laube  Das Mittel, um der Prophet und Wundermann seiner Zeit zu werden, gilt heute noch wie vor alters: man lebe abseits, mit wenig Kenntnissen, einigen Gedanken und sehr viel Dünkel — endlich stellt sich der Glaube bei uns ein, daß die Menschheit ohne uns nicht fortkommen könne, weil wir nämlich ganz ersichtlich ohne sie fortkommen. Sobald dieser Glaube da ist, findet man auch Glauben. Zuletzt ein Rat für den, der ihn brauchen mag (er wurde Wesley von seinem geistlichen Lehrer Böhler gegeben): »Predige den Glauben, bis du ihn hast, und dann wirst du ihn predigen, weil du ihn hast!“ - (mo)

Glaube (2)  die Sibylle wußte, daß Christus kommen und die Menschen lehren würde, alle seien Brüder, so eine Weise war das, vom gleichen Format wie der heilige Wenzel, der so gern Wein pflanzte, im weißen Hemd auf einem Schimmel ritt und an die Armen Geld verteilte wie irgendein Sozialinstitut, die Chinesen wiederum glauben an den Gott der Kraft und der Liebe, der trägt einen vergoldeten Ring in der Nase und hat ein Maul wie ein Haifisch, ein goldschimmernder Dickwanst ist das, himmelangst und bange könnte einem werden, die Neger dagegen sind eher Dichter, die glauben nur an das Freßbare und brüllen und hüpfen, ihr König sitzt nackt auf dem Thron und hält eine Mistgabel in der Hand, ihre Königin hat bloß einen Lappen umgewickelt, damit sich die Fliegen nicht auf ihre Kokosnuß setzen, und wenn denen einer wegstirbt, dann begraben sie die eine Hälfte und verschnabulieren die andere, so daß der Forschungsreisende Holub lieber schnell auf dem Veloziped davonfuhr, und die Völker des Feuerlandes und die Butakutos und Arabelen und Matabelen rannten ihm nach, aber obwohl sie gute Lungen hatten, konnten sie ihn nicht einholen, sie schrien immer nur hinter dem Herrn Forschungsreisenden her: der Mann auf der Schlange! - (hra)

Glaube (3) Schon gleich zu Anfang, bei der ersten Begegnung mit ihnen, fiel die Klarheit und Härte ihres Glaubens auf, der fast mathematisch genau in seiner Abgrenzung ist und durch seine Gefühlskälte abstößt. Die Semiten kennen keine Halbtöne in den Registern ihrer transzendentalen Schau. Sie sind ein Volk der Grundfarben, oder vielmehr des Schwarz und Weiß, und sehen die Welt stets nur in Umrissen. Sie sind dogmengläubig und verabscheuen den Zweifel, die Dornenkrone unserer Zeit. Sie haben kein Verständnis für unsere metaphysischen Bedenken oder unsere grüblerischen Fragestellungen. Sie kennen nur Wahrheit und Unwahrheit, Glauben und Unglauben, ohne unsere zögernden Vorbehalte der feinen Abschattierungen.

Nicht nur im Religiösen, auch ihrer ganzen Anlage nach bis in die feinsten Verästelungen ihres Wesens sind sie ein Volk des Schwarz und Weiß; Ihr Denken fühlt sich nur wohl im Extremen. Sie bewegen sich am liebsten in Superlativen. Manchmal schien Unvereinbares ihren Geist erfaßt zu haben, das sie dann in verknüpfter Folge vorbrachten; aber sie suchten nie einen Ausgleich, führten die Logik mehrerer einander widersprechender Behauptungen bis zum unstimmigen Ende durch, ohne der Ungereimtheit gewahr zu werden. Mit kühlem Kopf und gelassenem Urteil, unerschütterlich ahnungslos ihrer Gedankengaloppaden, fielen sie aus einer Asymptote in die andere.

Sie waren ein geistig engbegrenztes Volk, dessen unentwickelte Verstandeskräfte in sorglosem Gleichmut brachlagen. Ihre Phantasie war lebhaft, doch nicht schöpferisch. Es gibt so wenig arabische Kunst in Asien, daß man fast sagen könnte, sie besaßen überhaupt keine, obwohl die Höherstehenden freigebige Gönner waren und stets alle Talente gefördert haben, die ihre Nachbarn oder Hörigen in der Architektur, in der Keramik oder in anderen Handwerkskünsten entfalteten. Sie schufen auch keine großen Industrien, dazu fehlte es ihnen an Organisationstalent. Sie erfanden keine philosophischen Systeme, keine gestaltreichen Mythologien. Zwischen Stammesidolen und Höhlengottheiten steuerte ihr Dasein dahin. Als ein Volk, das unter allen am wenigsten angekränkelt war, nahmen sie das Leben als eine unproblematische Gabe, die keiner Rechenschaft bedurfte. Es war für sie etwas Unabweisbares, dem Menschen zur unumschränkten Nutznießung zugeteilt. Selbstmord war unmöglich, der Tod nicht beklagenswert.

