Gestaltmassage    Die Teilnehmer waren nackt. In der Mitte des Kreises gab der Kursleiter, ein kleiner dunkelhaariger Mann, der leicht schielte, einen kurzen chronologischen Überblick über die Geschichte der Sensitivity-Gestaltmassage: Ausgehend von Fritz Perls Arbeiten über die Gestaltmassage oder »kalifornische Massage« habe er nach und nach gewisse Aspekte des Sensitivity-Trainings integriert, bis seine Methode - das sei zumindest seine Ansicht - zur umfassendsten Massagemethode geworden sei. Er wisse, daß nicht alle im ORT diesen Standpunkt teilten, aber er wolle auf diese Kontroverse nicht näher eingehen. Wie dem auch sei - und damit wolle er die Einfuhrung beenden -, mit der Massage sei es nicht anders als mit den übrigen Dingen: Es gab solche und solche; man könne sogar beinahe sagen, es gäbe nicht zwei identische Massagen. Nach diesen einleitenden Worten begann er, die Sache konkret vorzuführen und bat eine der Teilnehmerinnen, sich auf den Tisch zu legen. »Die Verspannungen der Partnerin spüren...«, bemerkte er, während er ihre Schultern streichelte; sein Schwanz schwang wenige Zentimeter neben dem langen blonden Haar des Mädchens hin und her. »Vereinigen, immer vereinigen ...«, fuhr er fort, während er Öl auf ihre Brüste goß.»Die Einheit des Körperschemas beachten...« Seine Hände glitten zu ihrem Bauch hinab, das Mädchen hatte die Augen geschlossen und spreizte die Schenkel, sie schien es zu genießen.

»So«, sagte er schließlich, »jetzt könnt ihr zu zweit arbeiten. Geht herum, begegnet euch im Raum; nehmt euch genug Zeit zur Begegnung.« Bruno, der von der vorangegangenen Szene noch völlig gebannt war, reagierte mit Verspätung, dabei war das der entscheidende Augenblick. Man mußte sich bedächtig der begehrten Partnerin nähern, lächelnd vor ihr stehen bleiben und sie ruhig fragen: »Sollen wir zusammen arbeiten?« Die anderen schienen die Masche schon zu kennen, und in dreißig Sekunden war alles gelaufen. Bruno blickte sich völlig hilflos um und stand plötzlich einem kleinen stämmigen, stark behaarten Südländer mit dickem Penis gegenüber. Er hatte es nicht bemerkt, aber es waren nur fünf Mädchen für sieben Typen da.

Gott sei dank schien der andere nicht schwul zu sein. Sichtlich wütend streckte er sich wortlos auf den Bauch aus, legte den Kopf auf die verschränkten Arme und wartete. »Die Verspannungen spüren... die Einheit des Körperschemas beachten ...« Bruno nahm mehr Öl, ohne in der Lage zu sein, höher als bis zu den Knien zu kommen; der Typ lag regungslos wie ein Baumstamm. Selbst sein Hintern war stark behaart.  - Michel Houellebecq, Elementarteilchen. München 2001 (zuerst 1998)

Massage Gestalt

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