Er legte ihre Leichen in eine Kiste mit süßduftenden Kräutern und beschloß, so lange die Welt zu durchstreifen, bis er sie mit Hilfe eines zauberträchtigen Wassers wieder zum Leben erwecken könne.
Während Cod noch Kräuter über die Leichen streute, erschien ein scheußliches
altes Weib. Ihr Haar war so lang, daß es über den Boden schleifte, einen
ihrer Zähne benutzte sie als Stab und ein Auge
trug sie als Brustspange. Sie kam näher und sprach freundlich zu Cod: »Ich
höre, du hast Kummer. Ich komme, um dich für die Nacht in mein Haus einzuladen.«
Cod dankte ihr und schlief diese Nacht unter ihrem Dach, und am Morgen
fragte er sie, ob sie ein Zauberwasser besitze, das seine Brüder wieder
ins Leben zurückbringen könnte. »Ich hatte ein heilendes Wasser«, antwortete
sie, »aber der Kleine Riese aus dem Gebirge
hat es mir gestohlen.«
»Wo treffe ich den Riesen jetzt?« fragte Cod. »Du wirst seine Spur leicht finden«, antwortete das häßliche alte Weib, »als er fortlief mit dem heilenden Wasser, hat er das Gras niedergetreten. Und wo er seinen Fuß hinsetzte, da wird es sich nicht mehr aufrichten, für Jahr und Tag.«
So machte sich Cod sofort auf den Weg zum Schloß des kleinen Riesen vom Gebirge.
Als er sein Schloß erreichte, fand er die Tür offen, und niemand war
drinnen, aber vor dem Feuer lag eine gebratene Forelle, die aß Cod und
ging dann wieder hinaus. Jetzt sah er den Kleinen Riesen vom Gebirge mit
einer Angelrute über der Schulter heimkommen. Als er Cod sah, begann
er zu lachen.
»Warum lacht du, häßliches Vieh?« fragte Cod.
»Ich
freue mich, weil ich dich nachher gleich auffressen werde»», sagte der
Riese.
»Noch hast du mich nicht«, sagte Cod, zog sein Schwert und. stürzte
sich auf den Riesen. Nachdem sie eine Weile gekämpft hatten, gelang
es Cod, den Riesen zu Fall zu bringen, und er stand über ihm mit erhobenem
Schwert. Da rief der Riese: »Schone mein Leben, und ich werde dir
alles geben, worum du mich bittest.«
»Gib mir ein heilendes Wasser,
damit ich meine Brüder wieder zum Leben erwecken kann«, sagte Cod. »Ich
hatte heilendes Wasser«, antwortete der Riese, »aber der Große Riese aus
dem Gebirge hat es mir fortgenommen.«
»Und wo finde ich den Großen
Riesen aus dem Gebirge?« fragte Cod.
»Du wirst seine Spur leicht finden. Wo er hintrat, als er mit dem heilenden Wasser davonlief, da wächst für sieben Jahre kein Grashalm mehr.«
Cod schlug dem Kleinen Riesen den Kopf ab und machte sich auf den Weg zum Schloß des Großen Riesen. Als er dort ankam, war der Riese nicht da, aber er traf eine schöne junge Frau, die mit einem langen Messer in der Hand vor dem Feuer saß. Von Zeit zu Zeit setzte sie das Messer an ihre Brust, als wolle sie sich erstechen.
»Warum hebst du dieses Messer gegen dich?« fragte Cod sie.
»Vor Jahr und Tag hat mich der Große Riese des Gebirges aus dem
Schloß meines Vaters gestohlen«, sagte das Mädchen, »er legte ein
Versprechen ab, mich erst nach einem Jahr und
einem Tag zu heiraten. Heute Abend läuft diese Frist ab. Ehe es dazu kommt,
nehme ich mir lieber selbst das Leben.«
»Solange ich noch am Leben
bin«, sagte Cod, »brauchst du die Hoffnung nicht aufzugeben.«
»Du mußt sofort von hier verschwinden«, sagte das Mädchen, »wenn er dich entdeckt, wird er dich gewiß töten. Er besitzt eine Eisenstange mit neun Erhöhungen und in jeder sitzen neun vergiftete Haken. Wenn einer dieser Haken deine Haut berührt, wird sie anschwellen von dem Gift, und du wirst sterben.«
»Ich fürchte mich nicht«, sagte Cod, »ich werde mit dem Riesen um das heilende Wasser kämpfen, mit dem ich meine Brüder wieder zum Leben erwecken will.«
Das junge Mädchen kochte dann etwas zu essen, und während Cod seine Mahlzeit verzehrte, hielt sie draußen Wache, damit der Riese ihn nicht unerwartet überfalle. Als Cod aufgegessen hatte, übernahm er bald selbst die Wache, und es dauerte nicht lange, da sah er den Riesen mit einer Angelrute über der Schulter zurückkommen. Als der Riese Cod entdeckte, warf er die Angelrute fort, erhob die Eisenstange über den Kopf und ließ sie auf die Stelle niedersausen, wo Cod stand, der aber war zur Seite gesprungen, und die Stange hatte sich tief ins Erdreich gewühlt.