Sie waren ein Volk der Verkrampfungen, der plötzlichen Ausbrüche, der Ideen, eine Rasse des individuellen Genies. Ihre Entladungen wurden um so auffälliger durch den Gegensatz zur Gelassenheit ihres Alltags, ihre großen Männer erschienen größer durch den Gegensatz zum Allzumenschlichen der Masse. Der Instinkt bestimmte ihre Überzeugungen, die Intuition ihr Handeln. Ihre Haupttätigkeit bestand in der Herstellung von Glaubensbekenntnissen; sie besaßen geradezu ein Monopol auf Offenbarungsreligionen. Drei davon haben sich unter ihnen erhalten, von denen zwei auch (in abgeänderten Formen) zu nichtsemitischen Völkern gelangten. Das Christentum hat, nach seiner Übertragung in den Geist des Griechischen, Lateinischen und Germanischen, Europa und Amerika erobert. Der Islam hat in verschiedenen Abwandlungen Afrika und Teile von Asien unterworfen. Das waren die Erfolge der Semiten. Ihre Mißerfolge behielten sie für sich. Der Saum ihrer Wüsten war mit Trümmern von Glaubenslehren übersät.

Es ist bezeichnend, daß diese Reste gescheiterter Religionen gerade an den Grenzen zwischen Wüste und bebautem Land zu finden sind. Das weist auf die Entstehung all dieser Glaubenslehren hin. Sie stützten sich auf Behauptungen, nicht auf Beweisgründe, bedurften daher eines Propheten zur Verbreitung. Die Araber behaupten, daß es vierzigtausend Propheten gegeben hat; wir wissen von mindestens einigen hundert. Keiner von ihnen kam aus der Wüste; doch ihr aller Leben verlief nach dem gleichen Muster. Ihrer Geburt nach gehörten sie in volkreiche Ortschaften. Ein unverständlich leidenschaftliches Sehnen trieb sie in die Wüste hinaus. Dort lebten sie längere oder kürzere Zeit in Betrachtung und Einsamkeit; und von dort kehrten sie mit einer Botschaft zurück, die, wie sie meinten, ihnen zuteil geworden war, um sie früheren, nun zweifelnden Gefährten zu predigen. Die Gründer der drei großen Glaubenslehren haben alle diesen Kreis durchlaufen. Diese vielleicht zufällige Übereinstimmung erhält gesetzmäßigen Charakter durch die gleichlaufenden Lebensgeschichten der tausend anderen, die scheiterten, deren Berufung gewiß nicht weniger echt war, aber denen Zeit und Entnüchterung keine ausgedörrten Seelen aufgehäuft hatten, bereit, in Flammen gesetzt zu werden. Für die Grübler in den Städten ist der Drang in die Öde stets unwiderstehlich gewesen, wohl nicht, weil sie Gott dort fanden, sondern weil sie in der Einsamkeit mit größerer Klarheit die lebendige Stimme hörten, die sie in sich trugen.  - T. E. Lawrence, Die sieben Säulen der Weisheit. München 1979 (dtv 1456, zuerst 1922 u. ö.)

Glaube (4) Der Glaube hat ebenso wie die Wissenschaft die sichtbare Welt mit Eigenschaften ausgestattet, welche den blinden, unberechenbaren Zufall als Urheber allen Geschehens aus ihr verdrängen. Der Kampf des Guten mit dem Bösen, der in allen Religionen vorkommt, endet nicht in allen mit dem Triumph des Guten, aber er bestimmt die - und sei es als Verhängnis - erkennbare Ordnung des Daseins. Die Ordnung aller Dinge ist das Fundament sowohl des Sakralen wie des Profanen. Deshalb ist in keiner der historischen Religionen jemals der Zufall als höchste Instanz alles Seienden aufgetaucht, und deshalb auch hat die Wissenschaft sich so lange gesträubt, die ebenso schöpferische wie unberechenbare Rolle des Zufalls bei der Gestaltung der Wirklichkeit anzuerkennen. In den heiligen Büchern sämtlicher Religionen kommt das Wort »Zufall« nicht vor.  - Stanislaw Lem, Das Katastrophenprinzip. Frankfurt am Main 1983 (st 999)

