ewitter Die Sonnengewitter erzeugen Eisen usw., die Mondgewitter Wasser. Insofern nun das Eisen des Feuers Sohn ist, und das Organische die Indifferenz von Feuer und Wasser, insofern ist es auch wahr, daß organische Gewitter, solche, wo sich Organisches erzeugt, Sonnenmondgewitter sein müssen. Es ist die Aktion der galvanischen Kette, welche einen Leib annimmt. Das Licht im Sonnengewitter wird zu Eisen, die Finsternis im Mondgewitter zu Wasser. War das Gewitter ein Begattungsprozeß von Licht und Finsternis, so wird aus dem transparenten Funken Organisches. - (rit)

Gewitter (2) Das Ungeheuer trat aus dem Regen.

Das Ungeheuer hatte tausend elektrische, blauweiße Beine. Sein Gang war rasch und furchtbar. Überall, wo es ein Bein mit schrecklicher Gewalt zu Boden fallen ließ, stürzte ein Baum und ging in Flammen auf. Durchdringender Geruch nach Ozon erfüllte die regnerische Luft, Rauch stieg auf und wurde vom Regen niedergeschlagen. Das Ungeheuer war eine halbe Meile breit und eine Meile hoch und tastete den Boden wie ein riesiges, blindes Geschöpf ab. Manchmal hatte es einen Augenblick lang überhaupt keine Beine. Dann wieder peitschten plötzlich tausend Schläge aus seinem Wanst, bläulich-weiße Schläge, die dem Dschungel tiefe Wunden schlugen.

»Dort kommt das Gewitter«, sagte einer der Männer, »das unsere Kompasse abgelenkt hat. Es zieht auf uns zu.«

»Alle hinlegen«, ordnete der Leutnant an.

»Fort!« schrie Simmons.

»Seid keine Narren. Legt euch hin. Es trifft stets die höchsten Punkte. Vielleicht kommen wir unversehrt durch. Werft euch ungefähr fünfzehn Meter von der Rakete entfernt zu Boden. Möglicherweise wird es dort seine ganze Kraft austoben und uns verschonen. Hinwerfen!«

Die Männer ließen sich fallen.

»Kommt es?« fragte einer den anderen nach einem Augenblick.

»Es kommt.«

»Wie nahe schon?«

»Etwa zweihundert Meter.«

»Und jetzt?«

»Es ist da!«

Das Ungeheuer stand über ihnen. Es sandte zehn blauweiße Blitzstrahlen aus, die auf die Rakete prasselten. Die Rakete leuchtete auf und hallte wie ein angeschlagener Gong. Das Ungeheuer schickte fünfzehn weitere Strahlen herab, die in einer grausigen Pantomime umhertanzten und den Dschungel und den wäßrigen Boden abtasteten.

»Nein, nein!« Einer der Männer sprang auf. »Hinwerfen, Sie Narr!« rief der Leutnant. »Nein!«

Noch etwa zwölf Blitze schlugen in die Rakete. Der Leutnant drehte den Kopf auf seinem Arm zur Seite und sah die grellen, blauweißen Strahlen. Er sah die Bäume splittern und zusammenschrumpfen. Er sah die ungeheure, schwarze Wolke sich wie eine Scheibe über ihren Köpfen drehen und hundert weitere Pfeile geballter Elektrizität herabschleudern.

Der Mann, der aufgesprungen war, lief jetzt wie durch eine gewaltige Säulenhalle. Er rannte geduckt zwischen den Säulen hindurch, bis schließlich ein Dutzend davon auf ihn niederschlugen und ein Geräusch ertönte, wie wenn eine Fliege auf dem Drahtgitter eines elektrischen Insektenvertilgers landete. Der Leutnant erinnerte sich daran aus seiner Kindheit auf einer Farm. Der Geruch verkohlten Fleisches wehte herüber.

Der Leutnant senkte seinen Kopf. »Nicht hochblicken!« rief er den anderen zu. Er hatte Angst, daß er selbst jeden Moment aufspringen und losrennen könnte.

