impelfang   Sie entwand ihre Handgelenke den Fingern Spades, legte ihm die Hände vm den Nacken und zog seinen Köpf herab, bis sein Mund fast den ihren berührte. Von den Knien bis zur Brust lag ihr Körper flach gegen den seinen. Er legte die Arme um sie und hielt sie fest an sich. Ihre dunkelbewimperten Lider hingen halb über samtene Augen herab. Ihre Stimme war gedrückt, bebend: »Ich hab's nicht gewollt zuerst. Wirklich, ich hab's nicht gewollt. Ich habe bloß das gewollt, was ich dir erzählt habe, aber als ich sah, daß Floyd sich keine Angst einjagen ließ, da hab' ich —«

Spade klatschte sie auf die Schulter. Er sagte: »Das ist gelogen! Du hast Miles und mich gebeten, wir sollten die Sache persönlich in die Hand nehmen. Du wolltest sicher sein, daß der Beschatter Jemand war, den du kanntest und der dich kannte - damit er mit dir mitginge. Du hast an dem Tage - an dem Abend - das Schießeisen von Thursby gekriegt. Du hattest das Appartement im ›Coronet‹ schon gemietet. Du hattest schon Koffer dort und keine im Hotel, und als ich mir das Appartement mal anschaute, fand ich eine Mietquittung, ausgestellt fünf oder sechs Tage vor dem Datum, das du mir angegeben hattest.«

Sie schluckte mit Mühe, und ihre Stimme war kleinlaut. »Ja, es ist gelogen, Sam. Ich hatte wohl die Absicht für den Fall, daß Floyd ... Ich - ich kann dir nicht ins Gesicht sehen und es dir sagen, Sam.« Sie zog seinen Kopf noch weiter heran, bis ihre Wange an seiner Wange lag, ihr Mund an seinem Ohr, und flüsterte: »Ich wußte, Floyd würde sich nicht so leicht Angst einjagen lassen, aber ich dachte, wenn er wüßte, daß jemand ihn beschattet, würde er entweder - - Ach, ich kann's nicht sagen, Sam!« Sie klammerte sich an ihn, schluchzend.

Spade sagte: »Du dachtest, Floyd würde auf ihn losgehen, und einer von beiden würde zu Fall kommen. Wenn es Thursby war, dann wärst du ihn losgewesen. Wenn es Miles war, dann hättest du dafür sorgen können, daß Floyd geschnappt würde, und du wärst ihn auch losgewesen. War's so?«

»U - ungefähr so.«

»Und als du gemerkt hast, daß Thursby gar nicht auf ihn losgehen wollte, hast du dir das Schießeisen geborgt und es selber gemacht. Stimmt's?«

»Ja — aber nicht ganz.«

»Na, immerhin so gut wie ganz. Und diesen Plan hast du von Anfang an in petto gehabt. Du hast gedacht, Floyd würde wegen des Mordes festgenommen werden.«

»Ich - ich dachte, sie würden ihn wenigstens so lange festhalten, bis Kapitän Jacobi mit dem Falken angekommen wäre, und -«

»Und du wußtest da noch nicht, daß Gutman hier war und dir auf die Spur zu kommen suchte. Das hast du nicht geahnt - sonst hättest du deinen Revolverhelden nicht abgetan. In dem Augenblick, als du hörtest, daß Thursby ermordet war, wußtest du, daß Gutman hier war. Da wußtest du auch, daß du einen anderen Beschützer brauchtest, und da bist du zu mir zurückgekommen. Stimmt's?«       

»Ja, aber - ach, Liebster! - es war doch nicht bloß das. Ich wäre früher oder später doch zu dir zurüdigekommen. Vom ersten Augenblick an, als ich dich sah, wußte ich -«

Spade sagte zärtlich: »Du Engel! Na, wenn du Schwein hast, bist du in zwanzig Jahren aus San Quentin raus und kannst dann wieder zu mir zurüdkkommen.«

Sie nahm die Wange von der seinen, legte den Kopf weit zurück und starrte ohne Verständnis zu ihm empor.

Er war bleich. Er sagte zärtlich: »Ich hoffe sehr, Liebling, daß sie dich nicht aufhängen an deinem süßen kleinen Hals.« Er ließ seine Hände hinaufgleiten und streichelte ihr den Hals.

Mit einem Schlage war sie aus seinen Armen. Den Rücken gegen den Tisch, sank sie zusammen und bedeckte mit beiden Händen ihren Hals. Ihre Augen funkelten wild, ihr Gesicht war verstört.

