elächter  Die Löwen brechen in schallendes Gelächter aus. Die Löwen wälzen sich im Wüstensande und stehen plötzlich auf den Vorderpfoten, recken die Hinterpfoten so hoch in die Luft, dass sie mit den Krallen beinah die zum Himmel aufragende Schwanzspitze berühren. Ein Anblick für Götter!

Das schallende Gelächter donnert durch die syrische Wüste wie eine europäische Kanonenschlacht - den Europäern wird ungemüthlich zu Muthe. Glücklicher Weise ergreift nach Beruhigung der unmässigen Heiterkeit der gemüthliche Pix zuerst das Wort, was auch zur Beruhigung der Europäer beiträgt.

»Also nun sind wir endlich,« bemerkt er mit Gebrülle, »mittendrinn in der Geschichte! Europäer, ich sage Euch: die Geschichte kann gut werden! Starker Toback! Starker Toback! Die Freiheit des Weibes ist eine sehr feine Freiheit. Rinder, jetzt wollen wir mal ein bischen mitreden! Knaff, wie denkst Du über die freie Frau? Rede, mein lieber Bruder!«

»Pix!« ruft Knaff, »ich bin einfach empört. Diese Sucht nach Freiheit ist Nichts weiter als Hetärenbrunst. Diese Abbasah ist ein ganz freches Frauenzimmer. Entschuldige die groben Worte - aber ich kann mir nicht helfen! Der Harun ist allerdings auch 'ne gute Nummer. Hier im Orient werden die Weiber im Allgemeinen so vortrefflich behandelt:

man sperrt sie einfach ein. Und da will dieser Harun die Weiber wieder mal in voller Freiheit sehen, statt froh zu sein, dass sie durch die guten und edlen orientalischen Haremssitten unschädlich gemacht wurden. Harun ist ein unsittlicher Wüstling, er sollte doch wissen, dass jede Art von Frauenfreiheit ins schmutzige Gebiet der Sittenlosigkeit hineinführt. Dass bei den weiblichen Freiheitskämpfen heroische Reden gehalten werden, darf uns nicht in Erstaunen setzen - das Klugreden ist ja bei allen jenen Versuchen, die die alte Zucht und Ordnung umkrempeln wollen, von jeher an der Tagesordnung gewesen. Wundern muss ich mich nur, woher manchmal die Weiber ihre Weisheit hernehmen. Die Abbasah redet zuweilen trotz vieler Quasselei genau so verständig wie ein Buch. Woher hat sie all die Weisheit?«

»Aber Knaff!« schreit da der scharfsinnige Olli, »wie kannst Du nur so einfältig fragen! Du bist ja so kurzsichtig wie 'n blinder Elephant! Die Frauen haben ihre Weisheit stets von den Männern her, denen sie in Liebe angehörten. Die Abbasah macht keine Ausnahme. Die Geburt der Frauenbildung geht stets in derselben Weise vor sich. Die Freiheitsgeschichte hat die Abbasah vom Harun - das Uebrige vom Djafar. Nun sucht sie beide Einflüsse mit einander zu verquicken. Das ist doch so einfach und klar. Knaff, ich muss mich sehr wundern, dass Du so unreife Fragen laut werden lässt. Ich glaube, Du siehst noch garnicht, wie schrecklich es ist, dass die beiden Männer so viel von der Abbasah halten - das ist eigentlich das Traurigste an der ganzen Geschichte. Ja, die Beiden leiden an der Ueberschätzung des Weibes beinah so heftig wie die armen Europäer.«

Bei diesen Worten räuspert sich der Frimm sehr vernehmlich und sagt danach brummig:

»Für das Traurigste an der ganzen Geschichte halte ich die Thatsache, dass die Freiheit, die nur auf Treubruch abzielt, beim besten Willen nicht für vornehm - nicht einmal für anständig gehalten werden kann. Nur der Treubruch macht frei: das ist die Quintessenz der Weiberweisheit. Ich befasse mich nicht gern mit so unsauberen Geschichten.«

Frimm knallt lässig mit dem Schwanz und geht langsam südwärts, Pix meint freundlich:

