Gerüchetausch   Am Tresen standen Fischer, Zöllner und Hafenarbeiter. Es herrschte lautes Stimmengewirr, doch am lautesten tönte ein älterer Mann in der Uniform eines Gefängniswärters, der betrunken grölte: »Und jeden Mittwoch steckt mir die parfümierte Mamsell einen Hundert-Kronen-Schein zu, damit ich sie alleinlasse mit dem Häftling, Und am Donnerstag sind die ganzen hundert Kronen schon Bier. Und wenn die Besuchszeit vorbei ist, hat die Mamsell den Zellengeruch in ihren feinen Kleidern, und der Häftling hat das Parfüm der Mamsell in seiner Anstaltskluft. Und ich habe meinen Biergeruch. Ja, ja, das Leben ist nichts als ein Tausch von Gerüchen.«

»Das Leben und der Tod, kannst du ruhig sagen«, unterbrach ihn ein anderer Betrunkener, der, wie ich gleich erfahren sollte, den Beruf des Totengräbers ausübte. »Ich versuch immer, mit dem Biergeruch meinen Totengeruch wegzukriegen. Und erst mit dem Totengeruch wirst du deinen Biergeruch wegkriegen. Wie alle Säufer, für die ich die Grube zu graben habe.«

Ich nahm diesen Dialog als Mahnung, wachsam zu sein: Die Welt zerfällt und versucht, mich in ihren Zerfall mit hin-einzureißen.    - Italo Calvino, Wenn ein Reisender in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)

Geruch

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