macht sich entschieden.  Heute früh schlägt sie in einem Brief vor, wir sollten heute abend, Schlag elf Uhr, beide w... oder doch fast; dabei wird mir in aller Form geraten, nicht... bis zum Endergebnis zu gehen! Ein reizendes Bild: die beiden Liebenden, die aufeinander verzichten müssen und, vierhundertfünfzig Kilometer voneinander entfernt, zur selben Zeit w..., während sie aneinander denken. Doch mit ihrer Empfehlung an mich ist es leichter gesagt als getan. Ich habe mich... bis ans Ende gehen lassen. Mal sehen, was sie mir von sich erzählt. - (leau)

Gleichzeitigkeit (9)

Gleichzeitigkeit (10)  

Nur gemach! Zug um Zug! Stufenweis lock' sie hervor!
Hast du die Orte erspürt, wo Betastung dem Mägdelein wohltut,
Dann - genier dich bloß nicht! Hingerührt! Ihr ist's schon recht.
Funkeln wird dann, du wirst's sehn, ihr Auge in zitterndem Glanze,
Wie oft im Wasser die Sonn' spiegelt und glitzert und glüht.
Schmollende Klag' kommt als Würze hinzu, liebreiches Geflüster,
Süßes Geschluchz und Gestöhn, scherzhaftes kosendes Wort:
Spanne mir ja aber nicht zu mächtige Segel! Sonst kommst du
Ihr zuvor, und auch sie fahre nicht schneller als du.
Gleichzeitig eilet zum Ziel! Die Wollust ist dann erst vollkommen,
Wenn derselbe Moment beide besiegt und erlöst.
So sei dein Zeitmaß und Lauf, wenn behagliche Muße beschieden
Und beim verstohlenen Werk Furcht euch zur Eile nicht hetzt.
Bringt aber Zögern Gefahr, dann legt euch fest in die Ruder,
Laßt die Zügel dem Pferd, stoßt in die Weichen den Sporn!

- Publius Ovidius Naso, Ars Amatoria. Frankfurt am Main  (it 164, zuerst 1  v.u.Z)

Gleichzeitigkeit (11)  Meine Freundin kam an die Reihe, und während der Jüngling sie bearbeitete, gab ihm die Durand das Pulver ein. Die Zuckungen ergriffen ihn, bevor er noch Zeit hatte, seinen Schweif aus dem Arschloch meiner Freundin herauszuziehen, und so starb er mitten unterm Vögeln und das erzeugte bei Clairwil eine solche Lustkrise, daß ich glaubte, sie würde sterben. "Hol mich der Teufel!" schrie sie. "Ich glaube ich habe seine Seele zugleich mit seinem Samen bekommen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sein Glied während den Zuckungen angeschwollen ist und was für ein unsägliches Lustgefühl dies bei mir hervorrief. Wollüstige Frauen! Vergiftet eure Liebhaber, während ihr sie im Arschloch oder in der Scheide habt, und ihr werdet sehen, welcher Erfolg." Wir hatten wirklich die größte Mühe, sein Glied aus dem Arschloch meiner Freundin herauszuziehen, und als wir es erreicht hatten, bemerkten wir, daß ihn die Todeszuckungen nicht verhindert hatten, zu entladen. "Habe ich euch nicht gesagt," sagte Clairwil, "daß ich in meinen Arsch zugleich seine Seele und seinen Samen aufgenommen?"   - (just)

Gleichzeitigkeit (12)  Wenn sie trinkt, grübelte der Gatte, sieht es gleichzeitig aus, als ob sie sauge, telefoniere und durch ein Opernglas sähe. - Pitigrilli, Betrüge mich gut. In: P., Betrüge mich gut. Reinbek bei Hamburg 1988 (rororo 12179, zuerst 1922)

Gleichzeitigkeit (13)  

Gleichzeitigkeit (14)  

Gleichzeitigkeit (15)  Während er wartete, hatte er die Empfindung, in zwei verschiedenen Zeiten zugleich zu leben. Zum einen lebte er innerhalb seiner gesamten Lebenszeit, die ihm fast immer als zu lang erschien, und zum zweiten lebte er innerhalb des jeweils gerade stattfindenden Erlebnisses, das ihm fast immer als zu kurz vorkam. Das hieß doch, daß er in einer langsamen und einer schnellen Zeit zugleich lebte, und dazu paßte auch, daß er oft nicht wußte, in welcher der beiden Zeiten er das Leben eigentlich zu suchen hatte: in der ewig langsamen Aneinanderreihung gleich aussehender Tage oder in den kurzen Verdichtungen bestimmter, freilich seltener Erfahrungen und Empfindungen. Eckhard freute sich über seine Gedanken, wenngleich er mit ihnen im Augenblick kaum etwas anfangen konnte. Hatte er in seinem Urlaub nicht ohnehin nachdenken wollen? Das schon, aber er war nicht damit einverstanden, daß ihm Gedanken ausgerechnet dann kamen, wenn er in einem Hausflur wartete.  - Wilhelm Genazino, Die Ausschweifung. Nach: Tintenfaß 2, Zürich 1981

