eist, höllischer   Sie hatte die Augen geschlossen; öffnete sie aber gleich und sah sich um. Sah mich einen Augenblick forschend an. Wen sie verkörperte, brauche ich nicht zu sagen; doch sage ich in aller Offenheit, daß es ein perverses Abbild war, ein schreckliches und düsteres, das von ihrer bezaubernden Verlorenheit nichts mehr an sich hatte. Die Kleidung war die des Porträts; am Hals trug sie ihre Kette, die ich vorher auf dem Tischchen gesehen hatte. Ihre Augen, ihr Mund, ihr Haar, ihre Schultern waren zwar dieselben; und doch konnte ich sie nicht wiedererkennen. Nicht mit dieser Frau, die ich hier sah, verband mich mittlerweile ein tiefes Gefühl; denn dieser hier, diesem unkenntlichen Gespenst, schien nur verblieben zu sein, was ihr Wesen an Uneingestandenem und Abscheulichem enthalten haben mochte, und von ihrem geliebten Aussehen nichts als die taube Materie. Jeder Gesichtszug sowie ihr ganzes Hiersein brachten nur Anmaßung, niedrige Anmaßung, ja, abscheulichen Haß zum Ausdruck.

Dies da war allen Anzeichen nach ein Geist aus der Hölle, eine dreckige Larve.

Grauen und Abscheu waren das einzige, was ich bei dem so ersehnten Anblick empfand. Fast als würde das Gespenst dies begreifen, sah es mich mit düster zornigen und zugleich ekelhaft flehenden Augen an: es bedrohte mich und erbat von mir gleichzeitig, ihm sein grauenhaftes Leben, diesen vorübergehenden und erbärmlichen Daseinsmoment nicht wegzunehmen, es mit meiner Ungläubigkeit nicht zu entlarven.

Schließlich entrang sich mir doch ein unterdrückter Schrei. Ich hätte ja auch den Alten warnen wollen: dies Gespenst, das er in einem fort mit den süßesten Namen gebeten und gerufen hatte, war weiter nichts als eine entsetzliche Täuschung seiner, unserer verwirrten, von irgendeiner infernalischen Macht aufgestachelten, besessenen Sinne; jene dort war nicht die Frau, die er liebte, die wir liebten. Bei meinem Aufschrei verschwand das Gespenst auf der Stelle, und vom Kohlenbecken erhob sich wiederum träger, blasser Rauch.     - Tommaso Landolfi, Herbsterzählung. Reinbek bei Hamburg 1990 (zuerst 1975)