Gelächter, olympisches  Noch im Aufkrachen des Tors hörte er das Lachen, das schallende, langanhaltende, unbekümmerte Lachen, das dem Wesen der Oberen so gemäß ist, weil es aus der tiefsten Fülle ihres sicher in sich ruhenden Gemüts stammt, und aus dem Lachen lösten sich lachend die Reden, daß also auch der Lahme vermöge, den Schnellen zu haschen, und auch der Krüppel es fertigbringe, des Starkgliedrigen habhaft zu werden, was zeige, daß Unrecht doch nicht gedeihe, und der Krüppel, der Lahme, der Krummsohlige, der, ohne es zu wollen oder auch nur zu wissen, die Zehen aus dem Standgrund gelöst hatte und sich auf die verbogenen Krücken stützte, hörte Apollon lachend den Hermes fragen, ob der jetzt mit Ares tauschen möchte, um auch einmal bei der Schönsten zu liegen, und er hörte wieder die Hohen lachen, schallendes, langes, herzliches Lachen, und er hörte Hermes lachend Apollon versichern, daß er gern bereit sei, auf der goldstrahlenden Aphrodite zu liegen, selbst wenn ihm alle Göttinnen und Götter dabei zusähn und dreifach stärkere Bande ihn bänden als dieses wirklich recht listig genestelte Netz, und wieder erscholl ein dröhnendes Lachen, und da Hephaistos begriff, daß sie alle das Netz sahn, ohne seiner eben mehr zu achten als eines ihnen unnötigen Stücks List, mit der der Krüppel sein Krüppelsein ausgleicht -: da Hephaistos dies begriff, begriff er auch, daß in diesem Werk nur seine Schande zu sehn war, so wie alle Werke der Kunst nur von der Schande ihrer Schöpfer zeugen, ihrem Unvermögen, den Andern zu gleichen, da sie nichts als nur die Kunstfertigen sind.

Da begann er zu klagen.

Weh, daß er geboren sei, klagte der Schmied, weh, daß die Eltern ihn so gezeugt und geschaffen, mit Füßen, deren Nägel zu den Fersen zeigten, und dünnen Schenkeln, und siechen Hüften, als ewiges Spottbild vor seinem Bruder, dem Gradsohligen, dem Starkschenkeligen, dem Festhüftigen, dem Gutbeleibten, der in der Stärke seiner Glieder dermaßen prange, daß ihm die Schönste nicht widerstehe, und da Hephaistos diese Klagen hinausschrie, begriff er erst wieder, als es zu spät war, daß er abermals nur seine Schande schrie, die Schmach seines Krüppeltums als Lobpreisung des Starken. - Der, auf dem Lager, auf der Schönsten, hörte sich und hörte die Schönste gepriesen, und die Schönste hörte den Preis des Starken, und sie spürte die Blicke der Männer auf ihrer Nacktheit, und der Starke spürte die Blicke des Neides. - Schamlose Stärke; schamlose Schönheit. - Sie trieben es vor den Augen des Ehemanns.

Das Gelächter war unermeßlich; auch die Minderen standen jetzt in der Halle, mit lüsternen Blicken und gierigen Lefzen, und auch des Hephaistos Gesellen drängten heran, der Meister erkannte ihr rauchrauhes Gekrächze, mit dem sie, zwischen Amboß und Blasebalg, einander ihre Taten im Bett zuschrien. Nun lachten auch sie.

Da begehrte er auf.

Hephaistos stand auf seine Krücken gestützt, gekrümmt, da die Krücken verbogen waren, doch seine Worte reckten sich zu einer Empörung, zu welcher sich noch niemand erhoben: Betrogen habe ihn der Vater und Herrscher, da er ihm seine Ziehtochter zum Weib gegeben und ihn mit ihrer Schönheit geblendet; schön sei sie, aber voll arger Begierden, eine Hündin, die mit jedem laufe, sogar mit diesem abscheulichen Kriegsgott, dem Meistgehaßten unter den Göttern, auch wenn er gerade Sohlen habe; eine Hure sei ihm anvermählt worden, doch jetzt liege ihr Wesen ja offenbar; und der Lahme hielt sich am Erzbecken fest und zeigte mit der Krücke auf die Gespreizte: Möge sie ewig in ihrer Schande liegen, sie, die von allen Männern umbuhlte, und da traf ihn der Blick des Herrschers und Vaters, und der Blick des Schmiedes hielt ihm stand. - Franz Fühmann, Das Netz des Hephaistos. In: F. M., Marsyas. Mythos und Traum. Leipzig 1993 (Reclam 1449, zuerst 1974 ff.)

 

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