Gleichzeitigkeit (16)   Der Taxil-Schwindel war ein von 1885 bis 1897 andauernder Schwindel, bei dem es um eine angebliche Enthüllung geheimer satanischer Riten der Freimaurerei durch Léo Taxil (1854–1907) ging. Nach Taxils Ausschluss aus der Freimaurerei nutzte er durch seinen Schwindel den Argwohn der römisch-katholischen Kirche der Freimaurerei gegenüber finanziell, zugleich konnte er seiner Abneigung beiden Seiten gegenüber Genüge tun. - Wikipedia

Gleichzeitigkeit (17)  Eine junge Frau, die sich bei intellektuellen Unternehmungen hervorgetan hatte, eine Person von großer Autorität in ihrem Wirkungskreis, starb in der gleichen Nacht, in der ein Mann in der nächsten Straße ermordet wurde, ein Geselle von gröbstem Benehmen. Der Dichter nutzt dieses aus, um beide Seite an Seite auf ihren Weg  zu schicken, ohne die üblichen unglücklichen moralischen Unterscheidungen zu machen.   - (kore)

Gleichzeitigkeit (18)   Byrne sah die Riesenschlagzeilen, als er seine Morgenzeitung aufschlug: »Schrecklicher Dreifachmord: Drei Millionäre in einer Nacht erschlagen!« Weitere Ausrufsätze folgten in kleinerer Schrift, kaum viermal größer als die normale Schrift, die auf der Besonderheit des Geheimnisses bestanden: der Tatsache, daß die drei Männer nicht nur gleichzeitig ermordet worden waren, sondern auch an drei weit voneinander liegenden Orten - Stein auf seinem künstlerisch ausgestatteten Luxuslandsitz hundert Meilen landein, Wise vor dem kleinen Bungalow an der Küste, wo er von Seebrisen und dem einfachen Leben lebte, und der alte Gallup in einem Dickicht unmittelbar vor dem Parktor seines großen Hauses am anderen Ende der Grafschaft. In allen drei Fällen konnte es keinen Zweifel an den Szenen der Gewalttätigkeit geben, die dem Tode voraufgegangen waren, obwohl man die Leiche Gallups erst am zweiten Tage fand, dort, wo sie groß und gräßlich zwischen den zerborstenen Gabeln und Ästen des kleinen Waldes hing, in den sie mit ihrem ganzen Gewicht gekracht war wie ein Bison in die Lanzen, während Wise ganz offenkundig über die Klippen in die See geschleudert worden war, nicht ohne Kampf, denn die Spuren seiner schürfenden und ausrutschenden Fußabdrücke konnten bis an den Rand verfolgt werden. Doch war das erste Anzeichen der Tragödie der Anblick seines großen schlappen Strohhuts gewesen, der weit draußen auf den Wogen schwamm, deutlich sichtbar von den Klippen oben. Auch Steins Leichnam hatte sich zunächst der Suche entzogen, bis eine schwache Blutspur die Suchenden zu einem Badhaus nach altrömischem Muster führte, das er sich in seinem Garten errichtet hatte; denn er war ein Mann von experimenteller Denkart mit einem Hang zu Altertümern gewesen.   - Gilbert Keith Chesterton, Father Browns Ungläubigkeit. Zürich 1991

Gleichzeitigkeit (19)  goldenberg war im einklang mit den dingen, als er vors haus ging sein wasser abzuschlagen, öffnete der himmel seine schleusen, und gemeinsam erfrischten sie die erde und ihre leuchtenden blumen.  - Konrad Bayer, der sechste sinn. Roman. Reinbek bei Hamburg 1969

Gleichzeitigkeit (20)  Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam und gegenwärtiger Professor der Geschichte von sich; - und zwar in dem Monate, wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehre Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; - und zwar an dem Monattage, wo, falls Blüten auf seine Wiege zu streuen waren, gerade dazu das Scharbock- oder Löffelkraut und die Zitterpappel in Blüte traten, desgleichen der Ackerehrenpreis oder Hühnerbißdarm, nämlich am 2iten März; - und zwar in der frühesten frischesten Tagzeit, nämlich am Morgen um 1 1/2 Uhr; was aber alles krönt, war, daß der Anfang seines Lebens zugleich der des damaligen Lenzes war.  - Jean Paul, Selberlebensbeschreibung

Gleichzeitigkeit (21)  

Gleichzeitigkeit (22)

Gleichzeitigkeit (23)  Aub    Warum sehen wir in Die Milchstraße den Pfarrer, der auf dem Flur lauscht, plötzlich im Inneren des Zimmers?