Glaube (5)  Als Astrologiegläubiger hat Luther das Schwein von Landser nie vergessen können. Noch 1524 beteuerte er, dieses Monstrum sowie ein anderes, angeblich mit Frauenkörper und Eselskopf, das ans Tiberufer gespült worden sei, kündigten das Ende der Welt an.  - Colin Eisler, Dürers Arche Noah. Tiere und Fabelwesen im Werk von Albrecht Dürer. München 1996 (zuerst 1991)

Glaube (6) Eines Tages traf der Prinz Pico della Mirandola den Papst Alexander VI. bei der Kurtisane Emilia, während die Tochter des Heiligen Vaters, Lukrezia, in den Wochen lag und man in Rom nicht wußte, ob das Kind vom Papste war oder von seinem Sohn, dem Herzog Valentine, oder vom Gatten der Lukrezia, dem Alphons von Aragon, der für kraftlos galt. Die Unterhaltung begann recht munter; der Kardinal Bembo überliefert sie zum Teil. »Picolino«, sprach der Papst, »wer, glaubst du, ist der Vater zu meinem Enkel?« — »Ich glaube, es ist Euer Schwiegersohn«, erwiderte Pico. »O je! wie magst du solche Dummheit glauben?« - »Ich glaube es kraft des Glaubens.« - »Aber weißt du nicht, daß ein Schwächling keine Kinder machen kann?« — »Der Glaube«, gab Pico zurück, »läßt uns Dinge glauben, weil sie unmöglich sind; überdies heischt die Ehre Eures Hauses, daß Lukrezias Sohn nicht als Frucht einer Blutschande gelte. Macht Ihr mich doch manche Rätsel glauben, die viel unbegreiflicher sind. Muß ich denn nicht gewiß sein, daß eine Schlange geredet hat, daß seit jener Zeit alle Menschen verdammt waren, auch daß Bileams Eselin mit beredter Zunge sprach und daß Jerichos Mauern vom Trompetenschall umfielen?« Hurtig leierte Pico die Litanei aller Wunderdinge her, die er glaubte. Alexander lachte so gewaltig, daß er auf ein Sofa fiel. »Das alles glaube ich wie Ihr«, sprach er; »denn ich fühle wohl, daß nur der Glaube mich retten kann und niemals meine Werke.« -»Ach, Heiliger Vater«, entgegnete Pico, »Ihr habt weder gute Werke noch den Glauben nötig; all dies taugt nur uns armen Weltkindern; Ihr hingegen seid Gottes Vize und mögt glauben und tun, was immer Euch gefällt. Denn Ihr habt die Schlüssel zum Himmel, und Euch wird der heilige Petrus gewiß nicht die Tür vor der Nase zuschlagen. Was allerdings mich angeht, so gestehe ich Euch, daß mir eine mächtige Portion Gunst not täte, wenn ich armer Prinz mit meiner Tochter geschlafen und mich des Dolches und Fliegenpilzes so häufig bedient hätte wie Eure Heiligkeit.« Alexander VI. verstand Spaß. »Reden wir ernst«, sprach er zum Prinzen della Mirandola; »sagt mir, welches Verdienst sich erwerben läßt, wenn man Gott beteuert, solcher Dinge gewiß zu sein, deren man in Wahrheit nicht gewiß sein kann? Was für Vergnügen kann Gott daran finden? Unter uns: wer sagt, er glaube, was zu glauben unmöglich ist, der lügt.«

Pico della Mirandola schlug ein großes Kreuz. »O je! Gottvater«, schrie er, »Eure Heiligkeit mag mir vergeben: Ihr seid kein Christ!« — »Nein, so wahr ich glaube«, sprach der Papst. »Ich ahnte es«, sprach Pico della Mirandola.  - (vol)

Glaube (7)  Es gibt diejenigen, die nicht daran denken zu glauben, und die, die entdecken, daß sie glauben. Die ersteren machen die wahrhaft Gläubigen aus, wie Wilde oder Hexen. Die anderen sind die Jesuiten und die Intellektuellen, alle Köche, die die Zwischengerichte der Sicherheit zubereiten.

