espensterstellung  Die Flügeldecken werden geöffnet und schräg seitwärts ausgespannt.

Die Flügel selbst breiten sieh in ihrem ganzen Umfang als parallele Segel davor aus und wachsen wie ein Helm über den Rücken empor. Das Ende des Hinterleibes rollt sieh spiral— förmig zusammen, steigt empor, senkt sieh wieder und entspannt sich unter heftigen Erschütterungen, mit einer Art Blasgeräusch »puff, puff«, an jenes erinnernd, das der Truthahn verursacht, wenn er das Rad schlägt. Man denkt unwillkürlich an das Zischen einer überraschten Natter.

Herausfordernd auf seinen vier Hinterbeinen stehend, hebt das Insekt seinen Vorderleib fast senkrecht empor. Die Fangarme, die bis jetzt zusammengefaltet vor der Brust lagen, öffnen sich in ihrer ganzen Länge, wie die Querbalken eines Kreuzes, enthüllen die Achselhöhlen mit den Reihen von Perlchen und die schwarzen Flecken mit dem weißen Auge in der Mitte. Diese beiden Augen, die ein wenig an jene des Pfauengefieders erinnern, bilden mit den feinen, wie elfenbeinernen Buckeln den Kriegsschmuck, der in gewöhnlichen Zeiten verborgen gehalten wird. Nur dann wird er aus dem Schrein genommen, wenn es gilt, sich für den Kampf schreckenerregend und großartig zu schmücken.

Unbeweglich in dieser seltsamen Haltung überwacht die Mantis die Heuschrecke, den Blick starr auf sie gerichtet, den Kopf immer ein wenig drehend, je nachdem, wie das andere Insekt seine Stellung verändert. Der Zweck dieser Mimik ist einleuchtend: die Mantis will Furcht einjagen, das mächtige Wild soll durch Entsetzen gelähmt werden, denn es könnte, wenn seine Widerstandskraft nicht auf solche Weise untergraben würde, noch gefährlich sein.

Gelingt dies der Mantis? Niemand weiß, was unter dem glänzenden Schädel, hinter dem langen Gesicht der Wanderheuschrecke vorgeht. Kein Zeichen eines Gefühls vermögen unsere Blicke auf ihrer starren Maske wahrzunehmen. Trotzdem ist es sicher, daß die Bedrohte die Gefahr kennt. Sie sieht vor sich ein Gespenst, mit erhobenen Krallen, bereit, zuzuschlagen. Sie spürt, daß sie im Angesicht des Todes steht, und trotzdem flieht sie nicht, obwohl sie dazu noch Zeit hätte. Sie, eine Meisterin des Weitsprungs, der es eine Leichtigkeit wäre, sich aus dem Bereich der Klauen zu retten, sie, die Hüpferin mit ihren dicken, kräftigen Oberschenkeln, bleibt gebannt an ihrem Platz oder kommt sogar mit kleinen Schritten näher.

Jetzt ist sie in der Reichweite der Behexerin. Die beiden Enterhaken fallen auf sie herab, die Harpunen krallen sich ein, die zwei Sägen schließen sich, halten sie fest. Vergeblich wehrt sich die Unglückliche, ihre Kiefer schnappen ins Leere, ihr verzweifeltes Ausschlagen trifft nur die Luft. Sie muß sich in ihr Schicksal ergeben.

Die Gottesanbeterin faltet ihre Flügel, die Kriegsflagge, zusammen, nimmt wieder ihre gewöhnliche Haltung ein, und die Mahlzeit beginnt. - (fab)

Haltung Gespenst
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