Gesetzesprediger  Nur fürchte ja niemand von meinen Zuhörern, daß sie etwan einen Vater von mir vorbekommen, welcher erbärmlich wie einige neuere Überchristen in tränennasse Schnupftücher eingewindelt daherzieht; er lebte auf Flügeln, und wurde als der anmutigste Gesellschafter voll Scherz in den Familien von Brandenburg und Schöpf gesucht. Die Kraft des geselligen Scherzes begleitete ihn durch sein ganzes Leben, indes er im Amte als strengster Geistlicher und auf der Kanzel als sogenannter Gesetzprediger galt. In seiner Vaterstadt gewann er durch seine begeisterten Predigten seine Anverwandten, in Hof im Vogtland noch etwas Wichtigeres, eine Braut und was noch schwerer war, die reichen Schwiegereltern dazu. Wenn ein Bürger, der durch Tuchmachen und Schleierhandel wohlhabend geworden, von seinen zwei einzigen Töchtern die schönste kränklichzart gebildete und geliebteste einem dürftigen Tertius, der mit seinen Gläubigern eine Tagreise von ihm wohnt, nicht versagt: so konnte auf der einen Seite dieser Tertius nur mit vielem Verdienste der persönlichen Erscheinung und mit dem Ruhm und Eindruck großer Kanzelgaben Tochter und Eltern erobert haben, und auf der andern mußte in dem Tuchmacher eine über sein Tuch und Geld erhobene Seele wohnen, für welche der Stand des Talents und der geistlichen Würde in einem höhern Lichte erschien als der gleißende Silberhaufe eines gemeinen Wesens.  - Jean Paul, Selberlebensbeschreibung
 

 Prediger Gebot Sittenstrenge

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