Gespensterzug  Ich werde mich nicht damit aufhalten, das Horoskop hier zu wiederholen, das mein Vater, ein Sterndeuter, in jener Nacht meiner Geburt ausarbeitete, einer Nacht, die ein archaischer Literat als Gespensterzug bezeichnen würde. Eine sinnschwere Herde von Blitzen äste am steinernen Himmel; Gestirne flochten unheilvolle Zeichen, besiegelten mit monströsen Schnörkeln den Urteilsspruch meiner Geburt; feindliche Wolken zeichneten Initialen auf ein finsteres Manuskript.

Ich stellte mich den abstoßenden Bildern der Welt mit einem langen Weinen, das zurecht als eine philosophische Klage verstanden wurde, als kindlich-summarisches Vorspiel zu einem in höchster Weise drangvollen Leben: und erste Bestürzung, Erschrecken, Grauen überkam alle in dieser Nacht bereits vor dem Krachen, mit dem ein wütender dreigezackter Blitz auf eine nahe Eiche niedersauste, sie austrodmete und tot zurückließ: überlebendes Relikt, seit langem bedrohliches Grenzmal für meine immer selteneren, immer verdutzteren Spaziergänge. Mein Vater hob die Hände zu hilfloser Abwehr; Angst beunruhigte die analphabetischen wilden Tiere in den schutzlosen Höhlen, bleichte das Gras, das Nordlicht zierte, als düster-unbewegte Fahne, den Katafalk des himmlischen Raums, das Universum wurde bewacht von einem schmerzlichen und glorreichen Licht. In der Morgendämmerung begann es zu regnen: inkongruenter Regen, tränend, hysterisch und eisig, im nunmehr hochgefüllten Sommer. Mein Vater durchforschte tagelang den Himmel: unheil verheißende Vögel entflatterten dort, schwefeliges Wetterleuchten, während der harte Stein des Himmels zerbarst in leuchtende Risse stummer Blitze; er befragte die Sonne, und es traten rötliche Würmer aus ihr hervor; weitum, auf den vereinzelten und verängstigten Höfen wurden doppelköpfige Kälber geboren, entdeckte man sechsdottrige Eier.    - Giorgio Manganelli, Omegabet. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1969)

Gespenst

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