(
Chamfort
)
Gleichgültigkeit (2)
Ein Mann, der dem Leben mit großer Gleichgültigkeit gegenüberstand, sagte
im Sterben: "Doktor
Bouvard wird schön hereinfallen."
- (
Chamfort
)
Gleichgültigkeit (3) [Ich danke Katia,] weil es sie in ihrer Liebe nicht im geringsten beirrt oder verstimmt, wenn sie mir schließlich keine Lust einflößt und wenn das Liegen bei ihr mich nicht in den Stand setzt, ihr Lust, d.h. letzte Geschlechtslust zu bereiten. ...
- Der Spiegel 08 / 2003 (Ullstein Bilderdienst)
Die Ruhe, Liebe und Gleichgültgkeit, mit der
sie das aufnimmt, ist bewunderungswürdig, und so brauche ich auch mich
nicht davon erschüttern zu lassen. - Tagebuch
Thomas
Mann
, nach: Spiegel
51 / 2001
Gleichgültigkeit (3) Alles
ist mir ziemlich egal in meinem Leben, Männer, Frauen,
Geschehnisse. Da haben Sie mein wahres
Glaubensbekenntnis, und ich füge hinzu, was Sie vielleicht nicht glauben,
daß mir an mir selbst nicht mehr liegt als an den anderen. Alles teilt
sich in Langeweile, Ulk und Misere auf. Ich nehme alles mit Gleichgültigkeit.
Zwei Drittel meiner Zeit verbringe ich damit, mich gründlich zu langweilen.
- Guy de Maupassant an Maria Baschkirtscheff,
nach
(err)
Gleichgültigkeit (4) Den 20. Jänner ging Lenz durchs Gebirg. Die Gipfel und hohen Bergflächen im Schnee, die Täler hinunter graues Gestein, grüne Flächen, Felsen und Tannen.
Es war naßkalt; das Wasser rieselte die Felsen hinunter und sprang über den Weg. Die Äste der Tannen hingen schwer herab in die feuchte Luft. Am Himmel zogen graue Wolken, aber alles so dicht - und dann dampfte der Nebel herauf und strich schwer und feucht durch das Gesträuch, so träg, so plump.
Er ging gleichgültig weiter, es lag ihm nichts am Weg,
bald auf-, bald abwärts. Müdigkeit spürte er keine,
nur war es ihm manchmal unangenehm, daß er nicht auf dem Kopf gehn konnte.
- Georg Büchner, Lenz
Gleichgültigkeit (5) Moirín kam in die Wehen. Sie schickte an ihre Schwestern eine Botschaft. Die älteste von ihnen kam und ließ die Hebamme rufen. Der junge Edelmann sagte zur Schwägerin, er wollte auf der Wiese auf und ab gehen und warten, bis sie ihm Nachricht geben würde.
Moirín brachte einen hübschen Knaben zur Welt. Aber die Schwester kam und sagte der Hebamme, sie hätte das Kind irgendwie falsch behandelt. Und dann bestach sie sie, um den andern zu sagen, das Kind sei tot. Darauf ging die Schwester hin zum Edelmann. Er fragte, was sie für Botschaft brächte. »Ganz gute«, gab sie zur Antwort, »nur das Kind ist tot.«
»Das schadet ja nichts«, meinte er. »Solange es der Mutter gut geht, ist
mir das gleichgültig. Nehmt nun das Kind fort und bestattet es.« - (
ir
)
Gleichgültigkeit (6) 1. Als Indifferenz (lat. indifferens = gleichgültig) bezeichnet man die Gleichgültigkeit gegenüber verschiedenen Religionen, Religionsgemeinschaften, Weltanschauungen, sittl. Anschauungen, in der Annahme, sie seien alle gleichwertige Ausdrucksweisen des Menschengeistes. Die praktische Haltung des I., kann aus bloßer geistiger Trägheit, die durch Erziehung u. Umgebung begründet u. verstärkt werden kann, aber auch aus theoretischem I. stammen. Die Wurzeln des letzteren sind Agnostizismus (Leugnung der Fähigkeit der menschl. Vernunft, über die sinnl. Erfahrungswelt hinaus etwas mit Gewißheit zu erkennen), Atheismus (ohne Gott sind alle Religionen gleich wenig wert; Unglaube) od. Leugnung wenigstens eines Teiles der Glaubenswahrheiten (aus der heraus der Unterschied zw. den christl. Bekenntnissen verwischt wird; Häresie).
2. Nach kath. Auffasssung ist es dem Menschen mögl., von der sinnl. Erfahrung aus zu Transzendentem (sie Übersteigendem: Sein des Menschen u. der Dinge, Sein Gottes) wenigstens in analoger Erkenntnis vorzudringen. Um den phil. Nachweis dafür bemüht sich die Erkenntnistheorie. Die Offenbarung schreibt dem Menschen die Fähigkeit zu, mit seiner natürl. Vernunft sowohl Gott (Weish 13; Röm 1,20) wie auch die von Gott mit der Menschennatur verbundenen sittl. Forderungen zu erkennen (Röm 2,14 f). Daran hält sich die kirchl. Lehre. Das Forschen nach der Wahrheit macht ein unabdingbares Element der vom Menschen zu erfüllenden wesentl. Lebensaufgabe aus. Die kirchl. Lehre lehnt den I. wegen Vernachlässigung dieser Pflicht ab.
