espenst,
erwachendes
Hauchdünn, unsichtbar, unbeständig erwache ich, ein hinfälliges
Gespenst, unsichtbar für jeden, unsichtbar für mich selbst. Keine Formen zeichnen
sich auf meiner Bettdecke ab. Kein Atemhauch ist in mir, nichts fasse ich, nichts
kann mich fassen, wenn ich hin und her schwanke, aber ich habe nicht im Sinn,
meinen Aufenthalt in diesem Ruhebett zu unterbrechen. Nichts erinnert mich daran,
je ein Leben verbracht zu haben, wahrscheinlich bin ich nie gestorben, und somit
bilden die Gespenster wohl eine Gattung für sich, deren Eigenschaften und Wesenszüge
dergestalt sind, daß sie sich nicht zu Studienzwecken eignen; aber im übrigen
nicht viel anders sind als Hummer, Seebarsche, Vulkane auf dem Mond oder Algen
an verendeten Walen. Obwohl ich nicht tot bin, würde ich es nicht wagen, mich
als lebendig zu bezeichnen, denn einige peinlich genaue Unterschiede grenzen
mich von jeglichem Wesen ab, das den Flaum des Daseins genießt. Mein ist der
bleiche Schimmer der Liebelosigkeit, die Unmöglichkeit, die Zeit zu berechnen,
denn ich liege in keinerlei Zeit, ein Fortdauern, das nicht zur Vervielfältigung
seiner selbst neigt, das Fehlen verwandtschaftlichen Verweüens, die Gleichgültigkeit
dem Kommen und Gehen gegenüber; ich habe weder Blut, noch Geschlecht, noch greisenhafte
Jugend; ich sterbe nicht, obwohl ich in erster Linie eine Versuchung zum Sterben,
eine feine Ausübung des Nichtdaseins bin. Wäre ich je lebendig gewesen, so wäre
ich jetzt tot; aber lebendig war ich nie, also wird mein jetziger Zustand ewig
dauern, unaufbrauchbar nicht aus Beharrlichkeit, sondern weil er überhaupt nichts
Aufbrauchbares enthält.
- Giorgio Manganelli, Kometinnen
und andere Abschweifungen. Berlin 1997
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