Geilheit, göttliche  Über drei Göttinnen hatte Aphrodite keine Macht: über Athene, Artemis und Hestia. Alle anderen Götter und' Göttinnen besiegte sie; sie zwang Zeus, sterbliche Frauen zu lieben, und seine göttliche Schwestergattin Hera, die Tochter des Kronos und der Rhea, zu vergessen. Darum mußte sich Aphrodite, nach dem Willen des Zeus, auch in einen Sterblichen, den Hirten Anchises, verlieben. Dieser weidete seine Rinder auf den Höhen des Idagebirges und war schön wie die Unsterblichen. Aphrodite erblickte ihn, und mächtig ergriff sie die Liebe. Sie eilte nach Zypern, zu ihrem Tempel in Paphos. Die Tempeltüre schloß sie hinter sich, die Chariten badeten sie und salbten die große Göttin mit unsterblichem öl, dessen Duft den ewigen Göttern anhaftet. In schönem Gewand, mit Gold geschmückt, kehrte sie eilends nach Troja zurück, zum Idagebifge, der Mutter von wilden Tieren.

Sie nahm den Weg durch das Gebirge zur Stallung. Schweifwedelnd folgten ihr graue Wölfe, wild blickende Löwen, Bären und schnelle Leoparden, die nie genug Gazellen verzehren können. Die Göttin freute sich, als sie die Tiere erblickte, und erfüllte ihre Herzen mit Liebe, daß sie sich paarweise hinlegten im Schatten der Wälder. Aphrodite betrat das Zelt der Hirten und fand Anchises allein. Er ging auf und ab und spielte die Zither. Vor ihm stand Aphrodite, als wäre sie eine schöne, zarte, sterbliche Jungfrau. Anchises erblickte sie, und sann und staunte über ihre Schönheit, ihren Wuchs und die herrliche Kleidung. Sie trug ein Gewand, dessen rote Farbe mehr blendete als das Feuer, ihre Brüste leuchteten wunderbar, wie von Mondschein umgossen. Liebe ergriff den Anchises, und er redete die Göttin an. Er begrüßte sie wie eine Unsterbliche, versprach ihr Altar und Opfer, und bat um ihren Segen für sich und seine Nachkommen. Da log ihm die Göttin, sie sei ein sterbliches Mädchen, eine phrygische Königstochter, spreche aber auch die Sprache der Troer. Aus dem Chor der Artemis, in dem sie mit ihren Spielgenossinnen und mit Nymphen tanzte, hätte Hermes sie entrafft und durch die Luft von Phrygien hierhergebracht. Denn sie sei berufen - so sagte ihr der göttliche Bote - die Gattin des Anchises zu werden. Doch möge, bat sie, der Hirt sie zuerst noch unangetastet lassen, er möge sie den Eltern und Brüdern zeigen, deren Schwiegertochter und Schwägerin sie sein werde, möge auch an ihre Eltern wegen der Mitgift einen Boten schicken, und erst danach Hochzeit feiern.

Mit diesen Worten entfachte die Göttin noch mehr die Liebe des Anchises. »Bist du ein sterbliches Mädchen und zu meiner Gattin bestimmt, so wird mich weder Gott noch Mensch zurückhalten von dir. Selbst wenn Apollon mich nachher mit seinen Pfeilen treffen sollte, lieben will ich dich jetzt sofort, und danach sterben!« So rief der Hirt und ergriff die Hand der Aphrodite. Sie folgte ihm, sich immer wieder zurückwendend, als wollte sie umkehren, die schönen Augen niedergeschlagen, zum Lager. Auf weichen Decken lagen Felle von Bären und Löwen, die Anchises selbst erbeutet. Er nahm ihr den schimmernden Schmuck, löste ihren Gürtel und enthüllte sie. Nach dem Willen der Götter lag der Sterbliche neben der unsterblichen Göttin, ohne es zu wissen. Erst in der Stunde, wo die übrigen Hirten heimkehren sollten, weckte Aphrodite den schlafenden Geliebten und zeigte sich ihm in ihrer wahren Gestalt und Schönheit. Anchises erschrak, als er ihre schönen Augen sah. Er wandte sich ab, verhüllte sein Angesicht und flehte Aphrodite um Rettung an. Denn kein sterblicher Mann bleibt für sein übriges Leben heil, der mit einer Göttin schlief.

Es wird noch weiter erzählt, daß Aphrodite über den Sohn, den sie von Anchises empfangen hat, und über dessen Nachkommen das Beste und Schönste prophezeite. Der Sohn war Ainaeas, der als Gründer der Nation der Latiner bei unseren italischen Nachbarn sollte berühmt werden. Sich selbst beklagte die Göttin, hatte sie sich doch einem Sterblichen hingegeben. Niemandem dürfe Anchises verraten, daß es ihr Sohn sei, wenn die Nymphen ihm ein Kind brächten, als wäre es von einer unter ihnen geboren. Sonst würde ihn der Blitz des Zeus treffen.

Es wird berichtet, daß Anchises später durch einen Blitzschlag lahm wurde, weil er m seiner Trunkenheit geprahlt hatte. Doch gab es eine Erzählung auch darüber, daß er mit Blindheit gestraft wurde, weil er die Nacktheit der Göttin sah. Bienen hätten ihm die Augen ausgestochen.  - (kere)

Geilheit, göttliche (2)
 

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