Diejenigen, die zu gestehen wagen, daß sie denken, wissen sehr gut, daß man nicht glauben kann. Werden sie halsstarrig, erlebt man klassisch verzweifelte Versuche (mit frenetischen Manifestationen): der Katholizismus Peguys (der sich übrigens nicht taufen läßt), die faschistische Psychose, die bolschewistische Dialektik und in allgemeiner Art die Agitation all dieser vom Teufel Besessenen, die das »Gute« wollen. Die Wissenschaft ist ein Opium, von dem man weniger Schlechtes redet, das aber sehr trügerisch ist, außer für Bürokraten des Glaubens. - Julien Torma, nach (jar)

Glaube (8) Verschiedenen Glaubens zu sein (»entzweit im Glauben« - di fè diverso] bedeutet im Furioso kaum mehr als die Verschiedenheit der Farben bei Schachfiguren. Die Zeiten der Kreuzzüge, in denen der karolingische Zyklus den symbolischen Wert eines Kampfes um Leben und Tod zwischen Christentum und Islam angenommen hatte, sind lange vorbei. Zwar scheint kein Fortschritt zu einem besseren Verständnis der »Anderen«, der »Ungläubigen« oder »Mauren« gemacht worden zu sein: man spricht von den Mohammedanern weiter als von »Heiden« und Götzenanbetern und unterstellt ihnen den Kult einer ausgefallenen mythologischen Trinität (Apollo, Macone und Trevigant). Doch was ihren Wert und ihre Zivilisiertheit angeht, werden sie auf gleicher Stufe wie die Christen dargestellt, fast ohne exotische Charakterisierung oder Kostümierung mit anderen Sitten und Bräuchen als denen des Okzidents (wie noch bei Boiardo, bei dem die Sarazenen ausgestreckt lagen »wie Hunde / Auf Teppichen; / Wie es ihr Brauch ist/ Entgegen den Sitten Frankreichs«}. Sie sind Feudalherren wie die christlichen Ritter, und sie unterscheiden sich nicht einmal durch Uniformen, wie es in modernen Armeen der Fall ist, denn hier bekämpfen die Gegner sich immer in den gleichen Harnischen und Helmen und Kettenhemden und eisernen Handschuhen. - (rol)

Glaube(n) (9)   Croire (Metaphysik). Glauben heißt von der Wahrheit einer Tatsache oder eines Satzes überzeugt sein, weil man sich nicht die Mühe der Prüfung gemacht hat oder weil man geprüft hat, & zwar schlecht oder gut. Nur im letzten Fall kann die Zustimmung entschieden sein & befriedigen. Man ist nur selten zufrieden mit sich selbst, wenn man keinen Gebrauch von seiner Vernunft gemacht hat oder wenn der Gebrauch, den man von ihr gemacht hat, schlecht ist. Wer glaubt, ohne einen Grund zum Glauben zu haben, fühlt sich auch dann, wenn er zufällig die Wahrheit gefunden hat, immer schuldig, weil er das wichtigste Vorrecht seiner Natur vernachlässigt hat, & kann sich nicht vorstellen, daß ein glücklicher Zufall die Verkehrtheit seines Verhaltens bemäntelt. Wer sich täuscht, obwohl er die Fähigkeiten seiner Seele in vollem Maße anwendet, kann sich selbst das Zeugnis ausstellen, daß er seine Pflicht als vernünftiges Geschöpf erfüllt hat. Es wäre ebenso verwerflich, etwas ohne Prüfung zu glauben, wie eine evidente oder klar bewiesene Wahrheit nicht zu glauben. Man hat also seine Zustimmung richtig gelenkt & sie so gebraucht, wie man soll, wenn man in allen Fällen & bei allen Dingen auf die Stimme seines Gewissens & seiner Vernunft gehört hat. Hätte man anders gehandelt, so hätte man gegen seine eigene Aufgeklärtheit gefehlt & Fähigkeiten mißbraucht, die uns nur zu dem Zweck gegeben sind, daß wir der größten Wahrscheinlichkeit folgen können. Diese Prinzipien kann man nicht bestreiten, ohne die Vernunft aufzuheben & den Menschen in arge Verwirrung zu stürzen. -  Diderot,  nach (enc)

Glaube (10)  

Glaube(n) (11)   Die Gefahr des Meskalins ist der Glaube, der unsinnige, unmittelbare, totale Glaube, den es einflößt, der Glaube, der die Besucher so überrascht, wenn sie die Geisteskranken reden hören: »Es ist nicht möglich, daß sie an ihre absurden Vorstellungen glauben.« Der Glaube ist genau das am wenigsten problematische Problem. Was erscheint nach der Erfahrung mit Meskalin natürlicher als der Glaube? Der Wahnsinn ist ein Teilbezirk des Glaubens. Hier läßt das Wort Abgrund nicht mit sich spaßen. Man kann sich nicht aushaken. So kann der Irre sich nicht aushaken. Hütet euch zu glauben.  - Henri Michaux, Turbulenz im Unendlichen. Die Wirkungen des Meskalins. Frankfurt am Main 1971

Glaube (14)  Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht.  - Hebräer, 11,1. Nach: Colin Dexter. Die Leiche am Fluß. Reinbek bei Hamburg 2002

Methode Religion
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Wissen

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Synonyme