Gemüsehändler  Als ich eines Abends durch ein enges Gäßchen ging, stahl ich eine Melone. Der Obsthändler, der hinter seinen Früchten versteckt war, packte mich am Arm und sagte: »Senorita, seit vierzig Jahren warte ich auf diese Gelegenheit. Schon vierzig Jahre lang verstecke ich mich hinter diesem Berg Orangen und hoffe, daß mir jemand eine Frucht stibitzt. Und wissen Sie, warum? Ich will reden, ich will meine Geschichte erzählen. Wenn Sie mir nicht zuhören, übergebe ich Sie der Polizei.« »Ich höre ja zu«, sagte ich.

Er ergriff meinen Arm und zog mich ins Innere seines Ladens, der voller Obst und Gemüse war. Wir gingen durch eine Tür in der Rückwand und kamen in ein Zimmer. Dort stand ein Bett, auf dem regungslos eine Frau lag, die vermutlich tot war. Ich hatte den Eindruck, als läge sie schon lange dort, denn das Bett war ganz mit Gras überwuchert. »Ich begieße sie jeden Tag«, sagte der Obsthändler versonnen. »Seit vierzig Jahren kann ich nicht herausfinden, ob sie tot ist oder nicht. Sie hat sich in dieser Zeit nicht bewegt, sie hat weder gesprochen noch gegessen; aber seltsamerweise ist sie noch warm. Sehen Sie sich's an, wenn Sie mir nicht glauben.«

Daraufhin hob der Mann einen Zipfel der Decke hoch, und Jch sah einen Haufen Eier und einige gerade ausgeschlüpfte Küken. »Sehen Sie«, sagte er, »hier brüte ich meine Eier aus. Ich verkaufe auch Frischeier.«  - Leonora Carrington, Das Haus der Angst. Frankfurt am Main 2008 (BS 1427)

 

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