emüt, heiteres  Mrs. Leggett richtete sich gerade auf und lächelte, wobei sie kräftige gelbliche Zähne bleckte. Sie machte zwei Schritte zur Mitte des Raumes hin. Eine Hand hatte sie in die Hüfte gestemmt, die andere hing lose an ihrer Seite. Die Hausfrau - Fitzstephans Mensch mit dem heiteren, klaren Gemüt - war plötzlich verschwunden. Was da stand, war eine blonde Frau mit gerundeten Körperformen, die aber nicht die Pummeligkeit zufriedener, wohlgepflegter später Jugend bedeuteten, sondern die gepolsterten, weichgepackten Muskeln von Raubkatzen, sei es des Dschungels oder der Großstadtgasse.

Ich nahm die Pistole vom Tisch und steckte sie mir in die Tasche.

»Sie möchten wissen, wer meine Schwester umgebracht hat?« fragte Mrs. Leggett leise, indem sie mich anredete, wobei sie zwischen den Worten die Schneidezähne zusammenklicken ließ, während der Mund lächelte, die Augen loderten. »Sie, der Drogenteufel, Gabrielle - sie hat ihre Mutter umgebracht! Sie ist es, die er decken wollte.«

Das Mädchen schrie etwas Unverständliches.

»Unsinn«, sagte ich. »Sie war doch noch ein kleines Kind.«

»O ja, aber es ist trotzdem kein Unsinn«, sagte die Frau. »Sie war fast fünf, ein fünfjähriges Kind, das mit einer Pistole spielte, die es aus einer Schublade genommen hatte, während die Mutter schlief. Die Pistole ging los, und Lily war tot. Ein unglücklicher Zufall natürlich, aber Maurice war zu sensibel, um den Gedanken ertragen zu können, sie müßte nun mit dem Bewußtsein aufwachsen, ihre Mutter getötet zu haben. Außerdem lag es nahe, daß Maurice sowieso verurteilt werden würde. Es war bekannt, daß er und ich sehr intim miteinander waren, daß er von Lily freikommen wollte; und er stand in Lilys Schlafzimmertür, als der Schuß sich löste. Aber das war Nebensache für ihn; sein einziges Bestreben ging dahin, dem Kind die Erinnerung an das, was es getan hatte, auszulöschen, damit Gabrielles Leben nicht von dem Bewußtsein überschattet würde, daß sie - wenn auch nur durch einen unglücklichen Zufall - ihre Mutter getötet hatte.«

Das besonders Niederträchtige daran war die Liebenswürdigkeit, mit der die Frau lächelte, während sie sprach, und die fast genießerische Pedanterie, mit der sie ihre Worte wählte und auf der Zunge zergehen ließ.

Sie fuhr fort: »Gabrielle war immer, auch schon bevor sie rauschgiftsüchtig wurde, ein Kind - nun, man könnte sagen - von begrenzter geistiger Kapazität, und so war es uns, bis die Londoner Polizei uns ausfindig gemacht hatte, schon gelungen, die letzte Spur von Erinnerung aus ihrem Kopf wegzuwischen — das heißt, von dieser bestimmten Erinnerung. Das, versichere ich Ihnen, ist die ganze Wahrheit. Sie hat ihre Mutter getötet, und ihr Vater — um Ihren Ausdruck zu gebrauchen - hat es für sie ausgebadet.«  - Dashiell Hammett, Der Fluch des Hauses Dain. Zürich 1976 (detebe 20293, zuerst 1929)

Gemüt, heiteres (2) Sanford Digges war eigentlich ein fröhliches und heiteres Gemüt. Schließlich war ein Todesfall für ihn eine gute Nachricht. Wenn er Schultz, dem Klempner, dessen Laden neben dem Bestattungsinstitut lag, guten Morgen wünschte, dachte Digges stets an Schultzens unvermeidliche Beerdigung. Als Leiche würde er besser aussehen als als lebendiger Klempner, dachte Digges, und er würde einen Sarg in Übergröße brauchen. Junge, das würde ihn ganz schön was kosten! Digges spielte sogar mit dem Gedanken, wahrend Mr. Schultzens Bestattung andauernd irgend etwas zu vergessen und wegen aller möglicher Werkzeuge wieder nach Hause zu gehen - zum Beispiel könnte der Leichenwagen eine Reifenpanne haben, ohne daß ein Ersatzreifen greifbar war, oder die Seile zum Herunterlassen könnten fehlen, und was es da noch alles gab -, eine Verzögerung nach der anderen, alles zu dem und dem Stundenlohn - so, wie Schultz im Hause Digges das Badezimmer eingebaut hatte.

Digges verfügte über einen klaren und berechnenden Blick. Wenn er die Ziegelstraße hinunterging, nahm er bei seinen Mitbürgern mit den Augen Maß und glättete zugleich in Gedanken ihre Gesichter, die zumeist den Unbilden des Lebens nur allzuschlecht angepaßt waren, durch Einspritzungen von Balsamierflüssigkeit und warmem Paraffin; zusätzlich veredelte er bleiche Wangen durch die dezente Anwendung von rosiger Schminke und Puder. Die Tatsache, daß die Ängstlichen und die Verdränger, jene albernen Spießbürger, die da glauben wollten, sie würden ewig leben, dem Diggesschen Maßblick mit einem gewissen bescheidenen Widerstreben begegneten, lenkte ihn nicht von seinem harmlosen Vergnügen ab.  - Thorne Smith (mit Norman Matson), Meine Frau, die Hexe. Frankfurt am Main 1989 (zuerst 1941)

 

Gemüt Heiterkeit

 

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