Luis Buñuel   Was?

Aub    In der Szene mit der Jungfrau im Bett und dem Mann im anderen Bett ...

Luis Buñuel    Was?

Aub   Warum ist der Pfarrer drinnen und draußen gleichzeitig?

Luis Buñuel    Ah! Weil es mir genauso geht. Immer wenn ich mit einem Priester durch die Tür spreche, ist er plötzlich drin in meiner Wohnung und auf einmal wieder verschwunden ...   - Luis Buñuel, nach: Max Aub / Luis Buñuel, Die Erotik und andere Gespenster. Berlin 1986

Gleichzeitigkeit (24)  

- N.N.

Gleichzeitigkeit (25)  

Gleichzeitigkeit (26)  Nicht daß die Vorgänge zusammenhanglos gewesen wären, aber ich nahm sie wie ein Abwesender wahr. Innerhalb weniger Sekunden sah ich, zu meinem Entsetzen, Simone in eine der beiden Kugeln beißen, Granero hervortreten und dem Stier das rote Tuch hinhalten; dann Simone, mit blutrotem Kopf, in einem Augenblick schwüler Obszönität ihre Vulva entblößen und in die Vulva den anderen Hoden schieben; Granero hintenüber geneigt, gegen die Barrera gedrängt, und über der Barrera die Hörner, die in vollem Schwung dreimal zustießen: eines der Hörner drang in das rechte Auge und in den Kopf ein. Das sich überschlagende Geschrei m der Arena traf mit Simones krampfartigem Orgasmus zusammen. Sie erhob sich von der Steinplatte, schwankte und schlug hin, geblendet von der Sonne, aus der Nase blutend. Männer stürzten herbei und bemächtigten sich Graneros,

Die Menge in der Arena war von den Plätzen aufgesprungen. Das rechte Auge des Leichnams hing heraus.

Zwei Kugeln von gleicher Größe und Konsistenz hatten sich gleichzeitig in entgegengesetzte Richtungen bewegt. Der weiße Hoden eines Stiers war in das ‹rosaschwarze› Fleisch Simones eingedrungen; ein Auge war aus dem Kopf eines jungen Mannes hervorgetreten. - (obs)

Gleichzeitigkeit (27)  in jedem mütterchen das sein enkelkind umarmt in je dem vater der seine tochter geigt in jeder guten tat explodiert jetzt und sonst nie die bombe (die bombe), hinter ihm bleibt king kong erschrocken stehen und hebt die schmutzigen hände zum himmel. er dreht sich um und sieht seinen widersacher flehend an. bitte! formen seine lippen aber seine stimme ist aus der entfernung nicht zu hören, batman krümmt den zeigefinger um den abzug der mpi. mündungsfeuer erhellt das dämmerlicht des dschungels. kingkong wird von der garbe wie eine strohpuppe zurückgerissen und fällt in den schlamm, sein körper krümmt sich noch einmal zusammen und ent spannt sich dann, der windhund spannt seinen schlanken leib, mit jedem zug seiner pfoten schneidet der schmerz messerscharf durch die schulter. unter jämmerlichem geplärr wird goofy von der lawine begraben, helmut reibt sich kichernd die fäuste über den gelungenen streich, die sonnenbraune farbe lässt ihn noch anziehen der erscheinen als sonst.

in jedem sonntagskleid das ins freie fährt in jederwander tasche in jedem ausflüglerrucksack & sonstwo explodiert in diesem moment die bombe, batman fickt robin der eben sein 12. wiegenfest feiert, er ist viel jünger als batman und wackelt beim sprechen mit dem schleckfaden und alle seine löckchen wackeln mit. er ist batmans ganz be sondrer Hebung, auch diesmal regt batman wieder die fleissigen finger für ihn. er gibt ihm tanzstunde. nur müh sam schrittelt robin vorwärts schleift den lebensklugen batman zwischen sich fort, otmar die naschkatze freut sich sehr über das hüpfende & tanzende geschenk. über das lebendige geschenk. er hat scharfe falkenaugen. in jeder guten stunde in jeder festen männerfreund schaft in jedem glücklichen kinderlachen & überall sonst wo explodiert jetzt eben die bombe. lautes lachen verhin dert tuli kupferberg am weitersprechen, ja wir wollen lie ber gesellschaftsspiele mit raten spielen schlägt wonder maid vor.

