- Raymond Queneau, Eine Modellgeschichte. München 1985
Geschichte (2) Die Geschichte erlaubt nicht, die
Ereignisse vorauszusehen, zu modifizieren, auf sie einzuwirken. Sie ist keine
Wissenschaft. Sie bleibt im qualitativen, alchimistischen, astrologischen Zustand.
Sie ist einfache Erzählung, begleitet von qualitativen
Urteilen und einer blinden Suche nach den Ursachen. Sie ist eine verschwommene
Wissenschaft. Nur durch eine unstatthafte Auslegung des Wortes Wissenschaft
kann man von ihr sagen, daß sie eine ist. - Raymond Queneau, Eine Modellgeschichte.
München 1985
Geschichte (3) Um mich zu belehren, schlage ich
ein altes Schulbuch auf, den sogenannten kleinen Plötz: Auszug aus der alten,
mittleren und neuen Geschichte, Berlin 1891, Verlag A. G. Plötz. Ich schlage
eine beliebige Seite auf, es ist Seite 337, sie handelt vom Jahre 1805. Da findet
sich: 1x Seesieg, 2x Waffenstillstand, 3x Bündnis, 2x Koalition, einer marschiert,
einer verbündet sich, einer vereinigt seine Truppen, einer verstärkt etwas,
einer rückt heran, einer nimmt ein, einer zieht sich zurück, einer erobert ein
Lager, einer tritt ab, einer erhält etwas, einer eröffnet etwas glänzend, einer
wird kriegsgefangen, einer entschädigt einen, einer bedroht einen, einer marschiert
auf den Rhein zu, einer durch ansbachisches Gebiet, einer auf Wien, einer wird
zurückgedrängt, einer wird hingerichtet, einer tötet sich - alles dies auf einer
einzigen Seite, das Ganze ist zweifellos die Krankengeschichte von Irren.
- Gottfried
Benn
, Zum Thema
Geschichte, nach (
enc
)
Geschichte (4)
221-204 |
Regierungszeit von Ptolemaios IV. Philopator (der seinen Vater Liebende). Schwach und grausam, wird verdächtigt, seinen Vater vergiftet zu haben. |
204-181 |
Regierungszeit von Ptolemaios V. Epiphanes (der sich offenbart) König im Alter von 5 Jahren. Wird vergiftet. |
181-170 |
Regierungszeit von Ptolemaios VI. Philometor (der seiner Mutter Freund ist). König im Alter von 5 Jahren mit seiner Mutter Kleopatra I. als Regentin. |
170-163 |
Ptolemaios VIII: Euergetes II., genannt Physkon (Schmerbauch). Bruder von Philometor. Gleich nach seiner Thronbesteigung verjagt er die Gelehrten aus dem Museion und verfolgt die Literaten. |
163-145 |
Ptolemaios VI. Philometor kehrt auf den Thron zurück. |
145-144 |
Ptolemaios VII. Neos Philopator. Sohn von Philometor, ermordet am Tag, da seine Mutter seinen Onkel Ptolemaios VIII. heiratet. |
144-116 |
Ptolemaios VIII. kehrt auf den Thron zurück. |
116-107 |
Regierungszeit von Ptolemaios IX. Philometor Soter II, genannt Physkon (Fettwanst). Von seinem Bruder Ptolemaios X. verjagt, flüchtet er nach Zypern. |
107-88 |
Ptolemaios X. Alexander I. läßt seine Mutter ermorden. Soll das Grab Alexanders de: Großen entweiht haben, um sich die Schätze anzueignen, verursacht dadurch einen Aufruhr, der ihn zur Flucht zwingt. |
88-80 |
Ptolemaios IX. übernimmt wieder die Macht. |
80: |
Ptolemaios XI. Alexander II. Sohn von Ptolemaios X., wird von Sulla als Regent eingesetzt und ermordet. Ende der legitimen Abkömmlinge der Ptolemaier. |
80-58 |
Ptolemaios XII. Neos Dionysos, genannt Nothos (Bastard) oder Auletes (Flötenspieler). Unehelicher Sohn von Ptolemaios X. |
58-55 |
Ptolemaios XII. im Exil in Rom. An der Macht ist seine Tochter Berenike. |
55-51 |
