Gesang zu zweien in der Nacht  Es mußten zwei Leute sein; Zweige knackten unter ihren Füßen, Sträucher raschelten, und sie stimmten immer wieder ein Lied an - die Stimmen vereinigten sich mißtönend und trennten sich wieder; die eine war jung, männlich, ein Tenor, die andere dünn, geisterhaft, brüchig und ohne bestimmte Tonlage; trotzdem hörte es sich irgendwie hübsch an. »Was ist das?« fragte Maggie, ins Dunkel starrend. Sie ist nicht taub, doch ihr Gehör ist nicht hundertprozentig in Ordnung; manchmal glaube ich, die Natur hat Maggie absichtlich körperlich benachteiligt, damit sie sich auf ihre wahre Bestimmung konzentriert. »Sei ruhig!« sagte John.

Wieder drang ein Fetzen Gesang zu uns, diesmal waren es zwei verschiedene Lieder; die eine Stimme sang aus voller Kehle >Waltzing Matilda< die brüchige etwas über Mädchen in Kattunschlüpfern.

»Hör auf, du alter Kuckuck, du singst das falsche Lied.« »Warum soll ich aufhören,  du singst das falsche, nicht ich!« «Peter Lannick!« flüsterte ich Maggie ins Ohr. »Komm, es wäre ihm schrecklich, wenn sie wüßten, daß wie sie gesehen haben. Das muß seine Mutter sein.«

Ich zerrte sie am Arm, doch sie achtete nicht darauf. »Wer ist Peter Lannick?«

Eine der zwei Gestalten fiel hin, und die andere zog sie hoch. »Los komm, klaub deine alten Knochen zusammen. Glaub bloß nicht, ich schlepp dich den ganzen Weg bis nach Hause. Du solltest schon längst im Bett liegen.«

»Ich pfeif auf mein Bett«, sagte die andere Stimme. «Es ist voller Krümel.«

»Ist das meine Schuld? Ob Krümel oder nicht, es ist höchste Zeit, daß du in die Falle kommst. Komm, ich muß morgen früh um sieben bei der Arbeit sein. Mach schon, du alter Saufkopf.«

»Wie kannst du so mit deiner Mutter reden! Du bist grausam, ja, das bist du, grausam! Ich werd's deinem Vater sagen, wenn ich ihn im Himmel seh. Er wird schön entsetzt sein.« »Ach, Herrgott noch mal!« sagte Peter Lannick halb lachend, halb verärgert. Da knipste Maggie die Taschenlampe an, und er fuhr zusammen.

»Verdammt, wer ist da?« Seine Stimme war rauh vor Schreck und Mißtrauen; im Licht der Taschenlampe war sein düsteres, wütendes, hübsches Gesicht grotesk in die Länge gezogen, so daß er aussah wie ein gefallener Engel.

»Hallo, Peter«, sagte ich verlegen. »Wir sind's, die zwei Mädchen von der Kate. Maggie, mach bitte die Lampe aus«, murmelte ich, doch ihr Strahl hatte bereits Mrs. Lannick in all ihrer erschreckenden Verlottertheit erfaßt. Sie setzte eine würdevolle Miene auf, wie ein aites räudiges Kamel.  - Joan Aiken, Die Kristallkrähe. Zürich 1974

Gesang zu zweien in der Nacht  (2)

Sie:

Wie süß der Nachtwind nun die Wiese streift,
Und klingend jetzt den jungen Hain durchläuft!
Da noch der freche Tag verstummt,
Hört man der Erdenkräfte flüsterndes Gedränge,
Das aufwärts in die zärtlichen Gesänge
Der reingestimmten Lüfte summt.

Er:

Vernehm ich doch die wunderbarsten Stimmen,
Vom lauen Wind wollüstig hingeschleift,
Indes, mit ungewissem Licht gestreift,
Der Himmel selber scheinet hinzuschwimmen.

Sie:

Wie ein Gewebe zuckt die Luft manchmal,
Durchsichtiger und heller aufzuwehen;
Dazwischen hört man weiche Töne gehen
Von sel'gen Feen, die im blauen Saal
Zum Sphärenklang,
Und fleißig mit Gesang,
Silberne Spindeln hin und wider drehen.

Er:

O holde Nacht, du gehst mit leisem Tritt
Auf schwarzem Samt, der nur am Tage grünet,
Und luftig schwirrender Musik bedienet
Sich nun dein Fuß zum leichten Schritt,
Womit du Stund um Stunde missest,
Dich lieblich in dir selbst vergissest —
Du schwärmst, es schwärmt der Schöpfung Seele mit! 

- Eduard Mörike 

Duett

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