Ihr trockener Mund öffnete und schloß sich .Sie sagte mit kleiner, verdorrter Stimme: »Du willst doch nicht -« Mehr konnte sie nicht herausbekommen.

Spades Gesicht war jetzt gelbweiß. Sein Mund lächelte, und Lächelfältchen waren um seine glitzernden Augen. Seine Stimme war weich, sanft. Er sagte: »Ich laß dich hochgehen. Vermutlich kommst du mit LebenslänglIch davon. Das heißt, in zwanzig Jahren bist du wieder draußen. Du bist ein Engel. Ich werde auf dich warten.« Er räusperte sich. »Wenn sie dich aufhängen, werde ich immer an dich denken.«

Sie ließ die Hände sinken und stand aufrecht da. Ihr Gesicht wurde glatt und unbekümmert, bis auf ein ganz schwaches Blinken des Zweifels in ihren Augen. Sanft lächelte sie zu ihm zurück. »Nicht doch, Sam, auch im Spaß darfst du das nicht sagen! Oh, du hast mir für einen Augenblick wirklich Angst gemacht! Ich dachte wahrhaftig, du... Du weißt doch, du machst solche wilden und unberechenbaren Sachen, daß man - « Sie brach ab. Sie starrte ihm tief in die Augen. Ihre Wangen und das Fleisch um den Mund herum bebten, und Furcht trat wieder in ihre Augen. »Was -? Sam!« Sie legte die Hände wieder an den Hals und verlor ihre aufrechte Haltung.

Spade lachte. Sein gelbweißes Gesicht war schweißfeucht, und obwohl er das Lächeln bewahrte, konnte er doch nicht die Sanftheit seiner Stimme bewahren. Er krächzte: »Mach keinen Blödsinn! Du löffelst die Suppe aus. Einer von uns muß sie auslöffeln - wenn diese Burschen geredet haben werden. Mich würden sie bestimmt hängen. Du kommst vielleicht besser weg. Also?«

»Aber - aber Sam! Du kannst doch nicht! Denk mal, was wir füreinander gewesen sind! Du kannst doch nicht -« »Bildest du dir ein!«

Sie zog einen langen, zitternden Atemzug ein. »Hast du mit mir gespielt? Mir bloß was vorgemacht - um mich so in die Falle zu locken? Du warst gar nicht — mit dem Herzen dabei? Du hast mich :- du liebst mich gar nicht?«

»Ich glaube ja«, sagte Spade. »«Aber was macht das aus?« Die Muskeln, die sein Lächeln festhielten, traten dick heraus. »Ich bin nicht Thursby. Ich bin nicht Jacobi. Ich will nicht den Dummen für dich spielen.«

»Das ist ungerecht«, rief sie Tränen traten ihr in die Augen. »Es ist unfair. Es ist gemein von dir. Du weißt, daß es das nicht gewesen ist. Du kannst das nicht sagen.«

»Bildest du dir ein!« sagte Spade. »Du bist zu mir ins Bett gekommen, um mir dieses lästige Fragemaul zu stopfen. Du hast mich gestern für Gutman mit diesem falschen Hilferuf angeschmiert. Gestern abend bist du mit ihnen hergekommen und hast draußen auf mich gewartet und bist mit mir reingekommen. Du warst in meinen Armen, als sie die Falle haben zuschnappen lassen - ich hätte keine Pistole rausholen können, selbst wenn ich eine bei mir gehabt hätte, und hätte mich auf keinen Kampf einlassen können, selbst wenn ich gewollt hätte. Und wenn sie dich nicht mitgenommen haben, als sie weggingen, dann bloß, weil Gutman zu gewitzt ist, um dir zu trauen - es sei denn für kurze Teilstrecken, wenn's mal nicht anders geht -, und weil er dachte, ich würde den Dummen für dich spielen, würde dir nicht weh tun wollen und daher auch ihm nicht weh tun können.«

Brigid O'Shaugnessy zwinkerte sich die Tränen fort. Sie trat einen Schritt auf ihn zu und stand da, ihm in die Augen blickend, stolz und aufrecht. »Du hast mich eine Lügnerin genannt«, sagte sie. »Jetzt lügst du selber. Du lügst, wenn du sagst, daß du nicht - trotz allem, was ich getan habe - doch im tiefsten Herzen wußtest, daß ich dich liebe.«

