eisteswissenschaften
Schwerarbeitende Magistranden und Doktoranden mit schwangeren
Frauen schrieben immer noch Dissertationen über Dostojewskij und Simone de Beauvoir.
Literaturabteilungen plagten sich unter dem Eindruck, daß Stendhal, Galsworthy,
Dreiser und Mann große Schriftsteller wären. Plastikworte wie «Konflikt» und
«Muster» waren noch immer im Schwange. Wie gewöhnlich
bemühten sich sterile Dozenten, «produktiv» zu sein, indem sie die Bücher fruchtbarerer
Kollegen rezensierten, und wie gewöhnlich war ein Haufen glücklicher Mitglieder
des Lehrkörpers dabei oder drauf und dran, die verschiedenen Drittmittel aufzubrauchen,
die ihnen früher im Jahr zuteil geworden waren. So bot eine amüsante kleine
Zuwendung dem vielseitigen Ehepaar Starr - Christopher Starr mit dem Babygesicht
und seiner Kindfrau Louise - von der Abteilung für Bildende Künste die einzigartige
Möglichkeit, Nachkriegsvolkslieder in Ostdeutschland aufzunehmen, für das diese
erstaunlichen jungen Leute irgendwie eine Einreisegenehmigung ergattert hatten.
Für eine Studie der Eßgewohnheiten kubanischer Fischer und Palmenkletterer hatte
Tristram W. Thomas («Tom» für seine Freunde), Professor der Ethnologie,
von der Mandoville-Stiftung zehntausend Dollar erhalten. Eine andere wohltätige
Einrichtung war Dr. Bodo von Falternfels zu Hilfe geeilt, um ihn instand zu
setzen, «eine Bibliographie des veröffentlichten und handschriftlichen Materials»
zu vollenden, «das in den letzten Jahren einer kritischen Würdigung des Einflusses
von Nietzsches Schülern auf das Denken der Moderne gewidmet war». Und last but
not least gestattete die Zuerkennung eines besonders großzügigen Forschungszuschusses
es dem berühmten Waindeller Psychiater Dr. Rudolph Aura, zehntausend Grundschülern
den sogenannten Fingerschalentest angedeihen zu lassen, bei dem das Kind aufgefordert
wird, seinen Zeigefinger in Schalen mit gefärbten Flüssigkeiten zu tauchen,
woraufhin das Verhältnis von Fingergesamtlänge und benetztem Teil gemessen und
in allerlei faszinierenden Diagrammen dargestellt wird. - Vladimir Nabokov, Pnin. Reinbek bei Hamburg 2004
(zuerst 1957)