»Wir wollen dem armen Frimm den vornehmen Abgang nicht weiter übelnehmen. Uns macht es ja ebenfalls keinen Spass, hier die lustigen Schulmeister zu spielen. Meine lieben Europäer, Ihr seid sonst ganz gute Menschen, aber beklagenswerth ist in jedem Falle Eure Unwissenheit in allen den Dingen, durch die der Orient für alle Zeiten seine unerschütterliche Weltstellung begründete. Der Orient hat namentlich in der Frauenfrage schon vor vielen Jahrtausenden das entscheidende Wort gesprochen. Er hat die Frauen in drei Klassen eingeteilt: in Mütter, Kebsweiber und Hetären; die beiden ersteren werden in den Harem, die letztere ins Bordell gethan - und Alles ist gut und schön. Wir werden im weiteren Verlaufe des Schauspiels noch öfters Gelegenheit haben, die Vortrefflichkeit der orientalischen Behandlung aller Frauenfragen auf allen Seiten hübsch und kräftig zu beleuchten.«

»Nicht zu hastig!« donnert anitzo der Löwe Plusa, »die Einsperrungsarie scheint mir im Orient doch nicht so ganz glatt von Statten zu gehen; so einfach ist das Alles nicht. Mein erlauchter Bruder scheint die verschiedenen Stadien der Frauenbändigung in allzu rosigen Farben malen zu wollen. Jedenfalls ist das orientalische Einkapselungssystem sehr praktisch. Es liegt ja Garnichts daran, dass die Frau bei der Zuchtwahl mitredet - aber so ganz gleichgiltig kann ihr die Angelegenheit doch nicht sein.«

»Du wirst wieder,« brüllt jetzt Pix, während er vor Erregung ganz dunkelblau wird, »mächtig unverschämt. Du scheinst Dich über Deine Brüder lustig zu machen. Wir verbitten uns das ernstlich. Hört weiter, Europäer! Dadurch, dass der Orientale die Frauen dem öffentlichen Leben entzieht, reinigt er dieses, und es werden jene langweiligen Liebesromane, die bei Euch in Europa eine so unangenehme Rolle im Kunstleben spielen, vollständig beseitigt. Diese Liebesromane sind ja nur ein Produkt der Monogamie. Der Orient hat den ganzen Liebesrummel so vereinfacht, dass langweilige Romane nach europäischem Muster hier niemals Wurzel fassen könnten!«

»Auch das,« entgegnet Plusa mit seiner klaren Stimme, »möchte ich höflichst bezweifeln. Wir müssen in unseren Schulmeisterreden ein wenig vorsichtiger sein.« Raum aber hat der freche Plusa das gesagt, so drehen ihm die vier anderen Löwen den Rücken und schlagen so heftig kratzend mit den Hintertatzen aus, dass der gelbe Wüstensand in wirbelnden Wolken dem frechen Plusa in die Nase, in den Rachen, in die Ohren und in die Augen fliegt. Diese That der Vier findet der Betroffene gemein und niederträchtig.

»Rohe Lümmels!« brüllt er in heller Wuth - kommt aber nicht weiter. - Paul Scheerbart, Der Tod der Barmekiden. Arabischer Haremsroman. München 1992 (zuerst 1897)

Gelächter (2) Das Lächeln, so sagen die alten Griechen, stamme von den Göttern. Die Olympier brechen zweimal in "homerisches Gelächter" aus: Einmal, als sie einen handfesten Ehekrach zwischen Zeus und Hera beobachten (in der "Ilias") und einmal, als sie Ares und Aphrodite bei unsittlichem Treiben beobachten (in der "Odyssee").

Später deutet Aristoteles folgerichtig das menschliche Lachen als ein Erbe eben dieser Götter. Dieses göttliche Erbe unterscheide den Menschen vom Tier und mache ihn damit einzigartig.

Aber bereits in der christlichen Spätantike des 4. Jahrhunderts kehrt sich diese humorfreundliche Deutung um: Jesus Christus habe nie gelacht, so der größte Prediger der griechischen Kirche, Johannes Chrysostomus.

Diese These führt zu einer folgenschweren, feindlichen Haltung der christlichen Kirche gegenüber dem Lachen, die mindestens bis ins 14. Jahrhundert vorhält und auch heute noch ihre Spuren hinterlassen hat (z.B. die, dass in der Kirche Gelächter in der Regel als unangemessen empfunden wird).