Spade machte eine kurze, unvermittelte Verbeugung. Seine Augen liefen blutig an, aber sonst änderte sich nichts in seinem feuchten und gelblichen, maskenhaft lächelnden Gesicht. »Vielleicht ja«, sagte er. »Aber was macht das aus? Ich soll dir trauen? Dir, die du diesen hübschen kleinen Streich für - für meinen Vorgänger Thursby angezettelt hast? Dir, die du Miles umgelegt hast, einen Mann, gegen den du gar nichts hattest, so ganz kaltblütig, wie man eine Fliege totschlägt - bloß um Thursby einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen? Dir, die du Gutman, Cairo, Thursby Knüppel zwischen die Beine geworfen hast - eins, zwei, drei! Dir, die du mir nicht ein einziges Mal, solange ich dich kenne, eine halbe Stunde hintereinander reinen Wein eingeschenkt hast? Ich soll dir trauen? Nein, nein, mein Kind! Ich tät's nicht, selbst wenn ich's könnte! Warum sollte ich?«

Ihre Augen hielten den seinen stand, und auch ihre Stimme hielt stand, als sie erwiderte; »Warum solltest du? Wenn du bloß mit mir gespielt hast, wenn du mich nacht liebst, dann gibt's keine Antwort darauf. Und wenn du mich liebtest, wäre keine Antwort nötig.«

Blutige Äderchen zogen sich jetzt über Spades Augen, und sein lange festgehaltenes Lächeln war zu einer fürchterlichen Grimasse geworden. Er räusperte sich heiser und sagte: »Reden zu halten, hat jetzt gar keinen Sinn.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Hand bebte und zuckte. »Mir ist gleich, wer wen liebt. Ich werde nicht den Dummen für dich spielen. Ich will nicht in die Fußstapfen von Thursby und Gott weiß wem sonst noch treten. Du hast Miles ermordet, und dafür zahlst du. Ich hätte dir helfen können, indem ich die andern hätte laufen lassen und die Polizei so wenig wie möglich informiert hätte. Dafür ist es jetzt zu spät. Ich kann dir jetzt nicht mehr helfen. Und wenn ich könnte, würde ich nicht.«

Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Dann hilf mir nicht«, flüsterte sie, »aber tu mir nicht weh. Laß mich jetzt gehen!«

»Nein«, sagte er. »Ich bin erledigt, wenn ich dicht nicht den Polizeibeamten übergeben kann, sobald sie kommen. Das ist das einzige, was mich davor bewahrt, mit den anderen unter die Räder zu kommen.«

»Du willst das nicht für mich tun?«

»Ich will nicht den Dummen für dich spielen.«

»Sag das nicht, bitte!« Sie nahm seine Hand von ihrer Schulter und rührte sie an ihr Gesicht. »Warum mußt du mir das antun, Sam? Mr.Archer kat dir doch bestimmt nicht so viel bedeutet wie -«

»Miles«, sagte Spade heiser, »war ein Rabenaas. Das hab' ich gleich in der ersten Woche gemerkt, als wir das Geschäft zusammen hatten, und ich hatte vor, ihn rauszuschmeißen, sobald das Jahr um war. Du hast mir kein bißchen Schaden zugefügt, indem du ihn ermordet hast.«

»Aber was dann?«

Spade zog seine Hand aus der ihren. Sein Lächeln war fort, seine Grimasse war fort. Sein feuchtes, gelbes Gesicht war in harte Züge gepreßt, von tiefen Linien durchzogen. Seine Augen brannten zornig. Er sagte: »Hör mal zu! Das hat alles keinen Zweck. Du wirst mich nie verstehen, aber ich will's trotzdem noch einmal versuchen, und dann geben wir's auf. Hör zu! Wenn jemandem sein Kompagnon ermordet wird, so muß er was dagegen tun. Es spielt dabei keine Rolle, wie gut man ihn, hat leiden mögen. Er ist nun mal Kompagnon gewesen, und man muß was dagegen tun. Nun sind wir zufällig in der Detektivbranche. Also, wenn einer von meiner  Firma ermordet wird, so ist es schlechte Reklame, wenn man den Mörder davonkommen läßt. Es ist schlecht auf der ganzen Linie - schlecht für diese eine Firma, schlecht für alle Detektive miteinander. Drittens: Ich bin Detektiv, und wenn man von mir erwartet, daß ich Verbrechern auf die Spur komme und sie dann laufen lasse, so ist das, als wenn man von einem Hund verlangt, daß er einen Hasen fängt und ihn laufen läßt. Man kann's machen, gewiß, und manchmal wird's gemacht, aber der natürliche Lauf ist es nicht. Ich hätte dich nur unter der Voraussetzung laufen lassen können, daß ich auch Gutman und Cairo und den Jungen hätte laufen lassen. Das —«

