»Du kaufen Dicki?« fragte er mich lächelnd. Er sagte merkwürdigerweise alles mit »i«. Er sagte: »Schini Dicki, schini Dicki, dreißigtausind, zwanzigtausind...«
Als sein Angebot abgelehnt wurde, war er weder beleidigt noch verärgert. Er legte die verschmähte Decke wieder zusammen und entfaltete sofort eine andere mit großen einfarbigen Zeichnungen.
»Du kaufen Tippich?« fragte mich der Araber dann und breitete einen kleinen Teppich auf dem Sand aus, einen sogenannten Gebetsteppich. »Dies Tippich von Ilidin!« sagte er und lächelte immer noch aufmunternd von einem Ohr zum anderen. Doch er mußte sein Angebot zwei oder dreimal wiederholen, bis ich verstand, daß es sich nach seiner Meinung um Aladins Teppich handelte.
Jetzt mußte ich lächeln. Darauf schaute ich jedoch entschieden in das Buch, das ich aufgeschlagen hatte, um dem Araber zu verstehen zu geben, daß die Audienz zu Ende war. Er verabschiedete sich freundlich von mir und ging weiter bis zum nächsten Sonnenschirm, wo die Deutschen waren. Auch die energische und autoritäre Frau unterzog seine Ware einer sorgfältigen Prüfung, befühlte die Decken und drehte und wendete sie, wobei sie im' mer wieder nach dem Preis fragte. »Quanto costare?« »Dreißigtausind.« »Questo quanto costare?« »Zwanzigtausind.«
Und nachdem der Araber alle seine Decken eine nach der anderen wieder zusammengelegt hatte, breitete er auch zu ihren Füßen den kleinen Teppich, einen liebevollen Schnörkel in grünen und braunen Tönen, aus. »Du kaufen Tippich von Ilidin?« »Quanto costare?«
»Erst sagen, ob kaufen. Dies wunderbar Tippich. Magisch Tippich. Du fliegen.« Die Dame verstand ihn nicht. Ihr Mann mußte sich einschalten, der ein wenig besser Italienisch konnte als sie, und er erklärte ihr alles auf deutsch, wobei er mit Händen und Füßen unmißverständliche Bewegungen machte, die »niegen« hießen. Da machte der kleinste Deutsche unverzüg'lich einen Flug rund um den Sonnenschirm und wirbelte mit seinen aufgeregten Füßen eine Sandwolke auf. »Paß auf! Paß auf!« Der Junge flog wenig über dem Boden weiter, auf dem Teppich stehend. Aber der Araber nahm ihn behutsam herunter. »Du kaufen, dann fliegen«, sagte er mit sämtlichen schneeweißen Zähnen. »Was sagt er? Was sagte er?« fragte die Frau ihren Mann, der ihr geduldig die gewünschte Übersetzung lieferte.
Der kleine Junge schaute nun schon sehnsüchtig auf den kleinen Teppich und hätte wohl die Gelegenheit ergriffen, eine richtige Trotzszene hinzulegen, wenn die Dame nicht von einem Moment auf den anderen beschlossen hätte, die Zelte abzubrechen. Daraufhin wurden in intensivem Einsatz Badeanzüge, Pullover, Thermosflaschen, Schaufeln, Eimer, Schwimmanzüge, Schlauchboote, Muscheln, angebissene Brötchen eingesammelt und verstaut: die Beute eines intensiven Badetages einer fünfköpfigen deutschen Familie. Aber der Araber rührte sich nicht vom Fleck. Und der kleine Junge schielte immer noch nach dem kleinen Teppich. Auch als sie schon weit in der Ferne, aber immer noch am Strand zu ihrem Auto gingen, drehte er sich immer wieder um und ließ sich schließlich diszipliniert in die Richtung ziehen, in die der Vater zeigte.
Nun waren wir wirklich allein, der Araber und ich, vor uns das Meer, das sich in einen melancholischen Dunst hüllte.
Der Araber gab sich einen Ruck, schob die Deckenlast auf seinen Schultern
zurecht, schüttelte den Sand aus dem kleinen Tep' pich, breitete ihn beinahe
liebevoll auf dem Boden aus, stieg darauf... und flog in die Luft... Ich mußte
mich schnell umdrehen, um sie verschwinden zu sehen, den kleinen Teppich und
den Araber, denn schon flogen sie über den Strand, über die Häuser, über das
Dach der Pension >Vecchia Rimini<, über den Kanal von Porto Garibaldi, den die
kleine asthmatische Fähre überquerte, auf die Sonne zu, die nun wie eine große
kalte Orange aussah und über den Nebeln hinter Comacchio
entschwebte.
- Gianni Rodari, Das fabelhafte Telefon. Wahre Lügengeschichten. Berlin
1997 (Wagenbach Salto 65, zuerst 1962)
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Restif
de la Bretonne, Anti-Justine
Geiz (3)
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