Das Lachen töte die Furcht, so die gängige mittelalterliche Meinung. Und wenn es keine Furcht mehr gebe, werde es auch keinen Glauben geben. Wer lacht oder gar den Teufel auslacht, laufe Gefahr, den Teufel nicht mehr zu fürchten und schließlich mit ihm zu lachen. - Christoph Schulte Richtering

Gelächter (3) Aus dem Nebel ertönte ein Gelächter - anscheinend aus großer Entfernung - ein tiefes, absichtliches, seelenloses Lachen, das genauso wenig der Fröhlichkeit entsprungen war wie das Lachen der Hyäne, wenn sie nachts in der Wüste umherstreift; ein Gelächter, das sich langsam immer mehr steigerte, lauter und lauter, dann klarer wurde, deutlicher und schrecklicher, bis sie glaubten, es hätte sich so genähert, daß der Lachende in jedem Augenblick auftauchen müßte; ein Lachen, das so unnatürlich, so unmenschlich und teuflisch war, daß es diese harten Menschenjäger mit unsäglicher Furcht erfüllte! Sie griffen weder zu ihren Waffen, noch dachten sie auch nur daran; das Bedrohliche der entsetzlichen Laute war nicht derart, daß man mit einer Waffe dagegen etwas ausrichten könnte. So wie es aus der Stille plötzlich gekommen war, erstarb es nun auch wieder; nachdem es in einem Schrei gegipfelt hatte - fast unmittelbar neben ihnen, so schien es -, hatte es sich wieder entfernt, bis seine ersterbenden Reste, freudlos und mechanisch, irgendwo weit fort in der Stille vergingen. - Ambrose Bierce, Der Tod des Halpin Frayser, in: A.B., Die Spottdrossel. Zürich 1978 (detebe 106)

Gelächter (4) Das Geschenk  wiesen die Frauen von sich. Erfahrung hatte sie gelehrt, daß kostenlose Gaben teuer zu stehen kommen. Selma warf die Phiole in den Aschenkasten des Küchenherds. Darüber lag ein Holzfeuer. Beim Wurf löste sich der Korken. Die Flüssigkeit sickerte aus und entzündete sich sofort. Das Feuer quoll aus dem Herd, loderte hoch bis zur Decke und breitete sich dann nach allen Seiten aus. Schnell war die Küche in Brand und Selma von Flammen umzingelt. »Die Höll ist los«, schrie Selma Uhlig.

»Die Dummheit«, widersprach eine gewaltige Stimme. Sie fuhr in den Feuersturm. Selma rief nach Feuerwehr und Pastor. Da blies ein dröhnendes Gelächter ins Gewaber und löschte die Flammen. Selma fand sich wieder neben dem Küchentisch, der erhalten geblieben war. Auch ihr Kleid war erhalten geblieben, ihre Haut, ihr Haar. Die Küche war unversehrt, kein Ruß an den Wänden. Blanke Fensterscheiben.

Isebel flog durchs geöffnete Fenster und sprach: »Ich komm wie gerufen.«

Selma stand von Todesangst geschüttelt.

»Blödes Weibervolk«, dröhnte Isebel, »man muß sich fragen, wie so blitzdumme Bäuche so erzgescheite Kinder zur Welt bringen können«.  - Irmtraud Morgner, Amanda. Ein Hexenroman. Frankfurt am Main 1984 (SL 529, zuerst 1983)

Gelächter (5)   Seit vier Wochen hatte James Ensor in seinem Klinikbett gelegen und auf den Pfiff des Jägers gewartet, in der nebligen Heide längs der Dünen, die der Seewind peitschte. Vor einem Monat hatte der Tod sich ihm auf Zehenspitzen genähert in dem großen Zimmer seines Hauses in der rue des Flandres, eine Maske vor dem Gesicht. Wenn ich erzählen müßte, wie das geschah, würde ich sagen, daß der Tod einen plötzlichen Schrei ausgestoßen hat. daß Ensor sich blitzschnell umgedreht, den Tod mit der Maske vor dem Gesicht gesehen hat, in Gelächter, sein sarkastisches Gelächter, ausgebrochen und dann zu Boden gestürzt ist, in einem See von Blut. Ein Blutgefäß war im Darm geplatzt, und Blut und gelber Eiter waren in Strömen herausgelaufen. James Ensor lag mitten in dieser rotgelben Lache, und der alte Diener hatte ihn mit seinen verkrampften Händen nicht hochheben können. Dann waren Leute herbeigelaufen, Ensor war auf einen Stuhl gesetzt worden, und auf diesem Stuhl wurde er in die Klinik gebracht, ohnmächtig, sein zur Seite geneigter Kopf ruhte auf der Schulter. Auch er schien eine Maske vor dem Gesicht zu tragen. - Aus: Curzio Malaparte, Zwischen Erdbeben. Frankfurt am Main 2007 (Die Andere Bibliothek Bd. 267)
 
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