eld, brennendes In einem bestimmten Moment verbreitete sich die Nachricht, daß die Verbrecher fünf Millionen Pesos verbrennen, die vom Überfall auf das Rathaus von San Fernando übrig waren, von wo sie bekanntlich sieben Millionen mitgenommen hatten.
Sie begannen, Tausend-Peso-Scheine anzuzünden und aus dem Fenster zu werfen. Vom Klappfenster in der Küche segelte der brennende Zaster auf die Straßenkreuzung hinunter. Die flammenden Scheine sahen aus wie leuchtende Schmetterlinge.
Ein empörtes Gemurmel ging durch die Menge. »Sie verbrennen es.« »Sie verbrennen den Zaster.«
Wenn Geld das einzige ist, was einen Mord rechtfertigt, und sie das, was sie getan haben, wegen dem Geld getan haben und wenn sie es jetzt verbrennen, dann haben sie keine Moral, kein Motiv, sie morden für nichts und wieder nichts, aus Lust am Bösen, aus reiner Bosheit, sie sind Mörder von Natur aus, gefühllose, unmenschliche Verbrecher. Die empörten Zuschauer stießen entsetzte, haßerfüllte Schreie aus wie bei einem mittelalterlichen Hexensabbat (so die Zeitungsberichte), sie ertrugen es nicht, daß man vor ihren Augen annähernd fünfhunderttausend Dollar verbrannte in einer Aktion, die die Stadt und das ganze Land in lahmendem Entsetzen bannte und exakt fünfzehn endlose Minuten dauerte, denn soviel Zeit ist nötig, um diese astronomische Summe zu verbrennen, diese Banknoten, die aus Gründen, die sich dem Willen der Behörden entziehen, auf einer Blechplatte vernichtet wurden, die in Uruguay als »Patona« bezeichnet wird und beim Grillen zum Wenden der Glut dient. Auf einer solchen Blechplatte verbrannten sie das Geld, und die Polizisten sahen verblüfft zu, denn was sollten sie tun gegen Verbrecher, die zu einer solchen Ungeheuerlichkeit fähig sind.^Die empörten Menschen dachten unwillkürlich an die Notleidenden und Besitzlosen, an die uruguayische Landbevölkerung, die in ärmlichen Verhältnissen lebt, an die Waisenkinder, denen dieses Geld eine bessere Zukunft gesichert hätte.
Hätten sie nur eines der Waisenkinder gerettet, würden sie es verdienen, daß man sie leben läßt, diese Kretins, sagte eine Dame, aber sie sind bösartig, gefühllos, diese Bestien, so die Augenzeugen zu den Reportern, und das Fernsehen zeichnete alles auf und sendete am nächsten Tag immer wieder die Bilder von dem Ritual, das der Fernsehjournalist Jorge Foister als Akt des Kannibalismus bezeichnete.
»Unschuldiges Geld verbrennen ist ein Akt des Kannibalismus.«
Hätten sie dieses Geld gestiftet, hätten sie es durch das Fen-ster auf die Menschenmenge geworfen oder mit der Polizei die Übergabe des Geldes an eine Wohltätigkeitsstiftung ausgehan-delt, es wäre alles gans anders gewesen.
«Zum Beispiel, wenn sie die Millionen zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Gefängnissen gestiftet hätten, wo sie jetzt selbst eingesperrt werden.«
Allen aber war klar, daß dieser Akt eine Kriegserklärung war, der Auftakt zum offenen und totalen Krieg gegen die ganze Gesellschaft.
»Man muß sie an die Wand stellen und aufhängen.«
»Man muß sie auf den Rost legen und langsam verschmoren.«
Da tauchte nun der Gedanke auf, daß Geld unschuldig sei, auch wenn es das Resultat von Tod und Verbrechen sei, könne man das Geld nicht als schuldig betrachten, es sei eher neutral, ein mehr oder weniger nützliches Zeichen, je nach dem, wie man es verwendet.
Und dann die Idee, das brennende Geld sei ein Beweis für den Wahnsinn der Mörder. Nur wahnsinnige Mörder, Bestien ohne Moral könnten so zynisch und verbrecherisch sein, fünf-hunderttausend Dollar zu verbrennen. Dieser Akt (so die Zeitungen) sei ärger als die von den Verbrechern begangenen Verbrechen, weil er ein nihilistischer Akt sei, ein Beispiel für reinen Terrorismus.
In einem Interview mit der Zeitschrift Marcha erklärte hingegen der
uruguayische Philosoph Washington Andrada,
er sehe in dieser schrecklichen Tat einen unschuldigen Potlatch, verübt
in einer Gesellschaft, die diesen Ritus vergessen habe,
eine unbedingte und zweckfreie Handlung, eine Geste reiner Verausgabung,
ein Akt der Verschwendung, durch den man den Göttern
in früheren Gesellschaften ein Opfer darbrachte, denn
nur das Allerwertvollste sei opferungswürdig, und in unserer Gesellschaft gebe
es nichts Wertvolleres als das Geld, sagte Professor
Andrada und wurde unverzüglich vor den Richter zitiert.
- Ricardo Piglia, Brennender Zaster. Berlin 2001
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