Gipfelstürmer 

Futuristen!

- Hört, große flammenschleudernde Dichter, Brüder!... Hört! PAOLO BUZZI, FEDERICO DE MARIA, ENRICO CAVACCHIOLI, CORRADO GOVONI, LIBERO ALTOMARE! Verlassen wir Paralysia, zerstören wir Podagra! Wir wollen den großen futuristischen Schienenweg auf den Gaurisankar, den Gipfel der Welt, legen!

Wir verließen die Stadt mit einem geschmeidigen, sicheren Schritt, der tanzen wollte und Hindernisse suchte. Um uns und in unseren Herzen die gewaltige Trunkenheit der alten europäischen Sonne, die zwischen weinfarbenen Wolken einhertorkelte. Ja, sie schlug uns mit ihrer purpurtropfenden Fackel mitten ins Gesicht, dann zerplatzte sie, indem sie sich selbst ins Unendliche ausspie.

Wirbel feindlichen Staubes; blindmachende Verschmelzung von Schwefel, Kali und Salzen für die Kirchenfenster des Idealen! ... Guß eines neuen Sonnenglobus! ... Bald werden wir ihn sehen!

- Feiglinge! Feiglinge ... rief ich aus und wandte mich an die Bewohner von Paralysia, die sich unten in Massen stauten, eine Masse von irisierenden Kugeln für unsere Zukunftskanonen...

»Feiglinge! Feiglinge! ... Was schreit ihr denn wie bei lebendigem Leibe geschundene Iltisse?... Fürchtet ihr, daß wir eure Hütten einäschern?... Noch nicht! Wir müssen uns doch wohl im nächsten Winter Heizmaterial besorgen! Inzwischen sprengen wir alle Traditionen in die Luft wie wurmstichige Brücken! ... Krieg? Gewiß! ... Unsere einzige Hoffnung, unsere Existenzberechtigung und unser Wille... Ja, der Krieg! Gegen euch, die ihr zu langsam sterbt, und gegen alle Toten, die unseren Weg versperren!...

»Gewiß, unsere Nerven fordern den Krieg und verachten die Frauen! Sicherlich, denn wir fürchten ihre blumenrankigen, urn die Knie am Morgen des Abschieds geschlungenen Arme! Was gehen uns die Frauen an, die häuslichen, die Invaliden, die Kranken und alle klugen Ratgeber? Ihrem unbeständigen, von düsteren Kämpfen zitternden Schlummer und schreckniszerschnittenen Leben ziehen wir den gewaltsamen Tod vor, wir verherrlichen ihn als den einzigen, der des Menschen würdig ist, des Raubtieres würdig ist. Wir wollen, daß unsere Kinder fröhlich ihrer Laune folgen, brutal den Greisen sich entgegensetzen und auf das pfeifen, was die Zeit geheiligt hat. Das empört euch?... Ihr pfeift mich aus? ... Lauter! ... Ich habe die Beleidigung nicht verstanden! ... Stärker! ... Was? Ehrgeizig?... Natürlich!... Wir sind ehrgeizig, denn wir wollen uns nicht an eurem stinkenden Fell reiben, schlamrnfarbene, übelriechende Herde, die auf den alten Wegen der Erde einhertrottet!.... Aber »ehrgeizig« trifft die Sache nicht auf den Kopf... Wir sind eher junge, trunkene Artilleristen... Und wohl oder übel müßt ihr eure Trommelfelle an den Lärm unserer Kanonen gewöhnen!...  - F. T. Marinetti 1909, nach: Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909-1938). Hg. Wolfgang Asholt, Walter Fähnders. Stuttgart Weimar 1995

 

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