eologe
Er erblickte Benningsens Kopf, der ihm mit leeren Augenhöhlen und
gebleckten Zähnen entgegenstarrte. Er erkannte ihn am Goldrand der Brille, deren
Gläser wie durch eine Ironie des Schicksals heil geblieben waren und im Widerschein
des Lichtes, das von der über diesen Felsensarg geneigten Kalksteinplatte einfiel,
in reinem Glanz funkelten. Der Geologe war eingeklemmt zwischen Gesteinsbrocken,
deshalb war sein Körper, mit den Schultern in die natürliche Verkleidung des
Steinschachtes eingekeilt, senkrecht stehengeblieben. Rohan wollte die Überreste
des Mannes nicht so zurücklassen, aber als er sich ein Herz faßte und den Leichnam
anzuheben versuchte, da spürte er durch den dicken Stoff des Schutzanzuges hindurch,
daß er sich unter seinem Griff auflöste. -
Stanislaw Lem, Der Unbesiegbare. Frankfurt am Main 1996 (zuerst 1964)
Geologe
(2) Es gibt Geschichte im heutigen wissenschaftlichen
Sinn. Sie ist definiert durch Dokumente aus irgendeiner Materie. Diese Geschichte
geht eigentlich nur Millimeter unter die Oberfläche der Gegenwart, und sie kann
nur Schmutz, halbverweste, stinkende Materie aufwühlen. Die Geologie geht in
ganz andere Tiefen, die Knochen der Menschen sind dort bereits sauber von der
Gegenwart befreit, sie sind vielleicht auch oft
bereits wieder umkristallisiert. Und der Mensch, den man in diesen Tiefen lebend
und redend vorfindet, ist von einer überragenden Größe und Sauberkeit. Er kann
die Welt, seine Welt, so völlig übersehen, er kann sie in einen so festen, ausgezeichneten
Vers hineinfassen, er kann von unendlichem Haß und Schmutz so wenig übriglassen,
daß Überblicke entstanden, die bisher unverändert sind und bleiben. Ob es in
der heutigen Oberflächen-Technik irgendeine Zukunft der Tiefe gibt, mit der
man auf das Dauernde kommt, ist zweifelhaft. Die Technik fängt mit den Kindereien
des Kindes an und geht schnell und dauernd in die Meditation der Bedrohung aller
und in die Verwilderung über — eben ohne jede Tiefe. -
Ernst Fuhrmann, Vorwort zu (
fuhr
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