Rückkehr von Ptolemaios XII. |
51- 47 |
Regierungszeit von Ptolemaios XIII. Dionysos, Sohn von Ptolemaios VII. König im Alter von 10 Jahren, verheiratet mit seiner Schwester Kleopatra VII. Läßt Pompejus ermorden. |
47 |
Julius Caesar führt Krieg gegen Alexandria. Ptolemaios XIII. ertrinkt im Nil. Caesar setzt Kleopatra auf den Thron und verheiratet sie mit Ptolemaios XIV., dem elfjährigen Bruder des vorherigen. |
44 |
Julius Caesar wird ermordet. Kleopatra, wieder in Alexandria, läßt den König vergiften. |
44-30 |
Ptolemaios XV. Caesarion (Caesarchen), Sohn von Caesar und Kleopatra, letzter König von Ägypten |
30 |
Antonius stirbt, Kleopatra nimmt sich das Leben. Octavian läßt den Caesarion hinrichten. Ende sämtlicher Ptolemäer |
- Anhang zu: Jean-Pierre Luminet, Alexandria. Roman
einer Bibliothek. München 2005 (zuerst 2002)
Geschichte (5) Nur zwei große Strömungen gibt es
in der Geschichte der Menschheit: die Niedertracht,
die die Konservativen macht, und den Neid, der die Revolutionäre
macht. - (
gon
)
Geschichte (6) Nicht in der Weltgeschichte, wie die
Professorenphilosophie es wähnt, ist Plan und Ganzheit, sondern im Leben des
Einzelnen. Die Völker existiren ja bloß in abstracto: die Einzelnen sind
das Reale. Daher ist die Weltgeschichte ohne direkte metaphysische Bedeutung:
sie ist eigentlich bloß eine zufällige Konfiguration.
- Schopenhauer, Über die
anscheinende Absichtlichkeit im Schicksale des Einzelnen
Geschichte (7) Die ersten öpfergaben waren Früchte; aber bald darauf brachte man Tiere für den Altar der Priester; sie töteten diese selbst; sie wurden Schlächter & damit grausam; schließlich führten sie den abscheulichen Brauch ein, Menschenopfer darzubringen, vor allem Kinder & junge Mädchen. Niemals machten die Christen, Perser & Inder sich solcher Scheußlichkeiten schuldig; aber in Heliopolis - in Ägypten - opferte man nach dem Bericht des Porphy-rios Menschen. Auf Tauris opferte man die Fremden; doch glücklicherweise schienen die Priester von Tauris darin noch nicht viel Erfahrung zu besitzen. Die ersten Griechen, die Zyprioten, die Phöniker, die Tyrer, die Karlhager waren ebenfalls von diesem abscheulichen Aberglauben besessen. Sogar die Römer verfielen in dieses Religionsverbrechen, & Plutarch berichtet, daß sie zwei Griechen & zwei Gallier opferten, urn die Buhlerei dreier Vestalinnen zu sühnen. Prokop, ein Zeitgenosse des Frankenkönigs Theudebert, erzählt, die Franken hätten zu der Zeit, da sie unter diesem Fürsten in Italien einfielen, Menschen geopfert. Die Gallier & die Germanen brachten ganz allgemein diese entsetzlichen Opfer dar.
Man kann die Geschichte nicht studieren, ohne Abscheu gegenüber der menschlichen
Gattung zu fassen. Es ist w>ahr, daß bei den Juden Jephta seine Tochter opferte
& Saul bereit war, seinen Sohn zu opfern. Es ist wahr, daß jene, die durch
Bannfluch dem Herrn preisgegeben wurden, nicht freigekauft werden konnten, wie
man die Tiere freikaufte, & daß sie sterben mußten. Gott, der die Menschen
geschaffen hat, kann ihnen wohl das Leben nehmen, wann er will & wie er
will; aber es ist nicht Sache der Menschen, sich an Stelle Gottes zum Herrn
über Leben & Tod zu machen & sich die Rechte des höchsten
Wesens widerrechtlich anzueignen. - Voltaire, nach
(enc)
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