Gespensterschwof   Eines Tages, da jagte Kazula, ein Anwohner der Luowaufer, in den Bergen Suya. Er verwundete ein Wildschwein, das Maniok ausscharrte. Das Tier vermochte trotz der Wunde zu entkommen und in eine Höhle zu flüchten. Der Jäger verfolgte es und drang ihm ins Dunkle nach, hoffend, es zu erlegen. Er staunte sehr, da der Boden unter den Füßen ihm sank und er in dichter Finsternis allein stand, ohne Hoffnung herauszugelangen. Einige Zeit kroch er tastend, um der schrecklichen Unterwelt zu entkommen. Da er das Vergebliche seiner Mühe sah, verzweifelte er. Plötzlich erschien seinen Augen seltsames Spiel. Im Vordergrund, ihm ganz nahe, stand sein verstorbener Bruder; der sah ihn mit großen Augen an. Hinter seinem Bruder ein Geleit von Traumgestalten; unvernichtbare Wesen in durchsichtigen sonderlichen Gewändern; sie vollführten Chöre und Totentänze. Nach kurzem Besinnen erkannte der Tote Kazula und sah, wie auf dessen Gliedern Perlen kalten Schweißes standen und seine Knie vor Schreck zusammenstießen. Er sprach mit der Stimme des Grabes, die er zu versüßen versuchte:

»Bruder Kazula, willkommen bei uns. Sehr bin ich verwundert, dich lebenden Körper bei uns zu sehen. Woher kommst du? ... Ich sehe, du fürchtest dich, unser Anblick schreckt dich. Zittere nicht. Du siehst das Land der Toten, die Ahnen unseres Geschlechts. Wir sind versammelt, die Tänze des Buyangwe, Kabwala und Balumba auszuführen. Das ist unsere Weise, in der kalten Unterwelt uns zu vergnügen. Fürchte dich nicht, Kazula, niemand wird dir Schlimmes tun.«

Er sprach noch, als die Versammlung der Gespenster, einen Augenblick verwirrt durch den Anblick des Fremden und die Rede des Häuptlings, mit Hingebung ihre Tänze und Chöre wieder aufnahm.

Zazula war durch die Rede des Bruders beruhigt, ebenso durch die Fröhlichkeit der Toten. Allmählich fühlte er die Knie erstarken, sein Herz schlug weniger wild, seine Kehle wurde frei. Endlich wurde er ganz voll Muts und betrachtete freudig das sonderliche, ihm neue Spiel. Er wandte sich an seinen Bruder:

»Mein weiland Bruder; sehr liebe ich eure Chöre und Tänze. Schade, daß niemand auf der Erden sie kennt. Gewiß möchte ich sie führen.«

»Was du wünschst, ist möglich. Wenn du willst, schlage ich den Alten vor, dich zur Weihe, zu unseren Tänzen zuzulassen. So kannst du Chöre und Tänze auf der Erde lehren.«

Gesagt, getan. Die alten Gespenster waren glücklich, ihren Nachkommen die Kenntnis ihrer wundersamen Freuden zu übersenden.  - Afrikanische Märchen und Legenden. Hg. Carl Einstein. Berlin 1980 (zuerst 1925)

Gespenst Schwof

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