Geschobenwerden  Mir träumte, ich befände mich in einer weiten, weiten Wüste, : einer öden, grenzenlosen Fläche. Ich ging ruhig vor mich hin; ich wußte den Weg, auf dem ich bald aus ihr herauszukommen dachte. Da hörte ich ein eigentümliches Geräusch hinter mir, kleine rasch und regelmäßig trippelnde Schritte auf dem Boden: tripp tripp — tripp tripp — tripp tripp. Zuerst achte ich kaum darauf. Aber wie das immer fortdauert, mir dicht auf den Fersen, wird mir das gleichmäßige Geräusch so unangenehm, ich mag es nicht hören, ich drehe mich verdrießlich um. Da sehe ich eine kleine, alte Frau in grauen Kleidern; sie mußte mir nachgegangen sein. So wie ich still stehe, tut sies auch. Ich denke, sie wird den Weg nicht kennen, wird hinter dir hergehen, um auch aus dieser häßlichen Wüste hinauszukommen. Sie sieht nicht zu mir auf, und wie ich in ihr Gesicht blicke, bemerke ich, ihre Augen sind geschlossen, sie ist blind. Ach, ich hatte recht, sie will sich von mir führen lassen. „Mütterchen," sage ich zu ihr, „kommen Sie, ich werde Sie führen." Sie antwortet nicht und bewegt sich nicht, ,Gut,' denke ich, ,du scheinst auch taub zu sein. Tu, was du willst.' Aber gleich höre ich auch schon wieder hinter mir die kleinen, kurzen, raschen Schrittchen. Das fatalste Gefühl! Rasch wende ich mich wieder um, da sehe ich, daß die Frau, wie plötzlich überrascht, die Augen schließt, ein Paar helle Augen, und wieder stellt sie sich taub und blind. Mir wird es so unheimlich, daß ich ihr nichts sagen kann. Ich wende mich, ab und gehe rasch vorwärts, aber immer dicht hinter mir klingt das Trippeln der Alten, und mir kommt das Gefühl: ,Du führst nicht die Frau, sondern sie schiebt dich, wohin sie will.' ,Nun, das soll dir nicht gelingen,' sage ich mir, gehe im Zickzack, nehme andere Richtungen, immer höre ichs — tripp, tripp, tripp, tripp. Ist denn die Wüste nicht bald zu Ende? Da hebe ich die Augen, und weit, weit am Horizont, wo der Weg hinführt, bemerke ich etwas ganz Schwarzes. Was ist das ? Ich blicke schärfer hin ... ,Das ist ja eine enorme, schwarze Grube — das ist ja mein Grab! Ach, dahin willst du mich schieben? Wart, ich werde listiger sein als du.' Ich wende mich rasch vom Wege ab und gehe im rechten Winkel weiter. Die Frau bleibt immer gleich nahe hinter mir. Nach längerer Zeit blick ich wieder auf — da am Horizont steht die schwarze Grube wieder vor mir. Auch dieser Weg führt gerade auf sie zu. ,Und du sollst mich doch nicht dahin schieben, verdammte Alte,' sag ich zu mir und setze mich fest auf den Boden. Die Schrittchen klangen nicht mehr, ich fühle nur die Nähe des Weibes hinter mir. Aber wie ich nun ruhiger die Augen hebe, — da seh ich — kommt die Grube selbst leise, langsam, dann schneller aus der Ferne auf mich zu. Mich schauderts, ich springe auf, wende mich um, und dicht hinter mir steht die Alte, viel größer geworden als ich. Mit großen, weit offenen, hellen Augen blickt sie böse, hämisch lächelnd auf mich nieder, die Hände mit den gekrallten Fingern hat sie über mich erhoben — ich versuche, mich gegen sie zu stürzen, und über dem Ringen bin ich aufgewacht. - Maurus Jokai, nach (je)  

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