itterbett Der Mittelpunkt in diesem Kreis meines Gemütlich-
und Gesichertseins war mein Schlafzimmer zwischen Küche und Opas Werkstatt.
Ja, man kann sagen: dieser Mittelpunkt hatte einen absoluten Mittelpunkt,
sozusagen das mathematische Pünktchen, das war mein Gitterbett, in dem
ich noch mit zehn Jahren schlief. Eine meiner Versionen von tiefster Gemütlichkeit
und Ganzundgar-Unangreifbarkeit war diese: ich liege im Ausgang einer nach
innen tief und weit und labyrinthisch verzweigten Höhle — mit ganz sinnlos
kreuz und quer gezogenen Gängen und vielen unterschiedlichen Schlafkesseln.
Natürlich auch mit vielen Ausgängen, die in den verschiedensten Gegenden
zutage führen: einer dahinten ziemlich tief im Flußtal nahe am Wasser;
einer vielleicht unter einem Felsbrocken just auf dem Hügel; mehrere kommen
in der Tannenschonung heraus und einer in der alten Kirchenruine unten
im Bischofsgrabgewölbe oder so; und noch ein nächster direkt an der Straße,
aber in einem hohlen Eichenstamm versteckt. Na — diese ganze Höhlenangelegenheit
ist so vielfältig und scheinbar sinnlos gefältelt wie ein geknufftes Plümo.
Und so muß es nämlich sein, damit alles Böse und Gefährliche, was ja auf
Plan und Vorsatz angewiesen ist und auf Ordnung gewissermaßen — damit also
das Böse, das Sinnvolle, gar nicht in meine Sicherheit einzudringen vermag.
Im Labyrinth meiner Gemütlichkeit würde es sich todsicher verirren und
verhungern und verdursten — ich brauchte mich gar nicht drum zu sorgen.
Ja — und das schauerlich-schönste Gefühl ist es dann, wenn ich derart in
einem solcher Ausgänge liege, daß ein winziges Vorrücken meine Nase ins
feindliche Draußen bringen würde — der verletzliche Leib aber vollkommen
vom schützenden Dunkel der Röhre bedeckt bleibt; daß also andersrum nur
ein kleines Zurück meine Nase ebenfalls wieder in die Dunkelheit und Unangreifbarkeit
brächte. Ja, so. Dieser konstruierte Ausblick auf eine gedachte Gefahr
aus wohlig empfundener Rückversicherung heraus: das war's, was »ungefährlich«
mein Schönstes war. -
(jan)
Gitterbett (2)
Gitterbett (3)
Gitterbett
(4)
Mit einem überaus seltenen Fall hatte sich im vorigen Frühjahr ein Richter
im Wiener Strafbezirksgericht zu befassen. Der aus dem Vorderen Orient stammende
Ledun E. hatte seine Gattin in einem Gitterbett nahezu drei Monate lang gemästet.
Um sich dem Vorhaben ganz widmen zu können, erbat Ledun einen sechswöchigen
Urlaub. Er ging einkaufen, verrichtete alle häuslichen Arbeiten, pflegte das
Kind und befaßte sich vor allem mit dem Kochen. Neben echt orientalischen Honig-
und Mandelkuchen erhielt Maryja auch Powidltatschkerln, fette Mohnnudeln und
den echten Wiener Kaiserschmarrn. Schon nach zehn Tagen hatte die junge Frau
eine Gewichtszunahme von drei Kilo zu verzeichnen. Da Maryja trotz strenger
Anweisung öfters das Ehebett verließ, mußte sie in das Gitterbett des Söhnchens
übersiedeln. Wenn Ledun die Wohnung verließ, befestigte er an dem Gitter ein
kleines Vorhängeschloß. Eine Nachbarin enthüllte den Vorgang, als Leduns kleiner
Sohn ihr ahnungslos Einlaß gewährte. Zu dieser Zeit wog Maryja bereits 89 Kilogramm.
Breit und wohlgerundet, so daß sie fast das Kinderbett sprengte, saß sie im
Bett und verzehrte einen Teller Himbeerreis. Polizeibeamte holten am Nachmittag
den Orientalen ab, als er eben mit hoher Kochmütze am Kopf die üppigen Zutaten
zur Herstellung von Salzburger Nockerln mischte. Nach der Einvernahme seiner
in Decken gewickelten Gattin (kein Kleid paßte ihr mehr) wurde das Verfahren
eingestellt, weil Maryja immer wieder beteuerte, sie wäre jetzt, nachdem sie
ihres Mannes größten Wunsch erfüllt habe, glücklicher als je zuvor. -
(oko)
Gitterbett (5)
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