Das Gewitter über ihnen ließ noch eine Serie Blitze herabprasseln und wanderte weiter. Nur der Regen blieb, der rasch die Luft von dem brandigen Geruch reinigte, und einen Augenblick später hatten die drei übriggebliebenen Männer sich hingesetzt und warteten darauf, daß ihr Herzschlag wieder ruhiger wurde.

Sie gingen zu dem Körper hinüber, in der Hoffnung, vielleicht noch das Leben des Mannes retten zu können.

Der Körper war verdreht und hart wie in verbranntes Leder gewickelter Stahl. Er sah aus wie eine Wachsfigur, die man in einen Bestattungsofen geschoben und herausgezogen hatte, nachdem das Wachs bis auf das verkohlte Skelett geschmolzen war. Nur die Zähne waren weiß geblieben und glänzten wie ein fremdartiges weißes Armband in einer halbgeschlossenen schwarzen Faust.

»Er hätte nicht aufspringen dürfen«, sagten alle fast wie aus einem Munde.

Noch während sie neben dem Körper standen, begann er zu verschwinden, denn die Vegetation kroch von allen Seiten herüber ihn; kleine Schlinggewächse, Ranken und Kriechpflanzen, und sogar Blumen erblühten für den Toten.

In der Ferne zog das Gewitter auf blauweißen Stelzen ab. - Ray Bradbury, Der illustrierte Mann. München 1972 (Heyne 3057)

Gewitter (3)  Schon seit einer ganzen Weile hatte ich das Empfinden, daß um mich herum etwas Sonderbares vorging; aber erst jetzt vernahm ich dieses Klirren, das aus unserer Nähe kommen mußte. Ich blickte auf mein Handgelenk - und erschrak. Ich trug dort einen Magnetkompaß, den ich bis jetzt nicht benutzt hatte, da der Girokompaß viel zuverlässiger war. Gewöhnlich leuchtete seine Nadel wie ein phosphoreszierender kleiner Pfeil. Jetzt aber hatte sie sich in eine kreisrunde, verschwommene helle Scheibe verwandelt, die mit unerhörter Geschwindigkeit um ihre Achse wirbelte und dabei ein leises, aber scharfes Geräusch von sich gab. »Sehen Sie nur, Professor...«

In diesem Augenblick zeigte sich zwischen den Wolken ein rasch wieder verschwindendes Aufblitzen. Reglos, silbrig, wie die aufgeschlitzten Bäuche toter Fische hingen die Wolken in das Dunkel. Ein gespenstisches Licht lag über dem Boden.

Alles um uns herum schien zu schmelzen, zu zerfließen. Die Atmophäre nahm ein wunderliches Aussehen an. Schwankende Bündel faltiger Säulen breiteten sich aus, wuchsen in die Höhe und wurden zu Quellen eines mattsilbernen Wetterleuchtens. Bald blitzte es hier, bald blitzte es dort. Bald flammten tiefere, dann wieder höhere Dunstschichten lautlos auf. In dem Flattern grauer Schatten und gelblichen Lichtes kreisten feurige Büschel und Kugeln und sanken in einem Strahlenkreuz violetter Funken langsam zu Boden. Unwillkürlich verlangsamten wir unsere Schritte. Ich hörte, wie Arsenjew zu Rainer sagte, daß diese Erscheinung eine Art elektromagnetisches Gewitter sei.

»Beachten Sie nur das rhythmische Erlöschen!«

Die Umdrehungen der Kompaßnadel waren noch schneller geworden. Nach einigen Sekunden änderte sich jedoch die Drehrichtung, und dieses Überspringen von der einen in die andere war von einem Erlöschen des gespenstischen Dämmerlichtes begleitet. Hoch droben zogen die Wolken. Sie waren so hell, daß man sie durch den Nebel sehen konnte. Es herrschte eine beklemmende Stille. Sie schien nichts Gutes zu bedeuten. Arsenjew hatte sein Gespräch mit Rainer unterbrochen. Wir machten halt. Das Licht wurde schwächer. Es sah aus, als zerstreute es sich herabsinkend über den Boden, während die höheren Schichten der Atmosphäre immer mehr in das Dunkel rückten.