Während der Riese versuchte, sie herauszuziehen, stach ihm Cod mit seinem Schwert dreimal in den Magen. Der Kampf ging weiter, bis der Riese schwach wurde vor lauter Wunden. Nur einmal berührte einer der Haken an der Eisenstange ganz leicht Cods Schenkel, aber sofort begann sein Bein anzuschwellen. Doch da war der Riese auch schon zu Boden gestürzt, und sein Blut floß dahin in kleinen Bächen. »Ich will dir das Leben schenken«, sagte Cod zu dem Riesen, »wenn du mir das heilende Wasser gibst.« »Ich besaß es einmal, aber der König des Waldes hat es mir gestohlen«, antwortete der Große Riese. Als Cod das hörte, schlug er ihm den Kopf ab, doch nun schmerzte seine Wunde so arg, daß auch er sich auf dem Boden ausstrecken mußte. »Es gibt einen Zauberkessel in dem Schloß«, sagte das Mädchen, als sie den toten Riesen erblickte und Cod verwundet daliegen sah, »die Flüssigkeit in diesem Kessel heilt jede Wunde und bringt Tote ins Leben zurück.« Da schleppte sich Cod zu dem Kessel, badete sein Bein und wurde wieder kräftig und stark wie zuvor. Das Mädchen war so glücklich darüber, daß der Riese nun tot war, daß sie Cod einen Anzug schenkte, in dem man in Flüssen und Seen, aber auch im Meer sich unter Wasser bewegen konnte, ohne zu ertrinken. Cod dankte dem Mädchen und brach auf, um den König des Waldes zu suchen.
Er ging eine Weile und kam an einen Teich, und als er so am Ufer entlangschlenderte, stieg eine weiße Taube aus der Mitte des Teichs auf und flog in den Himmel. Es dauerte gar nicht lange, da kam eine zweite Taube aus dem Wasser hervorgeschossen und flog davon. Und so ging das immer weiter.
Cod wunderte sich und sprach zu sich: »Das will ich doch herausfinden, wo diese Vögel herkommen und warum sie so eilig am Himmel verschwinden.«
Er legte seinen Wasseranzug an und stieg ins Wasser. Er tauchte so tief hinab, bis er den Boden des Teiches erreicht hatte, spazierte eine Weile dort entlang und entdeckte in der Mitte des Sees ein großes Schloß.
Er lief zu der Tür, und weil dort niemand stand, der ihn zurückgehalten hätte, trat er ein.
Er lief auf und ab in den Hallen und Fluren, sah niemanden, hörte niemanden, bis er endlich in ein Zimmer, kam, in dem ein junges, sehr schönes Mädchen saß. In der einen Hand hielt es einen Stab und in der anderen ein Messer, und jede zwei, drei Minuten sAnitt es ein Stück von dem Stab ab, und der Span verwandelte sich in eine Taube und flog durch den Kamin davon.
Als sie bemerkte, daß Cod ihr zusah, fuhr sie erschrocken zusammen.
»Hab keine Angst«, sagte Cod, »aber sag mir, wer du bist und was du da tust?«
»Ich stehe unter einem Zauber und bin hier in dem Schloß schon seit vielen Tagen«, sprach das Mädchen, »und dieser Stab, den ich nie ganz zerschnitzen kann, stammt von meinem Vater. Er gab ihn mir, um mich vor Traurigkeit zu bewahren.«
»Und wie kannst du von dem Zauber befreit werden?« fragte Cod.
»Ich werde nicht eher frei sein, bis drei Steine von der östlichen Welt auf die Erde der Westlichen Welt fallen oder der König des Waldes tot ist.«
Das Mädchen erzählte Cod, wo er den König des Waldes treffen werde, und Cod stieg auf aus dem See und machte sich auf die Suche. Kaum hatte er ihn entdeckt, da hatte Cod auch schon sein Schwert gezogen und machte sich daran, ihn anzugreifen. Doch dreitausend kleine Männer, das Volk des Waldes, sammelten sich um den König, und immer wenn Cod einem von ihnen den Kopf abschlug, wurde er sogleich wieder lebendig, steckte seinen Finger in den Mund, pfiff und rannte dann fort.
So tötete Cod einen lieben langen Tag die kleinen Männer, aber je mehr
er erschlug, desto mehr kamen herbei, aufmerksam gemacht durch das Pfeifen
ihrer Freunde. Dann, gegen Ende des Tages, fiel ein starker Nebel,
und Cod konnte kaum noch die Hand vor seinen Augen sehen, doch drei Tage
lang hieb er mit seinem Schwert um sich, obwohl er nicht sehen konnte,
wohin er hieb und stach. Am dritten Tag kam das Mädchen, das er im Schloß
des Großen Riesen getroffen hatte. Sie ließ den Nebel steigen. Da sah Cod,
daß er die ganze Zeit die Ecken der Schloßmauer getroffen hatte, während
er doch gemeint hatte, er kämpfe mit dem König des Waldes selbst. Aber
jetzt konnte sich der König nicht länger verstecken und Cod gewann in dem
Kampf mit ihm bald die Oberhand. »Du mußt Cod, der Sohn des Königs von
Antua, sein«, sprach der König des Waldes, als sein Gegner ihn verwundet
hatte, »vor vielen Jahren ist mir prophezeit worden, daß du die Macht über
diesen Wald gewinnen wirst.«
»Ich bin Cod, und
ich will von dir das eilende Wasser, das du dem Großen Riesen des Gebirges
gestohlen hast«, sagte Cod.
»Ich besaß das heilende Wasser nur einen Tag«, sagte der König, »dann
raubte es mir die Katze der Endlosen Geschichten.«
- (
irm
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