Gewichtraten  »Haben Sie eigentlich irgendeine Vorstellung davon«, fuhr er fort und packte mich unerwartet beim Jackenaufschlag, »wieviel die Eier eines normalen Mannes wiegen?«

Ich antwortete, daß ich keine Ahnung hätte, und daraufhin erklärte er mir, daß jedes einzelne circa zwanzig Gramm wiege, daß er jedoch sicher sei, daß meine erheblich leichter seien.

»Und Ihre?«, fragte ich, unfähig, mich noch länger zurückzuhalten und jedes Risiko in Kauf nehmend, »was wiegen die? Wagen Sie mir darüber Auskunft zu geben?«

Als ich diese Frage stellte, hielt er mich immer noch beim Jackenaufschlag gepackt, jetzt aber kam er mir mit dem Gesicht immer näher, bis sich unsere Nasenspitzen aneinander rieben. Mit einem Stoß warf er mich auf den Sitz, stemmte ein Knie auf meine Brust und begann, mir mit dem Finger seiner freien Hand die Schläfe zu reiben.

Ich wollte um Hilfe schreien - es wäre selbstverständlich ganz und gar nutzlos gewesen, denn wir waren schließlich die beiden einzigen Reisenden -, aber er preßte mir die Hand auf die Brust, und ich fühlte, wie mir die Welt abhanden kam. Ehe ich mich versah, hatte er mir die Hose ausgezogen, so daß ich mich in Unterhosen wiederfand. Die Hose hängte er ans Gepäcknetz, daraufhin holte er tief Luft, setzte sich wieder hin und betrachtete mich mit funkensprühendem Blick.

»Jetzt raten Sie, wie viel meine Eier wiegen«, sagte er, »machen Sie eine Rechnung über den Daumen. Fünfhundert Gramm? Zwei Kilo? Drei?«

Ich wußte einfach nicht, was ich sagen sollte - es gab keine Antwort, die nicht sein Mißfallen erregt hätte - und zog die Hemdschöße ein Stück herunter, um meine Beine etwas zu bedecken. Dagoberte brach in schallendes Gelächter aus, als er mich so halbnackt dasitzen sah, er nannte mich einen Brachyzephalus alpinus.    - Javier Tomeo, Unterhaltung in D-Dur. Berlin 1995

 

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