erede,
Gerede, fortlaufend im Kreis um sich selbst drehend ohne viel Sinn oder einen
anderen als eben den, sich wieder zusammen zu unterhalten, wie es ging und was
los war, was es Neues gab, es gab nichts Neues, jeder hatte etwas gesehen, etwas
erlebt, sich beschäftigt mit dem, was gerade da war, einem Film, einem Buch,
Bildern, aus Zeitschriften ausgeschnitten, mehr nicht, das war so oder nicht
so, unbedeutend und nicht wichtig genug, um sich darüber ausführlich zu unterhalten,
beim nächsten Mal über anderes, dieses Mal über einen neuen Film, von dem sie
schon viel gehört hatten, daß der gut sein sollte, aber nicht gut war, nicht
so gut, wie sie sich vorgestellt hatten, mit viel hineingeschnittenen Großaufnahmen
von Gesichtern, nah auf der Leinwand immerfort redend, und dazwischen, zwischen
diesen Gesichtern, ein Mädchen, nicht einmal hübsch und etwas von gestern, durcheinandergeraten
und verstört, wie es weiterhastete, sich unsicher vorwärtsbewegte von einem
zum anderen, im Regen, es regnete plötzlich und hörte wieder auf zu regnen,
dann war es Winter, es schneite statt dessen, und durch einen künstlich flirrenden
Schnee drehten sich Puppen im Kreis, dazu Musik, so deutsch, das haut dich um,
und was sonst außer, daß es dich umhaut, ehe du dich versiehst, dann ist der
Film plötzlich auch schon aus, Gerede, Unterhaltungen zwischen ihnen und dazu
Musik, Schallplatten, die abliefen, Otis Redding, Wilson Pickett, die Rolling
Stones mit My sweet Lady Jane, das Stück, das Gerald am besten fand und das
nicht zuletzt durch ihn selber immer weiter in Gang gehalten wurde bis zum nächsten
Mal, als ob er schon dadurch von ihnen etwas anderes. Bestimmtes bekommen würde,
wie er es sich von ihnen erhoffte, was sie, die Freunde, nicht sahen und ihm
selbst auch unklar blieb, nämlich was eigentlich genau. - (
brink
)
Gerede
(2) Der Ausdruck »Gerede« soll nicht in einer herabziehenden Bedeutung
gebraucht werden. Er bedeutet terminologisch ein positives Phänomen,
das die Seinsart des Verstehens und Auslegens des alltäglichen Daseins
konstituiert. Die Rede spricht sich zumeist aus und hat sich schon
immer ausgesprochen. Sie ist Sprache. Im Ausgesprochenen liegen aber
dann je schon Verständnis und Auslegung. Die Sprache als die
Ausgesprochenheit birgt eine Ausgelegtheit des Daseinsverständnisses in
sich. Diese Ausgelegtheit ist so wenig wie die Sprache nur noch
vorhanden, sondern ihr Sein ist selbst daseinsmäßiges. Ihr ist das
Dasein zunächst und in gewissen Grenzen ständig überantwortet, sie
regelt und verteilt die Möglichkeiten des durchschnittlichen Verstehens
und der zugehörigen Befindlichkeit. Die Ausgesprochenheit verwahrt im
Ganzen ihrer gegliederten Bedeutungszusammenhänge ein Verstehen der
erschlossenen Welt und gleichursprünglich damit ein Verstehen des
Mitdaseins Anderer und des je eigenen In-Seins. Das so in der
Ausgesprochenheit schon hinterlegte Verständnis betrifft sowohl die
jeweils erreichte und überkommene Entdecktheit des Seienden als auch
das jeweilige Verständnis von Sein und die verfügbaren Möglichkeiten
und Horizonte für neuansetzende Auslegung und begriffliche
Artikulation. - Martin Heidegger,
Sein
und Zeit
Gerede
(3) Du wirst natürlich auch weiterhin fragen, wer diesen
ganzen linguistischen und phonetischen Rummel veranstaltet hat, aber du wirst
nun auch begriffen haben, daß dieses Reden,
das keine Füße, keinen Geruchssinn, keine Systolen und Diastolen, keine Exkremente
und kein Geschlecht zu haben scheint - daß dieses ganze Gerede eine reine Stimmübung
ist, die eine illusorische Seinsdichte zu besitzen scheint, sei es weil du ihr
zuhörst, sei es weil sie sich einen Gesprächspartner erfindet, den sie im Akt
selbst des Erfindens mit der zweideutigen Eigenschaft der Inexistenz ausstattet,
die offensichtlich nicht die Eigenschaft des Nichts ist, das ja gar nicht erfunden
zu werden braucht, während das Inexistente mit dem Existenten blutsverwandt
ist und sich auch nicht von ihm lösen kann, aber sicherlich von ihm gezeugt
werden kann und muß. Eine verbale Zeugung, denn das einzige Geschlecht des Worts
liegt darin, daß es Gegenstand der Modulation ist - ich wage nicht zu sagen
der Aussprache, denn dieses Wort vernachlässigt die unerhörte Agglutination
der Phonophrenie. - Giorgio Manganelli, Geräusche oder Stimmen. Berlin 1989
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