ifthauch
Durch sein empfindliches, beständig Beachtung und Nachsicht heischendes Wesen
auf den Verkehr mit Frauen hingewiesen, wußte Clemens Brentano sich
doch fast nie in ein gutes, würdiges Verhältnis mit ihnen zu setzen. »Ich bin
in meinem Leben«, schrieb er in späteren Jahren, »nur drei Frauen begegnet,
in deren Nähe die Furien ihren Gepeinigten verließen«. Die eine von diesen war
jedenfalls die Frau seines ältesten Bruders, Antonie, die durch ihre fast mütterliche
Stellung zu ihm wie durch ihr edel harmonisches Wesen jede Einmischung der Sinnlichkeit
verbot; als zweite mag er an seine eigene Frau, Sophie Mereau, gedacht haben
und schließlich an Louise Hensel, die, sei es nach gemachten Erfahrungen, sei
es durch natürliche Anlage, jede andere als rein freundschaftliche Annäherung
von Männern zurückwies. Wehe aber solchen Frauen, die durch Schwäche die Triebe
seiner hitzigen Natur freiwerden ließen. Mit der Sinnlichkeit wuchsen in ihm
Grausamkeit, Zerstörungslust und jede feindselige Gewalt, und kam noch gekränkte
Eitelkeit hinzu, konnte er sich dann so bösartig benehmen wie jenem armen Mädchen
gegenüber, das ihn, um einen begüterten Mann zu heiraten, verlassen und in der
Ehe kein Glück gefunden hatte; obgleich er sie zu einer Zeit wiedersah, wo er
selbst das schönste Liebesglück seines Lebens genoß, ruhte er nicht, bis er
ihr die Größe ihres Elends recht zum Bewußtsein gebracht hatte und sie in Tränen
ausbrach, worauf er sich zufrieden und so recht im Innern vergnügt zurückzog.
Andere dagegen, die immer in überlegener Zurückhaltung blieben, konnten, sogar
wenn er ihnen vergebliche Huldigungen dargebracht hatte, gute Beziehungen zu
ihm erhalten, so die Günderode; sie fühlte sich durch den schwülen Gifthauch
seiner kranken Seele peinlich berührt und hielt ihn, bei aller Gerechtigkeit,
die sie ihm milde widerfahren ließ, in heilsamer Entfernung. Den Lebensbalsam,
den er für andere habe, verglich sie einem geistigen Öl in einem verschlossenen
Gefäße: nur wenig verbreitet erquicke und belebe es, ganz geöffnet sei es tödlich
und verzehre sich selbst. -
Ricarda Huch, Die Romantik. Blütezeit, Ausbreitung und Verfall. Tübingen 1951
(zuerst 1899-1902)
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