DIE BOMBE EXPLODIERT! DIE BOMBE EXPLODIERT! batman ist mit dem kleinen robin extra angereist weil der junge unbedingt eine richtige bombe sehen wollte, und nun das! endlich fasst er sich nimmt den jungen von den schultern will mit ihm die statte des grauens verlassen, aber robin ist tot. ein Splitter hat ihm die schädeldecke eingeschlagen.  - (loc)

Gleichzeitigkeit (28)

Gleichzeitigkeit (29)

Gleichzeitigkeit (30)

Gleichzeitigkeit (31)

Gleichzeitigkeit (32)   Es träumte jemand, er gehe mit der Sonne zugleich auf und halte mit dem Mond gleichen Schritt. Er wurde gehängt, und so sahen ihn Sonne und auch Mond beim Aufgang hoch in der Luft baumeln. - (art)

Gleichzeitigkeit (33)   

Musée des Beaux Arts

Über das Leiden wußten sie gut Bescheid,
die Alten Meister: wie kannten sie gut
seine menschliche Rolle; daß es geschieht,
-während einige essen, ein andrer ein Fenster öffnet oder gelangweilt hingeht;
daß, während die Alten ehrfürchtig und gespannt
die wunderbare Geburt erwarten, Kinder immer dabei sind,
denen nicht viel daran liegt, und die
Schlittschuh auf einem Teich am Waldrande laufen;
sie vergaßen auch nie,
daß selbst das Mysterium stattfinden muß
irgendwo abseits, an unsauberem Ort,
wo die Hunde sich hündisch benehmen und des Folterers Pferd
sein Hinterteil unschuldig an einem Baum kratzt.

In Breughels Ikarus Zum Beispiel: wie alles sich beinah
gelassen vom Unheil abkehrt; vielleicht hat der Bauer
den Aufschlag gehört, den verlorenen Schrei,
aber für ihn war das nichts von Bedeutung; die Sonne
beschien, wie es ihre Pflicht war, die weißen im Wasser
verschwindenden Beine; und das kostspielige, stolze Schiff, das staunend
etwas gesehn haben mußte, - einen Jungen, der aus dem Himmel fiel -,
hatte ein Ziel und segelte ruhevoll weiter.

- Wystan Hugh Auden, nach (mus)

Gleichzeitigkeit (34)  Was aber ist Gleichzeitigkeit? Wann beginnt das Nacheinander? Solchen Fragen sind die Münchner Forscher nachgegangen, indem sie Versuchspersonen baten, auf optische, akustische oder Berührungsreize mit einem Knopfdruck zu reagieren. Die Probanden mußten dabei entscheiden, ob ihnen ein oder zwei Reize präsentiert worden waren. Das akustische Sensorium des Menschen scheint in puncto Zeitwahrnehmung am besten abzuschneiden. Zwei kurze Klickgeräusche werden schon als getrennt wahrgenommen, wenn sie zwei bis drei Millisekunden, also zwei bis drei tausendstel Sekunden auseinanderliegen. Der Tastsinn braucht zehn Millisekunden Differenz zwischen zwei Reizen, der Sehsinn gar zwanzig bis dreißig. «Fusionsschwelle» nennen Pöppel und Ruhnau die zeitliche Grenze, an der zwei Ereignisse miteinander verschmelzen. Die Schwelle ist von der Physiologie der jeweiligen Sinneswahrnehmung abhängig und unterscheidet sich daher von Sinneskanal zu Sinneskanal. Im Vergleich zum Ohr ist das Auge ein verhältnismäßig träges Organ.

Doch wenn es gilt, Ordnung in die Zeit zu bringen, liegen die Sinne des Menschen gleichauf. Etwa dreißig Millisekunden Abstand sind nötig, damit eine Versuchsperson entscheiden kann, welcher visuelle, akustische oder taktile Reiz der erste und welcher der zweite ist. Erst nach dem Erreichen dieser sogenannten «Ordnungsschwelle» hat die wahrgenommene Zeit eine Richtung. Was beweist: Unabhängig von der Funktionsweise der Sinne und ihren typischen Verarbeitnngszeiten ist die Identifikation und Einordnung von Ereignissen eine Funktion des Gehirns. Und: Dreißig Millisekunden entscheiden über das Vor- und Nachher. Unterhalb der Schwelle scheint die Zeit stillzustehen.  - (kopf) 

Zeit Augenblick

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