Geschlecht, wechselndes   Die Rosa, begann die Rosa, erblickte in dieser wenig besungenen Universitätsstadt die Wände der Wurfkiste. Sie sang, als ein Kind des Dezembers, bald mit, als die Kinderlein kamen, hatte jedoch wenig Stimme, als das Leben rief. Die Würfel für eine reinrassige Zukunft waren nicht günstig gefallen. Auch hatte ihr Vater sie zunächst mit den Augen der Liebe gemustert. Er hätte sie objektiv  vormustern lassen sollen. In den ersten Jahren waren ihrer Mama noch zwei hübsche Schwestern behilflich dabei, ihn zu bemuttern, diesen Rosa, der seine Laufbahn als Mann mit einem Konflikt begann: Er liebte im Kindergarten sowohl eine Schwarze als auch eine Blondine. So klein, so schlimm. Die Rosa, fuhr Rosa fort, kletterte aber dann die Erfolgsleiter derart schnell hoch, daß sie ins Hecheln kam. Ihre Mutter hatte die Volksschülerin bei einem Modeagenten losgebracht, und bald übertrafen ihre Einnahmen den Inhalt der Lohntüte ihres Vaters, der bei BMW mit einem Schraubenschlüssel hantierte. Als es allerdings ernst wurde, waren die geeigneten Plätze im Leben sämtlich besetzt. So verselbständigte sie sich in einem Supermarkt und blickte verdutzt In die Zukunft, weil sie keine sah. Ihre Eltern bewaffneten sich mit den härtesten Spruchweisheiten, um die hartnäckigsten Freier zu verjagen, für die sie zunächst aber keine aufregenden Gefühle hegte. Als sie sich dann aber doch eine Annäherung gefallen ließ und diese wesentlich förderte, indem sie ihren Schwanz zur Seite nahm, blieb das ohne Folgen. Ihr Wunsch war es sowieso: Kinder zu haben mit Frauen. Das war die Zeit, als der Rosa Brüste zu bekommen wähnte und immer öfter in einen Rock schlüpfte, urn einen wenig authentisch vermuteten Mangel vor quasi seinesgleichen zu verbergen. Jedoch war das freilich nicht so ernsthaft gerneint von ihm, sondern mehr als ein Angebot zu sehen von ihm an sein Schicksal: er wollte weder das eine ganz noch das ganz andere sein, sondern mehr nichts. Das bewegte ihn dazu: Kunstgeschichte zu belegen. Kurz darauf wurde er früh geheiratet und trug auf vermeintlichen Brüsten eine Krawatte. Auch drehte er häufig am Ehering und nachts seiner Frau sein Gesäß zu. Und ob er religiös werden wollte, war ihm nicht so ganz klar. Nach der Trennung von ihrer Frau jedenfalls stand die Rosa wieder unmittelbar vor dem sozialen Paradies und entschied sich für den Apfel der Krankenfürsorge, obwohl auch die rotbackigen Früchtchen des Kindergartens lockten mit einem für sie immer noch stark bewölkten Himmel des Profits. Eigentlich hatte sie Künstlerin werden wollen, um wenigstens auch andere deprimieren zu können. Sie wurde aber selber krank und schaute - als Genesende - am Feierabend gewöhnlich ganz unwichtig aus einer Single-Wohnung und empfand nachts unter der Bettdecke Sehnsucht nach einer Freiheit, die sie derzeit ab und zu auf den Rücken legte. Ihre Unterwäsche stammte aus Sonderangeboten, bis man ihr anbot, ihr fehlendes Gehalt in Dirnismaning aufzubessern, wo sie auch ihre kostspieligen Hobbies finanzierte, also die ersehnten Sportplätze schließlich doch observieren durfte, bis ihr ganzes Glück der Erde wieder im Bauch lag. Nicht lange genug. Sie wurde Friseuse und hatte die fremden Schöpfe in dem Augenblick wieder satt, als die Entscheidung: ob Film, Show oder Photo, fällig wurde. Außerdem wollte sie umziehen, wußte aber nicht wohin und mit wem. In jeder Hinsicht war sie also das Mitglied einer Gesellschaft geworden, das um eine Zukunft nur wirbt, um auszuscheiden. Und war sie bisher schon nicht die Ruhigste gewesen, so wurde sie um diese Zeit immer unruhiger und neigte zum Streunen. Die Hitzeperioden dauerten an. Und Menschen gab es nicht, die Rosa vor den Männern schützten, die von überall kamen und mit großer Ausdauer und fabelhafter Erfindungsgabe versuchten, das Ziel ihrer Wünsche zu erreichen. Jedoch war es nicht nötig, den erhöhten Bedarf an Kalk zu befriedigen oder das Futter durch rohe Eier, mehr Leber oder Pansen verbessern zu müssen. Auf mehr Sonne und frische Luft mußte sie auch keinen Wert legen. Also lag der Gedanke nahe, seinen Eltern untergeschoben worden zu sein; die Hautfarbe sprach für ein Zigeunerleben. Ein Wohnwagen aber war zu teuer, Aber am Ha-senbergl gab es Unterschlüpfe genug. Die Geschäfte entwickelten sich nicht schlecht, obwohl der Rosa keinen Wohnsitz nachweisen konnte. Um aber in Daglfing seinen Mann stehen zu können, mußte er sich unter dem Stachus ab und zu hinhalten. Mein Gott, sagte sich der Rosa damals oft: wie bedeutungslos bist du, obwohl du so mies bist. Er diente dann übergeordneten Interessen, verlor immer mehr Boden unter den Füßen, als er ihn immer weniger betrat, brachte des öfteren bei seinen verschiedenen Jobs keinen Ton heraus, stolperte sehr, wurde rot und sah den anfänglichen Elan ohne eine eigentliche Höhe abstürzen, wollte noch manches in seinem Leben realisieren, was er an Potenz mitgebracht zu haben glaubte, und wurde schneller als gedacht ausgetauscht. Und wie sehr er nach links und rechts schaute und sich mit anderen zusammenzählte, das weißt du, wieviel Sternlein stehen, Gott hat sie gezählet. Und weil seine derzeitige Partnerin Zärtlichkeiten suchte, fand er den Verkehr außerordentlich reizend, und, obwohl er schlecht im Bett war, sprach er über die Umwelt. So also begab die Rosa sich wieder privat sehr frisch unter den Mann und war selber als Frau, wie Calderon dichtet: wie ein gernalter Wüterich.  - Paul Wühr, Das falsche Buch. Frankfurt am Main 1985
 

Geschlechtswechsel

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