Die Luft um uns verharrte weiter in schweigender Bewegungslosigkeit. Aus den höchsten Höhen aber drang ein anfangs sehr, sehr weit entferntes Brausen, das in ein tiefes Brummen überging.

»Ich fürchte, wir werden in die Schlucht zurückkehren müssen«, sagte Arsenjew.

Wir standen noch da, unschlüssig, was wir tun sollten, da zerriß ein Heulen die Luft, als käme ein Flugzeug im Sturzflug herunter. Der Nebel geriet in Bewegung, wogte durcheinander, begann zu fließen. Die letzten Herde elektrischer Entladungen erloschen. Mitten aus der Finsternis traf uns ein jäher, gewaltiger Windstoß, der uns fast zu Boden warf. Wir hielten uns gegenseitig an den Händen gepackt. Jemand schaltete seinen Reflektor ein. In dem Lichtkegel sahen wir, daß sich der Nebel nicht mehr ballte, sondern wie Ströme trüben Wassers, die aus einer geöffneten Schleuse schießen, vorbeijagte.

Keiner von uns sprach ein Wort. Wir kehrten um und liefen, von furchtbaren Böen gehetzt, stolpernd, stürzend und mühsam wieder emportaumelnd, zurück zur Schlucht. Durchdringend pfiff der Sturm in den Antennen der Helme. Die Luft, die hart wie ein geblähtes Tuch geworden war, schlug an unsere Schultern und knatterte in den Falten unserer Kombinationen. Ich weiß nicht, wie lange wir so weitergerast sind, weiter, bis vor uns in der Finsternis der Schemen einer Wolke auftauchte, die, an einer Stelle verharrend, mit schwindelerregender Geschwindigkeit um sich selbst kreiste. Es war ein Wirbel von verdichtetem Nebel, der zwischen den Rändern der Schlucht entstanden war. Je tiefer wir hinabstiegen, um so schwächer wurde der Sturm. Seine unsichtbaren Wutausbrüche über der Felsschlucht knatterten wie ein Segel, das plötzlich Wind fängt. Mühsam tasteten wir uns bis zu einem Felsüberhang. Der Nebel wallte wie siedendes Wasser. Über uns, auf der Ebene, die nun in Finsternis getaucht lag, ertönte durchdringendes Heulen, Winseln, Krähen und Gelächter, als kämpften dort Rudel von Hyänen und Schakalen miteinander. Dann war auf einmal alles in grellweißem Licht überstrahlt, als hätte glühendes Quecksilber den Nebel verdrängt. Ein heftiger Donner folgte. Es dröhnte, als wäre eine schwere Falltür über uns zugeschlagen worden. Gleichzeitg spürte ich ein leichtes Trommeln auf meinen Händen und Armen. Schräg vorbeihuschende Tropfen blitzten im Scheinwerferlicht auf. Regen! - Stanislaw Lem, Die Astronauten. Frankfurt am Main 1996 (zuerst 1951)

Gewitter (4)   Es kamen dunkle Wolken auf, die die Tageshelle in Dämmerung verwandelten, bis alles so finster dalag, als wäre es in schwarze Tusche getaucht. Als Kung sich nach dem Hause umschaute, sah er keine Tore mehr, sondern nur einen einsamen Grabhügel mit einem unergründlich tiefen Loch. Er war ganz verwirrt von dem Anblick. Da begann es zu donnern, daß die Berge bebten. Regen rauschte herab, und es erhob sich wilder Sturm, der selbst alte Bäume zur Erde bog. Kungs Augen waren geblendet, in seinen Ohren dröhnte es, aber er stand unbeweglich.

Plötzlich erblickte er in dem undurchdringlichen, rauchschwarzen Dunkel einen Dämon mit scharfem Schnabel und langen Krallen. Dieser griff in das Loch hinein und zerrte eine Gestalt heraus und entführte sie in den Rauch. Soweit er sehen konnte, glaubte Kung, Kleid und Schuhe Djiau-nos zu erkennen. Er tat einen gewaltigen Sprung nach oben und schlug mit seinem Schwerte zu. Die Gestalt fiel auf die Erde herab, die Berge schienen zusammenzustürzen, und das Donnern war fürchterlich. Kung stürzte tot zu Boden.  - (pu-s)

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