eschlechtsumwandlung  Zuweilen, ganz unvermutet, schweigt er; da beginnt seine Apotheose. Siehe da, Fifiot hat seinen schon mächtigen Schweif hochgestemmt, und, seinen lianengleich geschmeidigen Hals in einer Rückwärtswendung reckend, kehrt er sein Kameenprofil nach hinten, hält es stolz geradeaus gerichtet, als überschaue er sich seiner ganzen stattlichen Länge nach, während seine Flügel gleichzeitig mit einer unmerklichen anmutreichen Bewegung sich heben und korbartig hochstellen: lange bleibt er so, in herrischer Starre, auf dem Gipfel seiner selbst, reglos, ganz Hoheit und Majestät, so prächtig, daß er mehr denn je einer traumhaften Kara-velle oder einem Märchenschwan gleicht. Dann kann ich nicht mehr an mich halten, ich grüße ihn: »Apoll der Hähne, Wohnung nehmend einmal noch auf Erden bei einem zweiten Admet, ohne je unsere Elise bewegen zu wollen, wie denn? die Rolle der Alkestis zu spielen.«

Ohne indessen auch nur eine Sekunde auf sich warten zu lassen, mischt diese sich ein und belehrt mich dahin, daß Fifiot doch unzweifelhaft eine Henne sei; sie behauptet in der Tat, es genüge, daß die Mütter in ihrer Unvorsichtigkeit der sich noch entwickelnden Nachkommenschaft einen männlichen oder weiblichen Namen gäben, um über das noch unentschiedene Geschlecht zu entscheiden oder es zumindest nach links oder rechts abzubiegen. So nimmt sie denn ihre Zuflucht zur Magie: »Weißt du auch«, flüstert sie ihm zu, »Fifiolette, meine Kleine, daß du die Venus aller Hennen bist. Vom Himmelsbogen selber herabgestiegen; nichts mangelt zu deiner Herrlichkeit: nicht Üppigkeit des Ganges, nicht Länge der Schleppe, noch goldener Helm.« Um jedoch den Wundervogel meinen unheilvollen Beschwörungen noch mehr zu entziehen, hat sie sich seiner schon bemächtigt, trägt ihn davon und bettet ihn, ehe sie sich niederlegt, neben ihr Kopfkissen, wo sie ihm, während er einschläft, wie die Priester, die in der Weihnacht sich über die Krippe des Jesuskindes beugen, aus dem »Schatzbuch der Geflügelhalter« sein Geschlechtsregister vorliest: »Und weißt du auch«, sagt sie, »Fifiolette, mein Herzchen, daß du ein Leghorn bist und daß... und daß du« (daran vor allem ist ihr gelegen) »als ein Hühnchen, das du nun einmal bist, jetzt schon einen Vorrat von zweihundert Eiern in deinem kleinen Leibe trägst, die du uns eines um das andere Tag für Tag abperlen wirst wie einen Rosenkranz; daß du in einem Jahr bereits ein Gewicht von... daß du...« etc., etc. Und Fifiot lauscht dem, hochbeglückt von der Vorstellung, einer so edlen, so fruchtbaren und fleischigen Rasse anzugehören.  - Marcel Jouhandeau, Das Leben und Sterben eines Hahns. Tiergeschichten. Stuttgart 1984 (zuerst 1947)

Geschlechtsumwandlung (2)  Einst lag Poseidon mit der Nymphe Kainis, der Tochter des Elatos, des Magnesers oder, wie manche sagen, der Tochter des Koronos von Lapith. Er erlaubte ihr hernach, sich eine Liebesgabe von ihm zu wünschen.

«Verwandle mich», sagte sie, «in einen unverwundbaren Kämpfer. Ich bin es müde, eine Frau zu sein.»

Poseidon erfüllte ihren Wunsch und änderte ihr Geschlecht. Sie wurde Kaineus. Ihre Kriege führte sie mit solchem Erfolg, daß die Lapither sie bald zu ihrem König erwählten. Sie zeugte sogar einen Sohn, Koronos. Ihn tötete Herakles viele Jahre später, als er für den Dorer Aigimios kämpfte. Stolz auf seine Erfolge, setzte Kaineus einen Speer in die Mitte des Marktplatzes, wo die Leute zusammenkamen. Er ließ sie diesem Speer wie einem Gott opfern und verbot ihnen, anderen Göttern zu huldigen.

Zeus erfuhr von der Überheblichkeit des Kaineus und veranlaßte die Kentauren, ihn zu ermorden. Während der Hochzeit des Peirithoos stürzten sie sich plötzlich auf Kaineus, dem es nicht schwerfiel, fünf oder sechs von ihnen zu töten, ohne selbst jdie kleinste Wunde zu erleiden; ihre Waffen glitten harmlos von seiner verzauberten Haut ab. Die überlebenden Kentauren schlugen jedoch mit Fichtenästen solange auf sein Haupt ein, bis er in den Boden getrieben war. Dann legten sie einen Haufen Balken über ihn. So erstickte Kaineus und starb. Ein graugeflügelter Vogel, in dem der Seher Mopsos seine Seele erkannte, entflog dem Haufen. Als man kam, um ihn zu begraben, war sein Körper wieder der einer Frau.  - (myth)

 

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