esipensterrede
Diese Sache versucht zu sprechen, sie kann aber nicht sprechen, deshalb
ist sie auch nicht wirklich wie ich; aber ähnlich muß sie mir jedenfalls sein,
vielleicht jedoch nicht so sehr, daß wir uns wiedererkennen und miteinander
verkehren könnten. Könnte sie nicht in der Tat etwas sein, das neu geboren werden
möchte, das verworren handelt, aber nicht ohne Absicht, ohne Ziel, ohne Schicksal?
Könnte sie, diese Sache, die reden will, nicht auch etwas Ähnliches sein wie
ein Gespenst? Sicher, an diesem Ort von Gespenstern zu reden, ist zugleich läppisch
und selbstverständlich; aber wir denken ja nicht notwendig an ein Gespenst von
jemandem, der existiert hat; könnte es nicht auch ein Gespenst ohne Lebensprogramme
sein - eben ein stimmlicher Geist? Dann wäre es auch nicht nötig zu fragen:
wieviele sind es? Denn es ist nutzlos zu versuchen, die Gespenster zu zählen.
Aber sind die Gespenster nicht sogar beweglicher als die Lebenden? Das mag sein,
aber wer sagt mir, daß die Gespenster sehen können und es dulden, gesehen zu
werden? Doch in Wahrheit weißt du nur dieses: daß es da Stimmen gibt, die denen
nicht unähnlich sind, die du modulieren könntest, wenn es einen Gesprächspartner
gäbe, aber auch nicht so ähnlich, daß sie dir richtiggehend antworten könnten,
denn diese Plapperreime, manchmal lärmend, manchmal leise, scheinen mehr der
Entwurf zu einer Rede als eine vernünftige Rede zu sein, oder noch nicht einmal
das. Aber auch wenn man sich vorstellen könnte, daß die Stimmen in einem gewissen
Augenblick konsequent genug waren um zu reden - worum würde es sich denn handeln?
Um eine Rede an dich? Aber weiß überhaupt jemand, daß du hier bist, was immer
dieses »Hier« bedeutet? Und ist es denkbar, daß ein Gespenst das Wort an dich
richtet? Und wenn ja - daß ein Gespenst zu dir spricht, ohne sich dir in irgendeiner
Weise zu nähern? Denn eins ist gewiß: du bist offenbar ziemlich nah an einer
Menge von Wesen oder einem vielfachen Individuum, aber du hörst nichts, was
daran denken ließe, daß dieses Ding sich bewegt oder läuft, geschweige denn
dich sucht. Also wirst du teils fürchten teils hoffen, daß durch diese Klänge
etwas geschieht, was mit deiner Einsamkeit und deiner Müdigkeit zu tun hat,
und daß du womöglich nur zu warten brauchst, bis entweder eine auf ihre Weise
endgültige und erleuchtende Katastrophe erfolgt, oder aber der Beginn einer
sinnvollen Rede; doch welcher Zeitraum trennt diesen Augenblick - den Augenblick
des Plapperreims und Stotterns - von einer sinnvollen Rede? - Giorgio Manganelli, Geräusche oder Stimmen. Berlin 1989
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