emütstube,
Druck auf die Das Muster ihrer Geschichte
blieb immer gleich. Sie begann in ihrer Kindheit. Das geliebte Töchterchen vornehmer
Großgrundbesitzer, die von den Bauern verehrt wurden. Aber wie die anderen Großgrundbesitzer
hatten auch sie Probleme. Sie war einem ausländischen Millionär versprochen
gewesen, der gesellschaftlich unter ihr stand. Eine Weile war sie glücklich
mit ihm gewesen. Sie hatte viele Kutschen und viel Geld gehabt. Dann hatte der
reiche Bourgeois seinen wahren Charakter gezeigt - Alkohol, andere Frauen, Perversionen
jeglicher Art. Sie hatte sich geweigert, fortan mit ihm unter einem Dach zu
leben. Gewisse Dinge hatte eine Dame von Geist und Stand eben nicht akzeptieren
können. Sie hatte ein Leben in Armut vorgezogen. Die Eltern tot, die Güter enteignet.
Tapfer gekämpft. La Voile Blanche.
Das war das Grundmuster, doch die jeweiligen Details wiesen geradezu phantastische Unterschiede auf. Der Familienbesitz hatte in der ungarischen Tiefebene gelegen, rings um ein Schloß in Polen, hatte sich, soweit das Auge sehen konnte, bis zu den Bergen Griechenlands erstreckt, war von der freundlichen Sonne Böhmens beschienen. Papa war Graf gewesen, Freiherr, chevalier, ein von und zu, Ritter vom Heiligen Vlies. Mama war entfernt verwandt mit praktisch allen europäischen Königshäusern. Der bürgerliche Millionär war Franzose, Deutscher, Italiener, Schweizer, Schwede gewesen. Er hatte sein Vermögen mit Seife, Öl, Immobilien, Stahl, Munition, Parfüm, Weinbrand gemacht. Er hatte sich in jeder nur denkbaren kompromittierenden Situation erwischen lassen, von einfachem Ehebruch mit einem Freudenmädchen bis hin zu den raffiniertesten sadomasochistischen Orgien in der Gesellschaft von... - »nein, wissen Sie, eine Dame kann über derartige Scheußlichkeiten nicht sprechen!« Und geschlagen hat er sie, Himmel, wie er sie geschlagen hat! Mit einer Nilpferdpeitsche, seinem elfenbeinernen Reit-stöckchen, mit einer Knute, mit dem Handrücken, mit dem Handteller, mit der Faust, mit dem Ledergürtel, mit einer Reitgerte... »Sehen Sie die Narben? Nein? Bei bestimmten Licht kann man sie noch sehen.«
Ich war ein aufmerksamer, vertrauensseliger Zuhörer. Irgendwie ist jeder
Schriftsteller ein Lügner, und die Tatsache, daß er seine Lügen aufschreibt,
weil er hofft, sie für viel Geld verkaufen zu können, anstatt sie unentgeltlich
mündlich zu verbreiten, gibt ihm meines Erachtens noch lange nicht das Recht
zu Kritik. Annette hatte ihren Spaß, und ich wurde gut unterhalten. Ich fand,
daß wir einander ausgezeichnet verstanden. - (
beg
)
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