»Das ist doch nicht dein Ernst«, sagte sie. »Du erwartest doch nicht von mir, daß ich dies Zeug, das du da sagst, für einen ausreichenden Grund halte, mich an den Gal -«

»Warte, bis ich ausgeredet habe, und dann kannst du sprechen. Viertens: Ganz gleich, was ich jetzt etwa tun möchte - es wäre mir absolut unmöglich, dich laufen zu lassen, ohne mich Selbst mit den andern zusammen an den Galgen schleppen zu lassen. Ferner: Ich habe keinerlei Grund, anzunehmen, ich könnte dir trauen, und wenn ich das jetzt täte und damit davonkäme, so hättest du etwas, was du jederzeit gegen mich gebrauchen könntest, wenn es dir ins Konzept paßt. Das sind schon fünf Punkte. Der sechste wäre: Da ich ja auch was habe, das ich gegen dich gebrauchen könnte, wäre ich nicht sicher, ob du nicht auch mich eines Tages perforieren würdest. Siebentens: Mir ist schon der Gedanke unangenehm, es könnte auch nur ein Prozent Möglichkeit geben, daß du mich für dumm genug gehalten hättest, mich von dir ausnutzen zu lassen. Und achtens - aber das reicht schon! Alle diese Punkte auf einer Seite!  Manche davon mögen unwichtig sein. Ich will darüber nicht streiten. Aber sieh dir an, wie viele es sind! Na, und auf der andern Seite haben wir — was? Alles, was wir dort haben, ist, daß du mich vielleicht liebst und ich dich vielleicht liebe.«

»Du weißt doch«, flüsterte sie, »ob du mich liebst oder nicht.«

»Ich weiß es nicht. Es ist freilich nicht schwer, sich alle zehn Finger nach dir zu lecken.« Er betrachtete sie gierig - von ihren Haaren bis zu ihren Füßen und wieder hinauf bis zu ihren Augen.  »Aber ich weiß nicht, wieviel das ausmacht. Weiß man das überhaupt jemals? Aber selbst angenommen, ich liebte dich - was tut das? Nächsten Monat liebe ich dich vielleicht nicht mehr. Ich hab's schon früher erlebt und es hat oft nicht mal so lange gedauert, und was dann? Dann werde ich denken, daß ich den Dummen gespielt habe. Und wenn ich's täte und die Strafe dafür einsteckte, darin wüßte ich genau, daß ich der Dumme gewesen bin. Nun, wenn ich dich hochgehen lasse, dann wird's mir schrecklich leid tun, ich werd ein paar schlechte Nächte haben - aber das geht vorbei. Hör zu!«

Er ergriff sie bei den Schultern, bog sie zurück und beugte sich über sie. »Wenn du das alles nicht begreifen kannst, dann laß es sein, und wir sagen so: Ich werde es nicht tun, weil alles in mir sagen möchte: Pfeif auf die Folgen und tu's, und weil - der Teufel hol dich -, weil du darauf bei mir gerechnet hast, genau wie du bei den andern darauf gerechnet hast.« Er zog die Hände von ihren Schultern und ließ sie an seiner Seite herunterfallen.

Sie legte ihm die Hände an die Wangen und zog sein Gesicht wieder zu sich herab. »Sieh mich an«, sagte sie, »und sag mir die Wahrheit: Hättest du mir das angetan, wenn der Falke echt gewesen wäre und du das Geld bekommen hättest?«

»Ist das nicht jetzt ganz gleichgültig? Sei nur nicht zu sicher, daß ich so verworfen bin, wie es scheinen mag! Diese Art von Reputation ist vielleicht ein gutes Geschäft - bringt gutbezahlte Aufträge ein und macht es leichter, mit dem Feinde zu verhandeln.«

Sie blickte ihn schweigend an.

Er bewegte die Schultern ein wenig und sagte: »Na, ein Haufen Geld wäre wenigstens noch ein weiterer Posten auf der andern Seite der Rechnung gewesen.«

Sie brachte ihr Gesicht empor zu seinem Gesicht. Ihr Mund war leicht geöffnet, die Lippen ein wenig vorgestülpt. Sie flüsterte: »Wenn du mich liebtest, brauchtest du nichts weiter auf dieser anderen Seite.«

Spade setzte die Kanten der Zähne aufeinander und sprach durch sie hindurch: »Ich will nicht den Dummen für dich spielen.«

Sie legte den Mund an den seinen, langsam, die Arme um ihn, und kam in seine Arme. Sie lag in seinen Armen, als es an der Tür klingelte. - Dashiell Hammett, Der Malteser Falke. München o. J. (Goldmann, ca. 1966, zuerst 1930)


Fangen Gimpel

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