3. Vom Staat fordert man mit Recht Achtung u. Schutz der
Religionsfreiheit. Nicht zu billigen ist es jedoch, wenn die
Staatsgewalt die Erfüllung dieses Verlangens mit Erwägungen des
theoretischen I. begründet, weil sie damit Urteile in rel. Fragen
abgibt, für die sie nicht zuständig ist.
- Karl Hörmann,
Lexikon
der christlichen Moral
(1969)
Gleichgültigkeit (7) - Indifference (Grammatik & moralische Philosophie). Zustand der Ruhe, in dem die Seele, die einen Gegenstand vor sich hat, diesen weder begehrt noch sich von ihm abwendet & durch seinen Genuß ebensowenig berührt wird wie durch seinen Verlust.
Die Gleichgültigkeit erzeugt nicht immer Untätigkeit. Mangels Interesse & Neigung folgt man fremden Eindrücken & befaßt sich mit Dingen, deren Erfolg man selbst sehr gleichgültig gegenübersteht.
Die Gleichgültigkeit kann drei Quellen entspringen, der Natur, der Vernunft & dem Glauben; sie läßt sich unterteilen in natürliche Gleichgültigkeit, philosophische Gleichgültigkeit & religiöse Gleichgültigkeit.
Die natürliche Gleichgültigkeit ist das Resultat eines kalten Temperaments. Bei groben Organen, dickem Blut, träger Einbildungskraft ist man nicht wach; man döst inmitten der Dinge der Natur; man empfängt von ihr nur matte Eindrücke; man bleibt gleichgültig & stumpf. Vielleicht aber liegt auch der philosophischen Gleichgültigkeit nur die natürliche Gleichgültigkeit zugrunde.
Wenn der Mensch seine Natur & die Natur der Gegenstände aufmerksam prüft, wenn er die Vergangenheit betrachtet & von der Zukunft nichts Besseres erhofft, dann sieht er, daß das Glück ein Phantom ist. Er erkaltet bei der Verfolgung seiner Wünsche; er sagt sich: »Es gibt kein anderes Gut, Numicius, als die Ruhe der Gleichgültigkeit.«
Die philosophische Gleichgültigkeit bezieht sich auf drei Hauptgegenstände: den Ruhin, den Reichtum & das Leben. Möge der, welcher nach dieser Gleichgültigkeit strebt, sich prüfen & beurteilen. Fürchtet er, verkannt zu werden? Arm zu sein? Zu sterben? Er glaubt sieh frei, aber er ist ein Sklave. Die großen Phantome verlocken ihn noch immer.
Die philosophische Gleichgültigkeit unterscheidet sich von der religiösen Gleichgültigkeit nur durch das Motiv. Der Philosoph ist gleichgültig gegen die Dinge des Lebens, weil er sie verachtet; der religiöse Mensch, weil er sich von seinem kleinen Opfer eine unendliche Belohnung erhofft.
Wenn die natürliche, wohlüberlegte oder religiöse Gleichgültigkeit übermäßig
ist, so lockert sie die allerheiligsten Bindungen. Dann ist man kein aufmerksamer
Vater mehr, keine zärtliche Mutter, kein Freund noch Geliebter, noch Gatte.
Man ist gegen alles gleichgültig. Man ist gar nichts mehr, oder man ist ein
Stein. - Diderot, (
enc
)
Gleichgültigkeit (8) Sein Vater hat ihn verheiratet, und er willfahrte ihm aus Gefälligkeit. Seine Frau sagt, er sei so in seinen Träumen gefangen, daß er manchmal drei Wochen lang nicht daran denke, daß er verheiratet ist. Sie ist eine Kokette, die sich seit einiger Zeit sehr schlecht aufführt: ihn bekümmert das nicht. Man sagt ihm: «Aber der Soundso macht sich mit Eurer Frau zu schaffen.» - «Meine Güte!» antwortet er. «So tue er doch, was er nicht lassen kann, was schert es mich? Er wird ihrer schon müde werden, gerade wie ich auch.» Diese Gleichgültigkeit hat die Frau in höchste Wut versetzt; sie verzehrt sich vor Verdruß; er verliebt sich, wo er kann.
Eine Äbtissin, die wieder in die Stadt gezogen war, brachte er unter, und
seine Frau überraschte die beiden eines Tages. Er steckte sein Schwert
wieder weg, machte ihr einen Bückling und ging. - (
tal
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Gleichgültigkeit (9)
Gleichgültigkeit Wo's Bächlein biegt, das Krebschen krabbelt, |
- Nach: Douglas R. Hofstadter, Metamagicum. Stuttgart 1991
Gleichgültigkeit (10)